Coronavirus stellt Kreditanalyse vor Herausforderungen
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Die dramatischen Auswirkungen der COVID-19-Krise stellen selbst die erfahrensten Kreditanalysten vor Herausforderungen. „Die Folgen der Krise gehen weit über diejenigen hinaus, die in der Technologieblase der frühen 2000er Jahre oder der Finanzkrise 2008/2009 zu sehen waren“, sagt Paula Jouandet-Dahlen, Global Head of Credit Research bei AXA Investment Managers (AXA IM). Gefragt sei nun Adaptabilität in der Kreditanalyse, um für Investoren in der Krise die Spreu vom Weizen zu trennen.
Für die meisten Analysten und Investoren sei das Ausmaß des Abschwungs Neuland gewesen, und auch die Reaktionen der politischen Entscheidungsträger in aller Welt war ebenso beispiellos. Diese kollektive Anstrengung habe für dringend benötigte Stabilität gesorgt, aber auch eine besondere Herausforderung für Kreditanalysten geschaffen. „Der tägliche Prozess der Kreditanalyse ist heute mit einer erhöhten Sensibilität für das Tempo und das Ausmaß der sich ändernden Bedingungen verbunden. Aus diesem Grund beobachten wir staatliche Briefings aufmerksam im Hinblick auf subtile Veränderungen der Art und des Umfangs der Unterstützung für die einen Unternehmen sowie auf länger andauernde Einschränkungen für andere“, so Jouandet-Dahlen. Dies sei entscheidend, um die kurzfristigen Auswirkungen auf den Cashflow von Unternehmen einschätzen zu können.
Umfassendes Rollenverständnis vonnöten
Analysten müssen die Rolle eines Unternehmens oder einer Branche in jedem Land verstehen, um abschätzen zu können, ob es mit Staatshilfe rechnen kann und wenn ja, wie nachhaltig diese dann ist. So könnten für Unternehmen, die als strategisch wichtig betrachtet werden – beispielsweise im Hinblick auf eine technologische Vorreiterrolle oder aufgrund der nationalen Sicherheit – oder die als wichtige Arbeitgeber von erheblicher nationaler Bedeutung sind, staatliche Hilfsmaßnahmen in die Kreditanalyse mit einbezogen werden. Jouandet-Dahlen verweist auf das Beispiel der europäischen Automobilindustrie. „Auf der anderen Seite haben wir Fälle mit großen Unternehmen in finanziellen Schwierigkeiten gesehen, die keine staatliche Unterstützung erhalten haben. Ihre nationale Bedeutung wurde als weniger dringlich eingestuft. Das galt vor allem bei Unternehmen, die in Steueroasen registriert sind.“
Diese Unterschiede würden unterstreichen, wie wichtig es für Kreditanalysten sei, ihre Fähigkeiten im Bereich der Recovery-Analyse aufzufrischen. Dazu gehöre auch ein Verständnis dafür, wie sich die Folgen dieser Entwicklung auswirken. „Jede staatliche Beihilfe wird wahrscheinlich an Bedingungen geknüpft sein“, sagt Jouandet-Dahlen und verweist auf Umweltverpflichtungen, die bereits Bestandteil einiger Beihilfen gewesen seien. Im Hinblick auf die Begrenzung von Dividendenzahlungen und das Aussetzen von Aktienrückkäufen seien diese zwar zu begrüßen. „Allerdings müssen Kreditanalysten auch beurteilen, ob solche Entscheidungen von Dauer sind oder Unternehmen Aktionärsauszahlungen einfach auf einen späteren Zeitpunkt verschieben“, so die Expertin.
Flexibilität und agiles Research ist gefragt
Jouandet-Dahlen mahnt zudem davor, allzu schnell wieder auf Erträge, Cashflows und den Verschuldungsgrad zu blicken: „Staatsgesicherte Kredite und Anleihekäufe können zwar helfen, unmittelbaren Liquiditätsdruck zu mindern und so das Überleben nachhaltiger Unternehmen zu sichern. Sie können aber die unvermeidbaren Auswirkungen der Krise auf die Unternehmensverschuldungen, gemessen am Verhältnis der Finanzschulden zum EBITDA, nicht vermeiden.“ Gefragt sei daher Flexibilität bei der Kreditanalyse sowie ein tiefgreifendes und agiles Research, um die Eigenheiten dieser Krise sowie ihrer Auswirkungen herauszuarbeiten und so wirklich nachhaltige Unternehmen zu identifizieren. „Ziel muss es sein, die Spreu vom Weizen zu trennen und so weiterhin wertschaffende und nachhaltige Anlagemöglichkeiten für Investoren zu bieten. Denn trotz aller Herausforderungen ist eines sicher: Die anhaltende Krise hat angesichts der umfassenden Neu-Bepreisung vieler erstklassiger Kredite neue, attraktive Anlagemöglichkeiten geschaffen“, resümiert Jouandet-Dahlen.
MVST-Modell von AXA IM
AXA IM hat für die Kreditanalyse ihr Instrumentarium weiterentwickelt, um sowohl den neuen Marktbedingungen als auch den vielfältigen Unterstützungsmaßnahmen in der ganzen Welt Rechnung zu tragen. Das MVST (Macro, Valuation, Sentiment, Technicals) -Modell von AXA IM stützt sich dabei auf eine Reihe von Quellen. Es befasst sich unter anderem mit der Makroforschung zu den wirtschafts- und geldpolitischen Aussichten, mit Bewertungsfragen im Zusammenhang mit Kreditrisiken und mit der Sentiment-Analyse, die das Marktverhalten untersucht. Dazu floss eine Reihe aktualisierter Überlegungen ein – beispielsweise eine genauere Untersuchung der Lieferketten und des Fußabdrucks des verarbeitenden Gewerbes, die nach der Krise möglicherweise stärker lokalisiert werden.
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