Kommentar
08:19 Uhr, 21.07.2016

CHINA: Bedenkliche Entwicklung

China ist wie immer auf Platz 1, zumindest, wenn es um die Veröffentlichung der Wachstumszahlen geht. Die Märkte waren erleichtert, als China die Zahlen zum zweiten Quartal veröffentlichte. Hinter den Zahlen steckt allerdings eine Gefahr.

Explosion der Staatsausgaben

Chinas Wirtschaft wuchs im zweiten Quartal mit 6,7 %. Das war etwas höher als erwartet. Erwartet wurde eine Wachstumsrate von 6,6 %. Die Überraschung ist trotzdem gelungen, auch wenn die Zahlen nur minimal höher waren als angenommen. Die wenigsten hatten China zugetraut die Dynamik des ersten Quartals aufrecht erhalten zu können. Dass dies trotz widriger Umstände gelang, kam an den Märkten gut an.

Auf den ersten Blick wirkt dies wie ein Erfolg, nicht nur für China, sondern für die ganze Welt. Auf den zweiten Blick erkennt man jedoch, dass die Wachstumsrate teuer erkauft ist. Gezahlt haben vor allem die Regierung und staatliche Betriebe. Grafik 1 zeigt die Entwicklung der monatlichen Staatsausgaben.

Der Trend zu immer höheren Ausgaben ist unverkennbar. Bis zu einem gewissen Grad ist das in Ordnung, denn die Wirtschaftsleistung wächst ja auch. Im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung steigen die Ausgaben langsamer als die absoluten Werte den Eindruck erwecken. Dennoch: aktuell findet ein regelrechter Ausgabenexzess statt. Der Staat gab im ersten Halbjahr 2016 gut 10 % mehr aus als im ersten Halbjahr 2015.
Da die Wirtschaft derzeit mit 6,7 % wächst, die Staatsausgaben jedoch mit einer Rate von 10 % zulegen, bedeutet das nichts anderes, als dass das Defizit steigt. Peking hatte angekündigt das Defizit auszuweiten. Die Ausweitung übertrifft derzeit jedoch die Planzahlen. Zudem wollte der Staat in seinen Reformbemühungen eigentlich selbst weniger zum Wachstum beitragen und dafür die Privatwirtschaft stärken.

Reformbemühungen ohne Erfolg?

Der Reformplan, der vor knapp zwei Jahren vorgestellt wurde, sah eine Stärkung der Privatwirtschaft vor. Insbesondere sollte viel in junge Unternehmen investiert werden. China wollte Kreativität und Innovation fördern. Dieser Ansatz war nahezu revolutionär, denn bisher galt die Aufmerksam vor allem staatlichen Unternehmen.

Viele staatliche Unternehmen gehören der klassischen Industrie an. Sie produzieren Stahl, fördern Rohstoffe und sind im Bau tätig. Diese Sektoren sollten reformiert werden, denn sie leiden unter Überkapazität. Im vergangenen Jahr war die gesamte chinesische Stahlindustrie defizitär. Die Regierung kündigte an, bis zu 10 % der Kapazität vom Markt zu nehmen und dadurch auch in Kauf zu nehmen, dass hunderttausende Menschen ihren Job verlieren würden.

Betrachtet man nun die Zahlen, wie sie in Grafik 2 dargestellt sind, dann kommen einem Zweifel am Erfolg der Reformbemühungen. Die Investitionen in Sachanlagen (inkl. Immobilien) nahm bei staatlichen Unternehmen im ersten Halbjahr sprunghaft zu. Das kompensiert die geringeren Investitionen der Privatwirtschaft, doch das war nicht wirklich der Plan.

Investiert wird vor allem von staatlicher Seite, sei es über die Zentralregierung oder staatliche Unternehmen. Die Privatwirtschaft verliert entgegen der Pläne an Bedeutung. Die chinesische Wirtschaft schlägt also den vollkommen falschen Weg ein. Es gibt mehr von dem, was man eigentlich nicht will.
In der Folge geht der exzessive Kreditboom weiter. Die, die sich am wenigsten neue Kredite leisten können (Staatsunternehmen), nehmen Kredit auf, als gäbe es kein Morgen mehr. Das hilft zwar das vorgegebene Wachstumsziel zu erreichen, doch die langfristigen Probleme türmen sich dadurch weiter auf.
Das größte Problem sind die überbordenden Kredite. Die Verschuldung chinesischer Unternehmen ist gemessen an der Wirtschaftsleistung schon fast so hoch wie die Verschuldung des griechischen Staates. Es ist absolut ausgeschlossen, dass Unternehmen bei einer so hohen Verschuldung langfristig solvent bleiben können.

Gefährlicher Immobilienboom

Das nächste Problem findet man auf dem Immobilienmarkt. Es wird nach wie vor ungebremst gebaut. Grafik 3 zeigt die Bauausgaben. Sie steigen etwas langsamer als in den Vorjahren, doch wenn man sich das Volumen der Bauprojekte ansieht, dann wird einem schon angst und bange.

In Ballungszentren steigen die Immobilienpreise derzeit massiv an, während jenseits der großen Zentren immer mehr Wohnblöcke leer stehen. Es werden de facto ganze Städte für die Halde gebaut, natürlich auf Kredit.

Auf Dauer kann die Entwicklung nicht gut gehen. Nun stellt sich die Frage, was da eigentlich passiert. Die Regierung weiß ganz genau, wo die Probleme liegen. Sie weiß auch ganz genau, was sie tun muss, um die Wirtschaft zu reformieren. Es geschieht nur ganz augenscheinlich nichts oder zumindest wird wenig vom Reformplan umgesetzt.

Es ist gut möglich, dass die Regierung willentlich die Reformen vernachlässigt, um das Wachstumsziel zu erreichen. Genauso gut ist es jedoch möglich, dass die Wirtschaftsakteure einfach nicht auf die Regierung hören. China ist inzwischen ökonomisch so groß und komplex, dass eine effektive Steuerung schwierig ist. Man kann nicht vollkommen ausschließen, dass der Regierung gerade die Kontrolle über die Wirtschaft entgleitet.

Clemens Schmale

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2 Kommentare

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  • bensh_ll
    bensh_ll

    Interessanter Artikel.. können Sie in Zukunft ihre Quellen nennen? Vielen Dank

    13:33 Uhr, 21.07. 2016
  • Joey-the-bee
    Joey-the-bee

    Bauboom: Mrd. Dollar pro Jahr oder kumuliert??

    10:12 Uhr, 21.07. 2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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