China nach Covid – von null auf hundert
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„Nach dem Ende der chinesischen Null-Covid-Politik Anfang November 2022 dürfte der Höhepunkt der Infektionswelle inzwischen hinter uns liegen. Der Auto- und U-Bahn-Verkehr nimmt in den Großstädten wieder zu, der überregionale Güterverkehr zieht an, und auch am Immobilienmarkt mehren sich die Transaktionen – nicht nur in den Metropolregionen. Telefonumfragen des unabhängigen Marktforschungsunternehmens Dragonomics deuten darauf hin, dass 80 % der chinesischen Landbevölkerung sich bereits mit dem Virus angesteckt haben – sogar schon vor der Reisewelle rund um das chinesische Neujahrsfest am 9. Januar – und dass sich das Leben allmählich wieder normalisiert.
Diese gesunde Erholung der Wirtschaftstätigkeit signalisiert uns, dass wir das Gesamtbild richtig eingeschätzt haben – wir brauchen unsere optimistische Wachstumsprognose von 5,2 % für 2023 also nicht zu revidieren. Die vollständige Öffnung Chinas kam zudem früher als wir erwartet hatten, so dass sich der Großteil der Erholung statt in der der zweiten bereits in der ersten Jahreshälfte vollzieht. Wir bleiben weiter auf der optimistischen Seite der Prognosen.
Inlandsnachfrage treibt Erholung
Unserer Ansicht nach wird neben dem Immobiliensektor der Konsum der wichtigste Motor der Erholung sein, insbesondere in denjenigen Bereichen des Dienstleistungssektors, die Kontakte zu Mitmenschen mit sich bringen und deshalb in der Pandemie besonders gelitten haben. Die Öffnung Chinas ermöglicht es potenziellen Käufern nicht nur, wieder Häuser zu besichtigen. Sie hat auch die politischen Entscheidungsträger dazu veranlasst, endlich die notwendigen Schritte zu unternehmen, um das Vertrauen in den Immobiliensektor wiederherzustellen. Gleichzeitig dürfte die vorsichtige Lockerung der aggressiven staatlichen Tech-Regulierung der Konjunktur Rückenwind geben.
Aufschwung (fast) ohne Inflation
Ein wichtiger Unterschied zum Westen: Wir gehen nicht davon aus, dass die Öffnung Chinas von einer galoppierenden Inflation begleitet werden wird. Wenn man die Transferleistungen an die Bevölkerung einbezieht, waren die fiskalischen Anreize in China viel niedriger als in den USA und Europa. Außerdem ist die dortige Wirtschaft nach drei Jahren Stillstand und dem Verzicht auf Entlassungsprogramme stärkeren Nachholbedarf. Das heißt natürlich nicht, dass wir gar keine Inflation sehen werden, aber wir gehen davon aus, dass wir unter dem Inflationsziel von drei Prozent bleiben werden.
Die Leistungsbilanz dürfte sich verschlechtern, wenn sich die Auslandsnachfrage abschwächt und die Inlandsnachfrage, auch für Auslandsreisen, steigt. Der Renminbi wird jedoch von den Kapitalströmen und dem Wirtschaftszyklus beeinflusst. Wir erwarten deshalb, dass er weiter aufwerten wird.
Chinas aktueller Aufschwung ist in gewisser Weise einzigartig, denn er wird nicht durch staatliche Unterstützungsmaßnahmen angetrieben. Da der Verschuldungsgrad in der gesamten Wirtschaft Rekordhöhen erreicht hat, wird die politische Führung wahrscheinlich ihre Infrastrukturinvestitionen zurückfahren. Aus demselben Grund hat die Regierung deutlich gemacht, dass die Kreditvergabe von nun an im Einklang mit dem nominalen Bruttoinlandsprodukt wachsen wird. Das Kreditwachstum wird sich zukünftig also weitgehend konstant entwickeln.
Lieferstörungen nur bei Rohstoffen
Der aktuelle Aufschwung in China dürfte außerdem weniger rohstoffintensiv ausfallen als früher, da er vom Konsum und nicht von Konjunkturmaßnahmen und Investitionen getragen wird. Zwar wird die Bautätigkeit dieses Jahr wohl wieder anziehen, doch ein Rückgang der Infrastrukturinvestitionen würde eher dämpfend wirken. Außerdem findet die Erholung in China vor dem Hintergrund einer Konjunkturabschwächung in den USA und Europa statt – ein weiterer Dämpfer.
Folglich dürfte Chinas Erholung die weltweite Inflation nicht zusätzlich anheizen. Abgesehen vom Rohstoffbereich erwarten wir keine größeren Lieferstörungen. Auf dem Höhepunkt der Pandemie hat China die Lieferketten effizient gemanagt, so dass wir jetzt erst recht keinen Grund zur Sorge sehen, da der Scheitel der Infektionswelle vorüber ist. Auf globaler Ebene sind die Engpässe ebenfalls verschwunden, was alternative Lieferquellen möglich macht.
Asien profitiert, Lateinamerika weniger
Auch die positiven Effekte des chinesischen Aufschwungs auf andere Märkte dürften etwas geringer ausfallen als in der Vergangenheit. Das liegt daran, dass eine Erholung des Konsumsektors weniger Importe mit sich bringt als eine Erholung der Investitionstätigkeit.
Dennoch wird die Konjunkturerholung spürbar sein, insbesondere in Chinas Nachbarländern. Vor allem werden Taiwan, Malaysia und Korea über den Warenhandel sowie Thailand und Vietnam über den Tourismus profitieren. Auf der anderen Seite wird Lateinamerika voraussichtlich weniger als früher profitieren, weil der Rohstoffbedarf weniger stark steigen wird. Die Region könnte sich aufgrund ihrer räumlichen Nähe dementsprechend stärker an den US-Zyklus angleichen.“
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