Kommentar
15:09 Uhr, 03.08.2022

China: Ein Stimmungs-Allzeittief der Verbraucher

China ging es schon besser und die politische Führung behält die „dynamische Null-Covid Strategie“ bei. Die Folge: Ein Allzeittief.

Chinesische Verbraucher sind so schlecht gelaunt wie noch nie. Das Verbrauchervertrauen stürzt ab, nachdem es sich bisher in der Pandemie solide halten konnte. Selbst Anfang 2020 kam es nur zu einem kleinen Rückgang. Man hatte wohl viel Vertrauen in die Politik. Nun scheint das Vertrauen verloren zu sein. Einen Crash der Stimmungswerte gab es so noch nie. Es gab auch nicht einmal annähernd vergleichbar schlimme Rücksetzer (Grafik 1).


Ob dieses markante Allzeittief wirtschaftliche Folgen hat, bleibt abzuwarten. Die Einzelhandelsumsätze und die Stimmung sind nur wenig korreliert. Das unterscheidet China von den meisten anderen Ländern. Dort hängt der Konsum maßgeblich von der Stimmung ab.

In vielen westlichen Ländern erreicht die Stimmung ebenfalls neue Tiefstwerte. Diese liegen trotz neuer Rekorde nur unwesentlich unter den Tiefs von Anfang 2020. Die Gründe sind andere. Heute ist es die Inflation und nicht mehr die Pandemie. In China ist Inflation hingegen noch kein Thema. Die Inflationsrate liegt bei 2,5 %.

Mehrere Faktoren belasten die Stimmung. Einerseits nimmt die Pandemie kein Ende. Immer wieder kommt es zu Lockdowns. Andererseits läuft es auch wirtschaftlich nicht mehr ganz rund. Die Arbeitslosenrate liegt bei 5,5 %. Das sind zumindest die offiziellen Zahlen. In den 15 Jahren vor Pandemiebeginn stagnierte die Rate bei ungefähr 4 %.

Was der Politik Sorgen bereiten sollte, ist eine hohe Jugendarbeitslosigkeit. Diese liegt bei ungefähr 18 % und beim Doppelten des mehrjährigen Durchschnitts. Hohe Jugendarbeitslosigkeit kann zu Umbrüchen führen, auch wenn die Gefahr dafür in China nicht akut ist.

Die wirtschaftliche Lage wird sich kurzfristig kaum verbessern. Die Stagnation im Inland konnte durch den enormen Importhunger der USA kompensiert werden. Nun sinkt die Stimmung unter US-Unternehmen und das bedeutet für China geringere Exporte (Grafik 2). Das gilt nicht nur beim Großabnehmer USA, sondern auch für Europa. Chinas Außenhandel wird nicht mehr stützen, sondern bremsen.


Der chinesische Einkaufsmanagerindex für die Industrie, der den US-Index im Normalfall vorausläuft, gab im Juli erneut nach und liegt unter der Expansionsgrenze von 50 Punkten (Grafik 3). Der Rebound nach den Frühjahrslockdowns war von sehr kurzer Dauer. Das ist bedenklich, zumal es auch an anderen Stellen nicht an Problemen mangelt. Es ist aber die natürliche Folge vom abnehmenden Importhunger der USA.

Der Immobiliensektor befindet sich seit Jahren in Schieflage und verharrt dort ausdauernd. Da es immer wieder zu „Hypotheken-Boykotts“ kommt, bei denen Kunden ihre Kredite nicht mehr bedienen, weil sie auf ihre Immobilien warten, lässt sich die Schieflage auch nicht beseitigen. Hypotheken-Boykotts verschlimmern die Liquiditätskrise.

Beim letzten globalen Abschwung im Zuge der Finanzkrise öffnete China die Geldschleusen und investierte hunderte Milliarden. Das half auch dem Rest der Welt. Heute kann man über einen verordneten Boom nur träumen. Anstatt die Weltwirtschaft anzuschieben, bremst China. Bei dem bereits laufenden Abschwung in den USA und Europa ist dies kritisch.

Clemens Schmale


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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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