Kommentar
09:54 Uhr, 03.05.2013

Buy in May – Sell in July

„Sell in May and go away“ gehört jedes Jahr wieder zum beliebtesten Börsen-Bonmot. De facto jedoch war der Mai gar nicht so schlecht – zumindest was den DAX betrifft. Dieser lag nämlich seit 1988 durchschnittlich im Mai 0,5 Prozent im Plus. Wieso hält sich dann dieser Spruch so hartnäckig? Fakt ist auch, dass der DAX ein Performance-Index ist, d.h. die Dividenden sind mit enthalten. Rechnet man diese heraus, wie bei den meisten Indices üblich – unter anderem auch bei den großen Leitindices aus den USA, dem Ursprungsland jener Börsenweisheit – landet die durchschnittliche Mai-Performance der Aktienindices im Minus. Tatsächlich sind die schwachen Börsenmonate jedoch der August und September, in denen der DAX im Schnitt zwischen 2 und 3 Prozent verliert. In den Spätsommermonaten wird das oft konjunkturzyklisch schwache 3. Quartal (Sommer, Hitze in vielen Ländern, Urlaubszeit, etc.) verarbeitet und führt zu Kursverlusten.

In starken Jahren setzen Gewinnmitnahmen früher ein

Durchschnittlich gewinnt der DAX in positiven Jahresanfangsphasen 6,2 Prozent bis Ende April (ohne Dividenden). Ist ein noch stärkerer Verlauf zu konstatieren, neigen die Anleger dazu ihre Gewinne zu sichern. Dies führt zu früheren und stärkeren Kurseinbrüchen ab Juli. In diesem Jahr – DAX + 1,5 Prozent – ist das nicht der Fall. Wir gehen also aus heutiger Sicht von keinen großen Einbrüchen aus, weder im Mai noch im Sommer.

Risiko-Anlagen sind im Plus

Die in den vergangenen Jahren oft als „Risikoanlagen“ bezeichneten Anlageklassen wie Aktien und Staatsanleihen der europäischen Peripherie, liegen dieses Jahr allesamt im Plus. In Euro gerechnet kommen die US-Aktien auf ein Plus von rd. 7 Prozent, der japanische Nikkei auf sogar 15 Prozent, während der europäische Aktienmarkt (EuroStoxx 50 und der deutsche DAX) nur leicht im Plus notiert. Immerhin waren diese im letzten Jahr sehr stark gelaufen. Mit italienischen Staatsanleihen war im laufenden Jahr schon eine Rendite von über 4 Prozent zu erzielen und das trotz Regierungskrise. Auch das auf die sozialistische Schiene abrutschende Frankreich kann sich immer günstiger finanzieren. Erst am gestrigen Donnerstag konnten lang laufende Anleihen über 8 Jahre zu 1,42 Prozent (bisher 2,85 Prozent), 10 Jahre zu 1,81 Prozent und sogar 19 Jahre zu 2,50 Prozent (bisher 2,84 Prozent) platziert werden. Lediglich Rohstoffe sind zum Teil kräftig im Minus. Aus unserer Sicht ist dies jedoch nicht als Vorbote einer stark einbrechenden Weltkonjunktur zu interpretieren, sondern lediglich als Entlüftung einer Blase, die mit Einführung von Indexfonds auf direkte Rohstoffinvestments in den vergangenen 10 Jahren entstanden ist. Bis auf die Rohstoffe sind also alle wichtigen Anlageklassen seit Jahresanfang im Plus. Daraus resultiert eine stärkere Risikotoleranz vor allem institutioneller Investoren, die erst zu massiven Verkäufen in bestimmten Assetklassen gezwungen werden, wenn die Einstandspreise unterschritten werden, nicht schon beim Abschmelzen „stiller Reserven“. Solche Konstellationen hatten meist relativ ruhige Marktphasen zur Folge, was unsere Erwartung nur geringer Schwankungen nach unten in absehbarerer Zeit unterstützt.

Europa gleitet auf die sozialistische Ebene ab

Die beschriebene Zuversicht wird lediglich dadurch getrübt, dass offensichtlich in Europa, unter ideologischer Führung der französischen Regierung, ein Modell verfolgt wird, das seit Jahren in anderen Ländern der Welt nicht mehr opportun ist.

In Frankreich sinkt die Wettbewerbsfähigkeit rasant. Die Industrie blutet aus und flüchtet aus dem Land, ausländische Investitionen nehmen ab, Arbeitslosigkeit nimmt zu, das Land erreicht die Maastricht-Ziele zur Neuverschuldung seit Jahren nicht mehr. Aber die Politik wird nicht kritisch überdacht Im Gegenteil, die alten Maßnahmen werden verstärkt.

Für viele gilt Frankreich als Modell mit hoher Staatsquote, hohen Steuern und vielen Einschränkungen der freien Marktwirtschaft und das nicht nur in Südeuropa. Auch in Deutschland wird erstmals seit Jahrzehnten versucht, trotz Rekordsteuereinnahmen die Bundestagswahl mit einer Orgie von Steuererhöhungen zu gewinnen.

Einkommensteuer-Erhöhung, Wiedereinführung der Vermögenssteuer, Vermögens-Abgabe, Erhöhung Kapitalertragssteuer, Finanztransaktionssteuer, Grundsteuer, Grunderwerbsteuer, Gewerbesteuer, Erbschafts- u. Schenkungssteuer, Erhöhung der Betragsbemessungsgrenze etc. Davon sollten laut den Grünen 90 Prozent der Bevölkerung nicht betroffen sein!? So geht das also – alle werden entlastet, aber über die Steuer belastet. Eine Philosophie/Ideologie, die sich weder auf den ersten, noch auf den zweiten Blick erschließt. Ein Zitat von Martin Wirth FPM AG, erscheint uns an dieser Stelle hilfreich:
„Steuern erhebt man so, dass sie ergiebig sind, der Erhebungsaufwand niedrig, die Ausweichmöglichkeiten begrenzt und der Widerstand der Opfer gering ist. Und eben nicht, wo das Aufkommen gering ist, der Widerstand groß und nur die eigene Ideologie befriedigt wird.“

Wie schon oft an dieser Stelle ausgeführt, liegt die Mehrzahl der Beteiligung an deutschen Unternehmen im Ausland (im DAX rund 70 Prozent). Ursachen sind die wenig ausgeprägte Aktienkultur sowie die Diffamierung der Aktie als Risiko und Investments in Unternehmensbeteiligungen als Zockerei. Sollte sich also im Herbst ein Regierungswechsel abzeichnen, werden deutsche Aktien im internationalen Vergleich schlecht abschneiden. Denn die wichtigste und größte Volkswirtschaft Europas, die bisher noch vernünftig geführt und verwaltet wird, verliert dann für ausländische Investoren massiv an Attraktivität – mithin der einzige Grund für „Sell in July“.

Autor: Daniel Zindstein, Portfoliomanager bei der GECAM AG

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