Comeback der Inflation
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Im Januar kam es an den Märkten zu starken Schwankungen, wobei die nominalen und realen Renditen stark anstiegen, was bei Aktien zu einer starken Umschichtung von Growth (wachstumsorientierte Titel) zu Value (wertorientierte Titel) führte. Die Neubewertung der Inflationsprämie im Zuge der hohen Bewertungen hat zu einer massiven Neubewertung der Risikoprämien geführt. Für die Zukunft ist zu erwarten, dass sich dieses unsichere und volatile Umfeld fortsetzt, während die Märkte vier Themen bewerten:
· Die Entwicklung der Omikron-Variante, die sich negativ auf das Wachstum auswirken und die Versorgungsengpässe weiter verschärfen könnte.
· Die Ungewissheit über die Reaktionen der Zentralbanken auf die hohen Inflationszahlen (USA und Europa) vor dem Hintergrund einer leichten Verlangsamung des Wachstums und der wieder aufkommenden psychologischen Dimension der Inflation mit einer möglichen Lohn-Preis-Spirale.
· Das geopolitische Risiko ist wieder da, mit Kasachstan und der Ukraine in den Schlagzeilen und der Rolle von Russland und China in der Region. Die Energie- und Rohstoffmärkte sind angespannt, volatil und extrem anfällig für politische Risiken. In Europa rücken auf der Politikagenda die Wahlen in Italien und Frankreich immer mehr in den Vordergrund, und das zu einer Zeit, in der neue Steuervorschriften eingeführt werden und der EU-Aufbauplan „NextGenerationEU“ umgesetzt wird.
· Anhaltende Probleme im chinesischen Immobiliensektor. Die Politik entwickelt sich durchaus positiv, wie wir meinen, aber Anleger sollten unserer Auffassung nach nicht mehr auf die hohen BIP-Wachstumszahlen der Vergangenheit vertrauen.
Vor diesem Hintergrund sehen wir drei Hauptthemen für Investoren:
1. Eine Bestätigung für eine vorsichtige Risikoallokation auf kurze Sicht
Dies ist für uns nicht der Zeitpunkt, um zusätzliche Risiken einzugehen, sondern um an den Grundüberzeugungen festzuhalten (defensiv bei der Duration, Bevorzugung von Value, Schutz vor Inflation; unter der Duration versteht man die durchschnittliche Kapitalbindungsdauer von Anleihen). Es dürfte noch zu früh sein, die jüngste Kurskorrektur als Einstiegszeitpunkt in Erwägung zu ziehen. Aus strategischer Sicht ist es in einer Welt mit niedrigen Ertragserwartungen aus unserer Sicht von größter Bedeutung, dass Anleger stärker diversifizieren und geeignete Allokationen z. B. in asiatischen Märkten wie China und Indien sowie in Sachwerten vornehmen, die von einem inflationären Umfeld profitieren könnten. Strategien mit geringer Korrelation, die auf absolute Renditen oder reale Renditen abzielen, sollten aus unserer Sicht ebenfalls bevorzugt werden, da bei steigenden Zinsen und Inflation die traditionelle Korrelationsdynamik zwischen Anleihen und Aktien tendenziell abnimmt. Alternative Investmentstrategien könnten auch zur Diversifizierung von Portfolios beitragen, während kosteneffiziente Strategien in einer Welt mit niedrigen Renditen noch wichtiger werden. Die taktische Allokation sollte ebenfalls entscheidend sein, um Chancen zu nutzen. In der zweiten Jahreshälfte dürften wir eine leichte Verlangsamung der Inflation und eine Verbesserung der Wachstumsdynamik sehen (eher positiv für Aktien).
2. Die Volatilität an den Aktienmärkten dürfte zunehmen und wird wahrscheinlich hoch bleiben, während die Märkte den Inflationskurs und die Vorgehensweise der Zentralbanken neu bewerten
Ein angemessenes Wirtschaftswachstum und einigermaßen akkommodierende Bedingungen an den Finanzmärkten sollten jedoch einen größeren Markteinbruch verhindern können. Unser Basisszenario sind einstellige Aktienrenditen im Jahr 2022. Regional bevorzugen wir Europa/Japan und einzelne Schwellenländer wie Indien und China, wo die Bewertungen attraktiver sind. Der US-Markt könnte das Jahr fast ausgeglichen beenden, aber mit großen Kursunterschieden, die Chancen hinsichtlich relativer Wertunterschiede bieten werden. Eine strukturell hohe Inflation ist offenbar noch nicht eingepreist, und der Markt geht davon aus, dass die Kapitalkosten für lange Zeit niedrig bleiben. Schon eine mäßige Neubewertung des Inflationsrisikos – und der Zinssätze – könnte große Auswirkungen auf die Aktien in Bezug auf die Performance und die Zusammensetzung haben. Die große Rotation innerhalb der Indizes und zwischen Value- und Growth-Märkten wird das Hauptthema für Aktieninvestoren in diesem Jahr sein. Daher sollten die Anleger aus unserer Sicht auf dem US-Markt und noch mehr auf globaler Ebene Value gegenüber Growth bevorzugen. Eine höhere Inflation und höhere Zinsen dürften die Aktienerträge drücken und für teure Wachstumswerte kaum tragbar sein. Value sollte gegenüber Technologie-Wachstum begünstigt sein. Wir sind auch vorsichtiger bei den großen, überbewerteten Titeln und bevorzugen Unternehmen mit hoher Preismacht.
3. Bei Anleihen sollte man aus unserer Sicht auf Flexibilität und eine kurze Duration achten
Traditionelle Anleihe-Benchmarks stehen vor der Herausforderung eines hohen Durationsrisikos und niedriger Renditen. Wenn die Zinsen steigen, werden diese Indizes Verluste erleiden. Anleger sollten nach unserer Auffassung daher flexible Ansätze im Anleihen-Bereich bevorzugen, um die Chancen zu nutzen, die sich aus der Asynchronität zwischen den Zentralbanken und der Wechselkursdynamik ergeben. Anleihen sind nicht „tot“, aber Relative Value – der relative Wert verschiedener Anlagen zueinander – wird vermutlich das Maß aller Dinge sein. Chancen über Zinskurven und Regionen hinweg und in ertragreicheren Vermögenswerten wie Schwellenländeranleihen könnten entscheidend sein, um in einem Umfeld negativer Realrenditen zusätzliche Erträge zu erzielen. Anleger könnten von Marktverschiebungen profitieren, indem sie ihr Engagement in Anleihen aufstocken, sobald ein Teil des Repricings der Renditen hinter uns liegt. Bei den Unternehmensanleihen gibt es immer noch Gelegenheiten, z. B. bei den Hochzinsanleihen, aber hier sollte man aus unserer Sicht überschuldete Titel vermeiden, die unter der geringeren Liquidität leiden könnten.
Nachdem die Inflation jahrzehntelang keine Rolle spielte, bedeutet das große Comeback der Inflation, dass die Anleger von nominalen zu realen Renditen umdenken sollten. Um Renditen zu erwirtschaften, wird es nach unserer Auffassung entscheidend sein, die laufenden Marktschwankungen auszunutzen, und die realen Renditen werden dabei der wichtigste Faktor sein.
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