Kommentar
08:44 Uhr, 12.05.2016

China - Das kann nicht gutgehen!

Der Finanzmarkt folgt gewissen Regeln. Diese Regeln gelten überall auf der Welt. Dennoch gibt es derzeit einen Markt, der sich jeglicher Logik widersetzt.

Das kann doch gar nicht gutgehen!

Das Thema, über das ich hier schreibe, beschäftigt mich nicht zum ersten und vermutlich auch nicht zum letzten Mal. Der Grund dafür ist einfach: es ist nicht nachvollziehbar, wie das bisher gutgehen konnte. Es ist auch nicht vorstellbar, dass es langfristig weiterhin gut gehen wird. Trotzdem ist bisher nichts geschehen.

Es geht um den chinesischen Anleihemarkt. Dieser widersetzt sich allen Regeln der Schwerkraft. Viele Medien berichten darüber, dass die Stabilität des Marktes nun ein Ende findet. Nachdem sich Unternehmen und Lokalregierungen zuletzt astronomische Summen von Investoren geliehen haben, erscheint das auch plausibel.

Was viele Berichterstatter verschweigen: Die Lage auf dem Markt hat sich zwar ein bisschen eingetrübt, aber das Umfeld ist nach wie vor blendend. Berichtet wird von steigenden Zinsen. Genauer gesagt wird über die steigende Zinsdifferenz von Unternehmens- zu Staatsanleihen berichtet. Diese Differenz, der Spread, weitet sich tatsächlich aus, doch wie Grafik 1 anhand gut bewerteter Anleihen zeigt, ist die Spreadausweitung wirklich nicht bedrohlich.

Die Spreads stiegen zuletzt sehr schnell an. Sie sind jedoch noch immer unter ihrem mehrjährigen Durchschnitt. Nach einem katastrophalen Kollaps sieht das nicht aus. Dabei sollte eigentlich genau das geschehen.
Unternehmen und Lokalregierungen leihen sich derzeit in atemberaubenden Tempo Geld von Investoren. Grafik 2 zeigt die Entwicklung der Emissionen pro Quartal. Die Geldaufnahme bewegt sich auf rekordhohem Niveau. Das kann man zunächst als Erfolg verkaufen, denn die Regierung wollte ja, dass sich Unternehmen und Institutionen mehr über den Anleihemarkt und weniger über Bankkredite finanzieren. Das ist ihr geglückt.

Wie lange der Regierung das Glück hold ist, muss sich erst noch zeigen. Der Markt wird mit Emissionen überschwemmt. Grafik 3 zeigt Details, wer wie viele Anleihen ausgibt. Ganz besonders gütlich tun sich die Lokalregierungen. In den letzten beiden Monaten nahmen sie mehr Geld über Anleihen auf als die US Regierung – und die nimmt nun wirklich sehr viel frisches Geld auf.

Die Lokalregierungen sind nicht unbedingt die besten Schuldner, denn ihre Verschuldung ist inzwischen so hoch, dass sie eigentlich überhaupt keine Chance haben, das geborgte Geld jemals wieder aus eigener Kraft zurückzuzahlen. Anleger stört das nicht, denn sie gehen von einer impliziten Garantie der Zentralregierung aus. Von einer solchen Garantie gingen viele auch bei Staatsunternehmen aus. Nun lässt die Regierung jedoch eine ganze Reihe an solchen Firmen bankrottgehen.
Die gehäuften Insolvenzen zu Jahresbeginn haben die Ausgabe neuer Unternehmensanleihen gebremst. Der Risikoappetit der Investoren ist begrenzt, zumal die Unternehmen zu geringe Zinsen bieten. Die Zinsen und Spreads steigen zwar an, sind aber immer noch sehr niedrig. Privatinvestoren und institutionelle Investoren halten sich zurück. Dass die Zinsen dennoch nicht massiv ansteigen liegt vor allem an der Zusammensetzung der Gläubiger. Ein Großteil der Anleihen liegt bei Banken.
Unternehmen und Lokalregierungen verschulden sich nicht mehr über Bankkredite, sondern ersetzen diese Kredite durch Anleihen, die wiederum größtenteils von denselben Banken gekauft werden (müssen). Der Anleihemarkt kann dadurch weiterwachsen. Wie schnell das bisher geht zeigt Grafik 4. Mit ca. 7 Billionen Dollar an ausstehenden Anleihen ist China nun der drittgrößte Markt der Welt.
Per se ist gegen einen wachsenden Anleihemarkt nichts einzuwenden. Wenn nun aber die Hälfte der Schuldner de facto insolvent ist, dann ist das einfach nur Wahnsinn. Das Problem der Überschuldung wird vom traditionellen Kreditmarkt auf den Anleihemarkt verschoben. Da die Anleihen allerdings niemand kaufen will, müssen Banken wieder ran, die eigentlich von faulen Krediten entlastet werden sollten.
Das Schuldenrad dreht sich in China immer schneller. Das Problem wird immer schneller verschoben, kommt dann letztlich aber doch wieder bei den Banken an. Zuerst wurden marode Unternehmen und Lokalregierungen gerettet, indem Banken angewiesen wurden mehr Kredit zu vergeben. Als man feststellte, dass Banken unter der Masse an faulen Krediten zusammenbrechen könnten, wurden Kredite durch Anleihen ersetzt. Diese landeten wieder in den Bankbilanzen.

Inzwischen wurde schon der nächste Streich geplant und wird bereits umgesetzt. Wenn Unternehmen Kredite oder Anleihen nicht bedienen können, dann werden die Schulden in Aktien getauscht. Diese landen dann wieder in den Bankbilanzen, da diese ja die Schulden schon jetzt größtenteils halten.
Banken dürften in den kommenden 3 bis 5 Jahren zu Großeigentümern werden. Grafik 5 zeigt die Fälligkeitsstruktur von Unternehmensanleihen. Je größer der Markt und je aussichtsloser die Perspektiven werden, desto kürzer werden die Laufzeiten der Anleihen. Unternehmen müssen innerhalb von 5 Jahren 1,3 Billionen an Dollar refinanzieren. Dazu kommt die Neuausgabe von geschätzten 800 Mrd. pro Jahr.

Eigentlich kann das nicht gutgehen. Es geht einfach nicht. Und trotzdem: bisher geht. Der Markt widersetzt sich dank einer zentralen Steuerung jeglichen Gesetzen. Die Steuerung des Marktes hat bisher jedoch nur dazu geführt, dass Banken die Problemschulden nicht mehr in Form von Krediten, sondern Anleihen und Aktien in den Bilanzen haben. Früher oder später lässt sich das Problem nicht mehr verschleiern oder in eine andere Anlageklasse verschieben. Spätestens dann wird sich zeigen, dass auch China die Gesetze des Finanzmarktes nicht außer Kraft setzen kann – vermutlich zumindest. Wir wurden schon öfter eines Besseren belehrt.

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10 Kommentare

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  • Kasnapoff
    Kasnapoff

    Sehr gute Analyse Herr Schmale,

    man sieht, die Hütchenspieler sind auch in China emsig unterwegs. Wie wird wohl im geschichtlichen Rückblick unsere Zeit der ungebremsten Gelddruckerei/Marktmanipulation bewertet werden? In Anbetracht der seit Lehman erfolgten Marktmanipulationen könnte man tatsächlich zur Meinung gelangen, das die Zentralplaner ihr Spiel ungestraft bis in alle Zukunft fortsetzen können, nach dem Motto, heute ist alles anders.

    Ich vermute jedoch, das wir nicht mehr sehr weit von dem Zeitpunkt entfernt sind, an dem die Märkte massiv rebellieren und die Notenbanken die Waffen strecken müssen. Man sieht ja bereits in Japan, das sich der Yen nicht mehr nach den Wünschen von Abe und Kuroda richten möchte.

    P.S.

    Planwirtschaft hat schon immer in den Ruin geführt, siehe ehemalige Ostblockstaaten. Auch die momentan betriebene Planwirtschaft wird garantiert im Desaster enden.

    12:05 Uhr, 12.05. 2016
  • Gargol
    Gargol

    Schon darüber nachgedacht, ob die Planwirtschaft und bewußte Steuerung aller wirtschaftlichen Prozesse nicht die Zukunft ist ?

    Wir sind mit der Marktwirtschaft wie wir sie kennen in ein Desaster gefahren, das nicht mehr mit den bisher bekannten Mechanismen lösbar ist. Weshalb also nicht die Kapitalmarkt- und Wirtschaftssteuerung à la China, wenn sie funktioniert.

    Der gute König war schon immer besser, als eine schlechte Demokratie.

    12:01 Uhr, 12.05. 2016
    1 Antwort anzeigen
  • Andreas Hoose
    Andreas Hoose

    Die Erkenntnisse sind ein weiterer Beleg dafür, wie an den Kapitalmärkten manipuliert wird. Das betrifft die Anleihen in China genauso wie die Aktienmärkte im Westen, den Ölmarkt oder alle anderen wichtigen Rohstoffe.

    Was dort geschieht, hat mit der Realität nichts mehr zu tun.

    10:32 Uhr, 12.05. 2016
    2 Antworten anzeigen
  • Bigdogg
    Bigdogg

    Sehr gute Analyse!

    08:57 Uhr, 12.05. 2016
  • Vali44
    Vali44

    Spannender Beitrag. Besten Dank. Fürs kurzfristige Timing an der Börse zwar nicht relevant, für Investoren und die längerfristige Perspektive hingegen schon.

    08:51 Uhr, 12.05. 2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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