Kommentar
15:49 Uhr, 30.06.2015

China: Blase geplatzt, Short noch lohnenswert?

Fast jedem war klar, dass es so kommen musste. Die Rallye chinesischer Aktien in den vergangenen Monaten war wohl die erste Blase, die jeder erkannte – bis auf die chinesischen Anleger.

Zugegeben, vielleicht war sich nicht jeder sicher, ob chinesische Aktien in einer Übertreibung steckten, vermutet haben es aber wohl fast alle. Auf meinem Guidants Desktop habe ich das Geschehen immer wieder analysiert und auf die Blase hingewiesen. Die Frage war nicht, ob die Blase platzen würde, sondern wann.

Seit Beginn des Crashs haben die wichtigsten chinesischen Indizes zwischen 20 und 30% verloren. Das geschah alles innerhalb kürzester Zeit. Nicht einmal einen Monat dauerte es bis sich die Indizes in Bärenmärkte begaben. Jetzt rätselt jeder, ob der Crash damit schon wieder vorbei ist oder ob es doch noch einmal nach oben geht.
Einen Teil der Frage kann Grafik 1 beantworten. Die Grafik zeigt den aktuellen Vergleich der letzten Übertreibung aus den Jahren 2005 bis 2007. Rein zeitlich gesehen steht der chinesische Markt erst bei der Hälfte der Übertreibung aus den früheren Jahren. Auch was den Kursverlauf anbelangt wäre noch viel Luft nach oben. Nun gab es aber diese enorme Korrektur von über 20%. Das ist gerade für ungeübte Anleger sehr viel – und viele der Anleger in China sind absolute Neulinge.

Viele Neuanleger begehen Fehler am laufenden Band und wie aus dem Lehrbuch. Dazu gehört das perfekte Herdenverhalten und Hinterherlaufen. Jetzt, da die Kurse 20% oder mehr gefallen sind, werden viele den Verlusten ungläubig hinterhergeschaut haben und in Panik in die Korrektur hinein verkaufen. Eine kurzfristige Erholung bringt Anleger in einen schwierigen Konflikt. Die meisten werden sich denken: „Mist, zu früh verkauft, die Kurse steigen wieder.“ Kurs vor Ende der Erholung wird gekauft, bevor die Kurse wieder fallen. Anleger maximieren ihren Verlust.

Nun will die chinesische Führung allerdings einen Crash vermeiden, obwohl sie ihn herbeigeführt hat. Zuerst wurden Reformen umgesetzt, die zu der rasanten Rallye führten und nun will die Führung Luft ablassen. Die Betonung liegt auf „etwas.“ Über 20% Kursverlust ist mehr als nur etwas. Jegliches Bemühen eine sanfte Landung herbeizuführen kann man wohl als gescheitert bezeichnen.

Auch von 2005 bis 2007 gab es größere Rücksetzer. Keiner dieser Rücksetzer lag jedoch bei 20%. Es sieht ganz danach aus als hätte China mit seinen Maßnahmen nicht nur etwas Luft aus dem Luftballon abgelassen, sondern mit einer großen Nadel und voller Wucht in den Ballon hineingestochen. Dass sich das noch korrigieren lässt ist unwahrscheinlich. Der Schaden ist angerichtet.

Der Schaden liegt vor allem darin, dass viele Chinesen gerade sehr viel Geld verlieren – und zwar Geld, welches sie eigentlich brauchen. Es handelt sich bei vielen Anlegern nicht um Geld, welches sie übrig hatten. Viele Chinesen haben sich Geld geliehen, um zu spekulieren. Das ist alles Geld, welches nicht in den Konsum fließt. Ebenso wäre ein neuer Bärenmarkt problematisch, da die chinesische Führung die Finanzierung von Unternehmen mehr auf Eigenkapital ausrichten wollte. Derzeit sind chinesische Unternehmen über horrende Kreditsummen bei Banken verschuldet. Ein Bullenmarkt würde es vielen ermöglichen sich über die Börse Eigenkapital zu beschaffen und mit dem Geld entweder die Finanzierung fortzuführen oder Schulden abzubauen. Ist der Bullenmarkt nun schon wieder vorbei, dann ist dieser Plan wohl gescheitert.

Vielen Analysten und China selbst ist klar: der Bullenmarkt ist notwendig, um die Wirtschaft zu finanzieren. Eine Quelle für steigendes Vermögen - steigende Immobilienpreise - ist versiegt. Der Immobilienmarkt stagniert. Gleichzeitig sind Unternehmen hoch verschuldet und brauchen neben Bankkrediten neue Finanzierungsformen.
Fällt der Markt jetzt in sich zusammen, dann ist das ein Desaster. Es sollte daher nicht geschehen, doch darf man der chinesischen Führung und Notenbank zutrauen, dass sie die Kurse an der Börse erfolgreich lenken können? Die Steuerung der Wirtschaft ist eine Sache, die der Börse eine ganz andere. Es geht darum Millionen vollkommen ahnungslosen Anlegern den Weg zu weisen, die nicht wissen, wo vorne und hinten ist. Das lässt sich nicht durch eine Propagandameldung im Fernsehen bewerkstelligen. Insofern darf man skeptisch sein.

Seit Tagen hagelt es Margin Calls. In China ist das spekulieren auf Kredit noch nicht lange erlaubt. Seitdem es erlaubt ist stieg der Kredit auf 8,5% der Gesamtmarktkapitalisierung. Zum Vergleich: in den USA waren es zu Zeiten der Internetblase 2,5%. Die meisten Anleger sind stark überhebelt. Kursrückgänge zwingen Broker dazu massenweise Margin Calls auszugeben. Anleger haben oft kein Geld um nachzuschießen und verkaufen alles, was nur verkauft werden kann, innerhalb kurzer Zeit, um die Schulden zu begleichen.

Die Zentralbank erhöhte vergangene Woche erstmals seit 10 Wochen wieder die Liquidität im Finanzsystem. Es war ein Versuch den Markt zu beruhigen. Bei einem Minus von 7,4% allein am Freitag beim Shanghai Composite hat das ganz offensichtlich nicht gefruchtet. Um den Markt wieder auf die Beine zu helfen braucht es deutlich mehr, zumal eine Zinssenkung um 25 Basispunkte heute im Zuge der globalen Markttendenz verpuffte.

Eine wegweisende Maßnahme der Notenbank sollte schnell kommen, ansonsten nährt sich der Abwärtstrend selbst. Fallende Kurse bedingen mehr Margin Calls, welche weitere Verluste bedingen, die weitere Margin Calls auslösen usw. Unter normalen Umständen muss man klar sagen: die Blase ist geplatzt. China ist nun aber kein normaler Markt. Die Notenbank kann das Ruder wahrscheinlich noch herumreißen, wenn sie es schnell tut. Den Markt leerzuverkaufen würde ich in diesem Umfeld nicht wagen. Meint es Peking mit dem Bullenmarkt ernst, dann kann die Rallye noch einmal Fahrt aufnehmen, auch wenn dies aus fundamentaler Sicht vollkommen abwegig erscheint. Ein Short zum aktuellen Zeitpunkt hat ein zu hohes Risiko. Das Chance-Risiko Verhältnis ist schlecht.

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4 Kommentare

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  • Fredo Escalade
    Fredo Escalade

    HALLO HERR SCHMALE,

    abseits Ihres Artikels erlaube ich mir noch eine Frage zu Ihrem Artikel vom 11.06.2015 "Aktiensplits: Garant für Outperformance?" zu stellen, da Sie nach Aussage von Herrn Kühn im Urlaub waren und keine Fragen beantworten dazu konnten:

    Leider ist der genannte ETF (US90290T1060) weder bei der diba noch bei der comdirect handelbar, auch die euwax hat quasi keine Informationen dazu.

    Könnten Sie wohl ein paar Broker/Direktbanken nennen, welche Zugriff auf den ETF ermöglichen?

    Vielen Dank!

    09:04 Uhr, 01.07. 2015
  • Chronos
    Chronos

    Im scalp sind einige Werte gedreht worden, sie liegen aber nicht tief genug für einen neuen Einstand. Was ich aber schlimmer finde ist das es keine echten Anleitungen gibt.

    Man hat echt den Eindruck, keener handelt hier.

    Die Produkte hier sind Derivate und haben mit den stocks in der Heimwährung wenig zu tun.

    Selbst im Dax, bei einem VDAX von 30 gehen vielleicht noch Futures, alles andere, gerade die empfohlenen Zertifikate lohnen vllt. auf der Longseite, damit aber eben im obersten Risiko.

    Vom spread ist das nichts brauchbares.

    19:36 Uhr, 30.06. 2015
  • derOngi
    derOngi

    Zusammengefasst in 2 Sätzen "ich habe was gesagt was alle wussten. es kann hoch oder runter gehen"

    16:03 Uhr, 30.06. 2015

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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