Kommentar
14:06 Uhr, 08.06.2023

China: War es das schon wieder?

Chinas Post-Covid-Boom scheint vorbei, bevor er richtig begonnen hat. Man fragt sich: Soll es das wirklich schon gewesen sein?

Die immer noch robuste wirtschaftliche Lage in den USA hilft China. Die Exporte sind weiterhin hoch. Exporte allein können das Wachstum allerdings nicht retten, zumal die jüngsten Daten auch hier erste Schwäche anzeigen. Für exportgetriebenes Wachstum ist die Wirtschaftsleistung inzwischen zu groß. Exportwachstum hilft daher nicht, den Einkaufsmanagerindex der Industrie im Wachstumsbereich von mehr als 50 Punkten zu halten. Der Index geht seit drei Monaten zurück und fällt dabei so schnell wie er nach Ende der Lockdowns gestiegen ist (Grafik 1).

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Das Phänomen kennen wir auch aus den USA oder Europa. Die Industrie befindet sich in einer Rezession. Dafür boomt der Dienstleistungssektor. Der Boom ist in China verhalten und bildet sich zurück. Im Prinzip ist das Niveau vor Corona wieder erreicht (Grafik 2).

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Unter diesen Umständen würde man vom Staat und von der Notenbank eine Politik erwarten, die die Wirtschaft anschiebt. Davon ist wenig zu sehen. Der Kreditimpuls, der diese Politik widerspiegelt, ist je nach Berechnung kaum vorhanden bzw. schon wieder im Rückwärtsgang (Grafik 3).

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Ohne einen anschiebenden Kreditimpuls ist auch kein schnelleres Wachstum zu erwarten. Auf Basis der aktuellen Fiskal- und Geldpolitik dürfte das Wirtschaftswachstum in etwa bei 4,5 % liegen. Das ist unter dem ausgegebenen Ziel von 5 % (Grafik 4).

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Dass die Politik die Wirtschaft nicht anschiebt, könnte vor allem mit einem Umstand zusammenhängen. China befindet sich in einer Art Liquiditätsfalle. In einer solchen Situation hilft vor allem lockerere Geldpolitik wenig. Das Kreditwachstum steigt langsamer als die Geldmenge. Mehr Geld führt nicht zu mehr Kredit und Wachstum (Grafik 5).

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Möglicherweise will die Notenbank die Wirtschaft anschieben, doch diese reagiert nicht. Das ist vergleichbar mit der Situation in den USA in den Jahren nach der Finanzkrise. Trotz Nullzinspolitik und Quantitative Easing blieb das Wachstum auf tiefem Niveau. Das Geld kam in der Wirtschaft nicht an.

In diesem Fall hilft nur Fiskalpolitik. Die Verschuldung ist jedoch bereits jetzt hoch und die Not ist nicht so groß, dass der Staat seinen zukünftigen Spielraum durch kurzfristige Programme aufgeben will. Zukünftig braucht es höhere Staatsausgaben. Die Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter bis zum offiziellen Rentenalter geht bereits jetzt zurück.

Arbeiten immer weniger Menschen, ist Wachstum schwierig. Japan erlebt das seit Jahren. China könnte dieses Problem zumindest kurzfristig beheben, indem es das Rentenalter anhebt (Grafik 6). Wenn plötzlich über 150 Mio. Menschen mehr arbeiten, hebt das die Wirtschaftsleistung erheblich.

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Was in der Theorie schön klingt, ist in der Praxis problematisch. Die offizielle Arbeitslosenrate ist rückläufig, doch noch immer über dem Niveau aus dem Jahr 2019. Die Jugendarbeitslosigkeit steigt hingegen weiter und liegt selbst nach offiziellen Angaben bei mehr als 20 % (Grafik 7). Der Arbeitsmarkt kann schon jetzt nicht alle aufnehmen. Wie sollen da 150 Mio. Menschen unterkommen?

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China steckt im Dilemma. Einen Befreiungsschlag gibt es nicht. Stattdessen muss sich die Welt auf eine zähe Entwicklung einstellen. Was den großen Rebound anbelangt: Das kurze Strohfeuer war alles, was China zu bieten hatte.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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