Kommentar
13:10 Uhr, 15.01.2016

Chinesischer Yuan: Kein Grund zur Sorge?

China feiert die Verbesserung seiner Wechselkurspolitik und zieht diesbezüglich für 2015 eine positive Bilanz. Bis auf Peking scheint weltweit jedoch niemandem zum Feiern zumute zu sein.

Investoren sollten sich eigentlich um Yuan reißen

Vom Markt wird China als größter Risikofaktor für 2016 wahrgenommen. Geht es nach der offiziellen Kommunikation der Notenbank und der zur Notenbank gehörenden CFETS (China Foreign Exchange Trade System) Einheit, dann ist alles in bester Ordnung. Es besteht kein Grund zur Sorge. Ganz im Gegenteil sogar, der Markt sollte die Errungenschaften der Wechselkurspolitik eigentlich feiern.

Aus fundamentaler Sicht gibt es keinen Grund für einen schwächer werdenden Yuan, so das CFETS. Ihrer Einschätzung nach sprechen die makroökonomischen Daten für einen stabilen Wechselkurs. Das Wirtschaftswachstum wird als stabil angesehen und befindet sich im mittleren bis oberen Zielbereich. Das Exportwachstum lässt nach, doch mit einem Handelsbilanzüberschuss von 500 bis 600 Mrd. USD pro Jahr ist ein nachhaltiges Niveau erreicht. Die Leistungsbilanz scheint sich ebenfalls im Bereich von 500 Mrd. einzupendeln.

Die Handelsbilanz war in den ersten 11 Monaten des vergangenen Jahres mit 539 Mrd. USD stark positiv. Das CFETS sieht daher keinen Bedarf einer Abwertung der Währung, um die Exporte zu steigern. Der Überschuss sollte langfristig sogar wieder zu einer Aufwertung der Währung führen.

Für eine Aufwertung spricht auch der nach wie vor hohe Zustrom an ausländischen Direktinvestitionen, die sich bei 100 bis 120 Mrd. pro Jahr stabilisieren. Aufgrund des Kapitalzustroms durch Investitionen, den hohen Handelsüberschüssen und dem Status des Yuan als Reservewährung erwartet die Notenbank langfristig Aufwertungsdruck.

Der Aufwertungsdruck manifestiert sich derzeit nicht. Langfristig soll das anders aussehen, denn China sieht viele Vorteile seiner Währung und seiner Wirtschaft, die für eine steigende Nachfrage nach Yuan sprechen. Zu den Vorteilen gehören die hohen Devisenreserven und die Stabilität des chinesischen Finanzsystems. Beide Faktoren werden die Nachfrage nach Yuan stützen und zu einer höheren Nachfrage nach chinesischen Assets führen. – Soweit die offizielle Einschätzung.

Die Argumentation des CFETS beginnt bodenständig und scheint auf den ersten Blick Hand und Fuß zu haben. Der Ausblick geht derzeit jedoch komplett an der Realität vorbei. Unternehmen investieren nach wie vor hohe Summen. Das ist richtig. Der Markt ist und bleibt aufgrund seiner Größe interessant. Aufwertungsdruck aufgrund gesteigerte Nachfrage nach chinesischen Assets herzuleiten, ist jedoch gewagt und fast schon abwegig.

Die steigende Nachfrage soll vor allem aufgrund der Devisenreserven und der Stabilität des Finanzsystems entstehen. Beides darf man bezweifeln. Spätestens seit Sommer 2015 dürften die wenigsten Investoren noch freiwillig in den Markt gehen. Die Kapriolen des Aktienmarktes sind nur ein Problem, welchem viele weitere folgen. Institutionelle Investoren, die für gewöhnlich größere Summen anlegen und merkliche Anteile an Unternehmen halten, sind damit konfrontiert, dass die Behörden den Handel jederzeit einstellen oder ein Verkaufsverbot erlassen können. Wer besonders viel Pech hat, dem wird Marktmanipulation vorgeworfen und abgeführt. So stellen sich wohl die wenigsten stabile und sichere Investitionsbedingungen vor.

Die Devisenreserven sind ein Argument. Sie sind ein Argument, weil durch die Reserven ein Teil des Geldes effektiv durch Assets gedeckt ist. Die Reserven liegen derzeit bei 3,3 Billionen Dollar. Die Geldmenge M0 (Banknoten und Münzen sowie quasi Cash (schnell in Cash wandelbare Assets wie Sichteinlagen)) liegt derzeit bei gut 6 Billionen Yuan (ca. 900 Mrd. USD). Wer sein sofort verfügbares Geld in Dollar tauschen möchte, sollte eigentlich dazu in der Lage sein. Die Reserven dafür stehen zur Verfügung. Das Problem dabei ist, dass nicht jeder einfach seine Yuan in Dollar tauschen darf. Die Umtauschmengen sind stark begrenzt. Was nutzten unter solchen Voraussetzungen hohe Devisenreserven?

Die Reserven decken die Geldmenge M0. Die Geldmenge M1 liegt bei 11 Billionen Dollar und ist somit schon längst nicht mehr gedeckt. Noch weniger gilt das für die Geldmenge M2 mit knapp 40 Billionen USD. Kurz gesagt: die Devisenreserven sind nur sehr oberflächlich betrachtet ein gutes Argument.

Lässt man all das außen vor und blendet es aus, dann möchte man noch immer nicht freiwillig investieren. Banken sitzen auf einer unbekannten Menge an faulen Krediten. Viele Unternehmen sind eigentlich bankrott, doch werden am Leben gehalten. Die Anleihen von Unternehmen und Lokalregierungen sind alles andere als sicher, gelten viele dieser Einheiten doch als hoffnungslos überschuldet. Das einzig vorstellbare ist ein Investment in Anleihen des Zentralstaates.


Wechselkurspolitik in die richtige Richtung

Bei aller Kritik muss man China eines zugutehalten: mit der Wechselkurspolitik geht es in die richtige Richtung – im Großen und Ganzen zumindest. Die Richtung stimmt, weil den Marktkräften mehr Raum gelassen wird. Die feste Bindung zum Dollar wird aufgegeben. Die automatische Auf- und Abwertung gibt es nicht mehr.

Die Notenbank geht hierbei kleine Schritte. Einerseits darf der Dollar/Yuan Kurs stärker fluktuieren und andererseits werden die Marktpreise des Wechselkurses in die Festlegungen des Kurses des nächsten Tages miteinbezogen. Die Marktkräfte werden berücksichtigt – zu einem gewissen Teil. Das gibt die Notenbank offenherzig zu. Eine vollkommene Berücksichtigung findet nicht statt.

Das CFETS begründet die eingeschränkte Berücksichtigung der Marktkräfte. Marktkräfte werden nur soweit zugelassen, sofern sie den fundamentalen Gesichtspunkten entsprechen. Marktkräfte finden also nur Berücksichtigung, wenn sie nach Meinung der Währungshüter die korrekte Richtung vorweisen. Damit kann man die „Berücksichtigung der Marktkräfte“ eigentlich wieder komplett aus der Wechselkurspolitik streichen, denn entscheidet der Markt, dass der Yuan bei 8 zum Dollar stehen sollte, die Notenbank und Führung in Peking dies jedoch nicht begründet sieht, dann wird der Kurs auch nicht bei 8 stehen, sondern dort, wo er für angemessen gehalten wird.

Derzeit sieht Peking die Marktkräfte nicht in Einklang mit der tatsächlichen Lage der chinesischen Wirtschaft. Sie unterbindet die Marktkräfte durch Interventionen, weil sie nicht das „wahre“ Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage der Wirtschaft widerspiegeln. Zugelassen wird das nicht, weil dieses Missverhältnis, verursacht durch (böse) Spekulanten, preisliche Fehlsignale geben würde. Das CFETS sagt ganz klar: wir haben die Mittel den Spekulanten standzuhalten. Genau daran zweifelt die Welt.
Woran man nicht zweifeln muss, dass ist der Wille zu einer stabilen Währung und zu einer freieren Konvertierbarkeit des Yuan. Ob das gelingt, steht auf einem anderen Blatt. Bis auf weiteres hat die Notenbank allerdings tatsächlich die Mittel sich gegen zu große Bewegungen durch Interventionen zu wehren.
Der Markt ist trotzdem nervös. Verübeln kann man es ihm nicht, denn der Notenbank wird mit großer Skepsis begegnet. Während die ganze Welt an den Lippen der US Notenbank hängt und den Worten der Notenbanker bedingungsloses und absolutes Vertrauen gewährt, verunsichert jedes Wort der chinesischen Notenbank mehr als es nützt. Der Markt würde sich jedoch selbst einen gefallen tun der Zentralbank zuzuhören, dann hätten die meisten vielleicht inzwischen verstanden, was eigentlich vor sich geht.

Der Yuan wird seit Monaten de facto nicht mehr gegen den Dollar stabil gehalten. Die Dollaranbindung gibt es nicht mehr. Der Markt scheint das noch nicht verstanden zu haben, denn jede Auf- oder Abwertung gegenüber dem Dollar wird als wegweisendes Zeichen gesehen. Das CFETS und die Notenbank haben ziemlich deutlich gemacht, dass sie einen stabilen Kurs gegenüber einem Währungskorb anstreben. Die Zusammensetzung des Währungskorbes ist in Grafik 1 dargestellt.

In den noch recht frischen Statements des CFETS und der Notenbank in diesem Jahr wird die Wechselkurspolitik für 2016 wie folgt beschrieben: 2016 bleibt die Wechselkurspolitik an Nachfrage und Angebot sowie an einen Währungskorb gebunden. Von Dollar ist da keine Rede mehr. Während alle Welt immer noch auf den Dollar/Yuan Kurs starrt, ist dieser nicht mehr von Bedeutung. Der Yuan wird gegen den Währungskorb gemanagt, Anleger und Investoren starren aber auf USD/CNY. Sie starren auf den falschen Kurs.

Grafik 2 zeigt den Yuan Kurs gegenüber dem Dollar und dem Währungskorb. Gegenüber dem Dollar ist eine vergleichsweise dramatische Abwertung zu erkennen. Es fehlt nicht mehr viel und die Aufwertung seit 2010 ist wieder vollkommen rückgängig gemacht.

Gegenüber dem Währungskorb ist der Yuan seit einem Jahr relativ stabil. Vermutlich wird das so nicht bleiben, auch wenn dies das langfristige Ziel ist. Die Dollarrallye seit Mitte 2014 hat zu einer Aufwertung des Yuan von 15 % gegenüber dem Währungskorb geführt. Es ist davon auszugehen, dass Peking dieses Plus abbauen wird. Sofern der Dollar gegenüber anderen Währungen nicht abwertet muss der Yuan gegenüber dem Dollar abwerten, um dieses Ziel zu erreichen. Denkbar ist eine Abwertung von weiteren 5 bis 10 %. Dann wäre der Yuan Kurs gegenüber dem Währungskorb nur noch wenig höher bewertet als vor Beginn der Dollarrallye.

Der Weg ist eigenschlagen und folgt einer klaren Vorgabe. Der Markt muss lernen damit umzugehen. Es gibt für den Yuan eine neue Realität. Je früher das die Marktteilnehmer begreifen, desto besser. Viele Marktteilnehmer missbilligen die neue Wechselkurspolitik. Der Markt kann es allerdings so sehr missbilligen wie er will – China wird daran nichts ändern, solange es den Marktkräften etwas entgegenzusetzen hat. Im Englischen würde man zu den missmutigen Marktteilnehmern einfach sagen: deal with it.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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