Kommentar
15:59 Uhr, 29.09.2015

Chinesische Zentralbank wird nervös

Manchmal weiß man nicht so genau, ob in China die Partei und die Notenbank die gleiche Institution sind. In den vergangenen Tagen werden diese Zweifel zerstreut. Die Notenbank äußert sich ungewöhnlich deutlich mit einer eigenen Meinung.

Oftmals wirkt es so, als würde die Politik der Notenbank vorgeben, was sie zu tun hat. Vermutlich ist es auch in der Mehrzahl der Fälle so. Es kommt selten vor, dass sich die Notenbank mit eigenen Meinungen zu Wort meldet. Für gewöhnlich meldet sie sich mit Statements zu Wort, die die offizielle Parteilinie untermauern.

In den vergangenen Tagen mehrten sich Äußerungen, die nicht unbedingt auf Parteilinie sind. Die Partei will die Öffnung der Wirtschaft und der Kapitalmärkte sehr langsam vorantreiben. Für die Öffnung gibt es einen Mehrjahresplan. Bisher wurde dieser Plan sehr genau verfolgt und weder beschleunigt, noch signifikant verlangsamt.

Erst seit einem Monat wird an dem Zeitplan gerüttelt. Die Abwertung des Yuan hat den Markt weltweit aufgeschreckt. Seitdem kämpft die Notenbank gegen Kapitalflucht. Das tut sie, indem sie auf dem Devisenmarkt interveniert und wieder erweiterte Kapitalverkehrskontrollen einführt. Das ist ein Schritt zurück.

Der Notenbank passt es nicht, dass sie einen Teil der Liberalisierung wieder zurücknehmen muss. Die Kosten dafür sind nämlich sehr hoch. Allen voran bemessen sich die Kosten anhand des Interventionsvolumens. Keiner kennt die genauen Zahlen, doch es wird geschätzt, dass die Notenbank auf Monatssicht 200 Mrd. USD in die Hand nehmen musste, um den Yuan-Kurs wieder zu stabilisieren. Geht das in diesem Tempo weiter, dann sind auch die gigantischen Devisenreserven der Volksrepublik bald weg.

Die indirekten Kosten sind deutlich schwieriger zu bemessen. Sie sind langfristiger Natur und betreffen die Wirtschaft. Um die Wirtschaft anzukurbeln, hat die Notenbank die Zinsen gesenkt und die Reservebestimmungen für Banken gelockert. Der geldpolitischen Lockerung stehen nun aber die Interventionen gegenüber, bei der effektiv Dollar verkauft und Yuan gekauft werden. Das ist eine Straffung der Geldpolitik. Die Notenbank steigt einerseits aufs Gas, andererseits bleibt die Handbremse angezogen.

Die Führung in Peking will bei dieser Quadratur des Kreises bleiben: einerseits lockern, aber gleichzeitig die Währung stabil halten. Auf Dauer geht das nicht. Die Lockerung kommt in der Wirtschaft nicht an und gleichzeitig sinken die Devisenreserven in atemberaubendem Tempo.
Die Notenbank schlägt nun eine Beschleunigung der Öffnung vor. Sie möchte einen großen Schritt Richtung Liberalisierung bis Jahresende gehen. Das ist deutlich schneller als von Peking vorgesehen. Es ist jedoch das einzige, was wirklich Sinn macht. Solange die Notenbank den Yuan Kurs stabil halten muss, entspricht dies einer Straffung der Geldpolitik. So kann die Wirtschaft nicht angeschoben werden. Peking versteht das offenbar noch nicht.

In den kommenden Monaten wird Peking verstehen müssen. Der Druck auf die Währung dürfte zu groß werden. Gleichzeitig wird sich der Abschwung verschärfen, wenn die Notenbank nicht effektiv lockern kann. Je mehr sie unter dem festen Kurs lockert, desto größer wird der Abwertungsdruck auf den Yuan und desto mehr muss interveniert werden, was die Geldpolitik wieder strafft.

Die Notenbank sagt es nicht so deutlich, doch was sie meint erscheint klar zu sein. Anstatt das Dilemma der Lockerung und gleichzeitigen Straffung zu erläutern, argumentiert sie mit dem Pekinger Anspruch, den Yuan zu einer Weltwährung zu erheben. Das funktioniert nur bei freier Konvertierbarkeit und einem einheitlichen Wechselkurs.

Der Yuan Wechselkurs ist alles andere als einheitlich. Es gibt den Onshore Yuan. Dieser ist die offizielle Währung auf dem Festland. Daneben gibt es den Offshore Yuan, der in Hong Kong frei handelbar ist. Beide Kurse liefen bisher so nah beieinander, dass Unterschiede kaum auffielen. Grafik 1 zeigt, dass das inzwischen nicht mehr so ist.

Der Offshore Yuan-Kurs tendierte lange Zeit etwas niedriger (war mehr wert als der Onshore Yuan). Das Verhältnis kehrte sich Ende 2014 um.
Bis Ende 2014 war der Yuan eine Goldgrube für Händler. Man kaufte Yuan (Offshore) und partizipierte von einer aufwertenden Währung und höheren Zinsen. Es wurden große Summen in diesen Carry Trade gesteckt. Seit Ende 2014 wird dieser Trade nach und nach rückgängig gemacht. Das äußerte sich, indem der Offshore Yuan nun etwas weniger wert war als der Onshore Yuan.

Die Differenz zwischen den beiden Währungen war noch nie so groß wie in den letzten Wochen. Das zeigt wie Anleger denken. Sie erwarten eine weitere Abwertung. Der einzige Grund für einen relativ stabilen Spread der beiden Kurse sind die Bemühungen der Notenbank und Arbitragemöglichkeiten. Arbitrage sorgt dafür, dass der Spread nicht zu groß wird.
Entwicklung des Onshore und Offshore Yuan, China
Seit dem Schock Anfang August wertet der Yuan dank großer Interventionen wieder auf. Das täuscht über den anhaltend hohen Abwertungsdruck hinweg. Grafik 2 zeigt noch einmal den Onshore und Offshore Yuan sowie den taiwanesischen Dollar (TWD). TWD und Yuan laufen parallel. Das liegt an der engen Verflechtung der beiden Wirtschaften. Peking sieht Taiwan letztlich als Provinz an.
Taiwan ist letztlich auch eine Provinz Chinas – aus wirtschaftlicher Sicht, nicht aus politischer. Taiwan ist in den chinesischen Markt in etwa so stark integriert wie der US Bundesstaat Illinois in die Vereinigten Staaten. Es ist daher nicht vorstellbar, dass die Währungen substantiell und nachhaltig auseinanderdriften.
Onshore, Offshore Yuan und Taiwan Dollar im Vergleich
Der TWD ist ein Vorlaufindikator für den Yuan. TWD werten mit einer Vorlaufzeit von zwei bis drei Monaten vor dem Yuan auf oder ab. Aktuell wertet TWD ab, während der Yuan aufwertet. Diese Divergenz wird sich auflösen, höchstwahrscheinlich zugunsten des TWD. Die Abwertung des Yuan sollte demnach spätestens im November fortgeführt werden. Natürlich kann ein Schritt auch früher erfolgen. Das wird daran liegen, ob sich die Notenbank mit ihren rationalen Argumenten gegenüber der Politik durchsetzen kann.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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