Bundesbankchef Weidmann tritt ab
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Bundesbankpräsident Weidmann hat überraschend seinen Rücktritt zum Jahresende 2021 angekündigt und hat dabei persönliche Gründe für diese Entscheidung angegeben. Jens Weidmann galt als ein ausgewiesener geldpolitischer Falke innerhalb des Ratsder Europäischen Zentalbank (EZB), der seine Skepsis, gerade gegenüber demWertpapierankaufpro-grammder EZB äußerte. Die Änderung der geldpolitischen Strategie mit dem neuen symmetrischen Inflationsziel von 2 % wurde aber auch von der Bundesbank mitgetragen. Auffällig ist vor allem der Zeitpunkt. Möglicherweise wollte Weidmann noch das Ende der Strategieüberprüfungabwarten –er galt auch bei der Berücksichtigung von ökologischen Aspekten in der Geldpolitik eher als Skeptiker. Auch der Ausgang der Bundestagswahl könnte in seinen Überlegungen indirekt eine Rolle gespielt haben. Immerhin war Weidmann ein enger Ver-trauter von Angela Merkel. Im geänderten politischen Klima hätte er vermutlich noch weniger Rückendeckung aus Berlin für etwaige deutsche Alleingänge in der Geldpolitik erwarten können.
Wir erwarten keine Veränderung in der geldpolitischen Ausrichtung der EZB
Nach dem Rücktritt Weidmanns obliegt es der neuen Bundesregierung einen Nachfolger zu bestellen, der Deutschland mit einer gewichtigen Stimme im Rat vertritt. Grundsätzlich erwarten wir aber keine Veränderung in der geldpolitischen Ausrich-tung der EZB. Wir gehen nach wie vor davon aus, dassdie EZB im Dezember 2021 –wenn Bundesbankpräsident Weidmann noch im Amt sein wird –ihre Geldpolitik neu kalibrieren wird. Wir erwarten, dass sie 2022 ihr Anleiheankaufprogramm deutlich reduzieren wird. Über den Nachfolger oder die Nachfolgerin kann nur spekuliert werden. Es ist jedoch fraglich, ob er oder sie ein ähnlich ausgewiesener Falke sein wird. Damit würde der EZB-Rat womöglich noch etwas pragmatischer sein als er oh-nehin schon ist.Wir gehen jedenfalls nicht davon aus, dass die Entscheidung von Jens Weidmann zum Rückzug Ende diesenJahres wesentliche Auswirkungen auf die Zinsen im Euroraum haben wird.
Auch an den Märkten dürfte der Rücktritt bis auf Weiteres kein großes Thema sein
Jens Weidmann war bekannt für eine weniger enthusiatischeHaltung zu Wertpapierkäufen und insofern sicher kein typischer Vertreter der gegenwärtigen Mehrheitsansicht im EZB-Rat. Das scheint ihn mitunter isoliert zu haben. Insofern wird es bei der Nachfolgefrage nicht nur interessant, welche Ansichten der Nachfolger oder die Nachfolgerin ins Amt mitbringt, sondern auch wie es um das Fingerspitzengefühl steht, um den Argumenten Gehör zu verschaffen. Auch dazu wird es aber dauern, bis sich die Märkte ein Urteilbilden können.
Anleihen und Währungen: Sowohl die Bundesanleihen als auch die Devisenmärkte haben auf die Nachrichten von Weidmanns Rücktritt kaum reagiert. Das hängt wohl auch damit zusammen, dass für den Wechselkurs zwischen Euro und Dollar derzeit Euroland-spezifische Nachrichten (auch bezüglich der Geldpolitik) nur eine untergeordnete Rolle spielen. Vielmehr sind die relativen und globalen Wachstumsaussichten derzeit die wichtigeren Treiber.
Aktien: Auch an den Aktienmärkten herrschen derzeit andere Sorgen vor. Wobei sich das natürlich ändern könnte, falls es bei der Weidmann-Nachfolge doch zu Überraschungen kommt.
ESG-Auswirkungen: In dieser Beziehung ist die EZB noch am Anfang eines langes Weges. Somit dürften die unmittelbaren Auswirkungen auch hier bis auf Weiteres überschaubar bleiben.
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