Kommentar
14:14 Uhr, 23.05.2006

Bruttoinlandsprodukt - Comeback des Konsums

1. Das deutsche Bruttoinlandsprodukt hat im ersten Quartal um 0,4 % qoq zugenommen. Damit bestätigte das Statistische Bundesamt die Schnellschätzung vom 11. Mai. Heute wurden zudem die Details der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen veröffentlicht, die Aufschluss über die Quellen des Wachstums im ersten Quartal geben.

2. Das Bild, das uns die Details geben, ist ein erfreuliches, wenngleich es auch hie und da Rätsel aufgibt. Beginnen wir mit dem Erfreulichen. Die privaten Konsumausgaben haben kräftig um 0,6 % qoq zugenommen. Noch ist diese starke Zunahme ein singuläres Ereignis, doch die Chancen stehen gut, dass getrieben von der Fußballweltmeisterschaft und der Konsumpeitsche „Mehrwertsteuererhöhung“ die privaten Konsumausgaben in diesem Jahr weiter spürbar zunehmen. Eine tragfähige Entwicklung wird allerdings erst dann daraus, wenn die Haushalte an einen Aufschwung am Arbeitsmarkt glauben und zu einem „normalen“ Kaufverhalten zurückkehren. Die gute Konsumentwicklung im ersten Quartal ist aber auch eines der Rätsel der heutigen Daten, denn die Einzelhandelsumsätze sanken im ersten Quartal in ihrer breiten Abgrenzung (einschließlich Tankstellen und Kfz-Handel) um 0,6 % qoq. Laut Kenntnisstand vor der Schnellschätzung hatte der Rückgang der Einzelhandelsumsätze sogar 1,2 % qoq betragen. So gesehen stehen die Chancen gut, dass die Einzelhandelsumsätze nach einigen weiteren Revisionen ebenfalls einen Anstieg ausweisen!

3. Positiv ist die robuste Investitionstätigkeit der Unternehmen zu werten – gemessen an den Ausrüstungsinvestitionen, die um 2,2 % qoq zunahmen. Bei einer hohen und im weiteren Jahresverlauf wohl noch etwas ansteigenden Kapazitätsauslastung treten zunehmend Erweiterungsinvestitionen zu den Ersatzinvestitionen (veralteter Maschinen) hinzu. Das ist erfreulich, geht doch oftmals eine Kapazitätserweiterung auch mit neuen Arbeitsplätzen einher.

4. Das Tief der Bauinvestitionen (-3,0 % qoq) muss nicht beunruhigen, denn es ist witterungsbedingt und wird in den kommenden Monaten ausgebügelt werden. Das sorgt für zusätzliche Schubkraft im zweiten Quartal. Darüber hinaus sollten die Bauinvestitionen auch von den mit der Mehrwertsteuererhöhung verbundenen Vorzieheffekten profitieren, denn es lohnt sich, jetzt noch schnell zu renovieren.

5. Die Exporte überraschten ebenfalls positiv. Dass das erste Quartal 2006 ein gutes Exportquartal sein würde, war abzusehen. Das Ausmaß des Exportanstiegs (4,6 % qoq) war dennoch eine angenehme Überraschung. Der Blick auf die Konjunkturentwicklung in den deutschen Handelspartnerländern zeigt, dass er gut begründet war. Er zeigt aber auch, dass die deutsche Volkswirtschaft sich in den kommenden Quartalen auf geringere Exportimpulse einstellen muss, denn die konjunkturelle Entwicklung in den deutschen Handelspartnerländern wird sich wohl verlangsamen.

6. Das starke Plus in den Exporten wurde zum größten Teil durch die ebenfalls kräftigen Importe (4,5 % qoq) aufgezehrt. Am Ende blieb ein Wachstumsbeitrag der Nettoexporte von 0,3 Prozentpunkten übrig. Die Zunahme der Importe ist zum einen auf die starke Konsumnachfrage zurückzuführen, zum anderen auf die rege Exporttätigkeit, denn der Importanteil am deutschen Export beträgt immerhin 38,8% (2002). Dies teilt sich in 23,5 % importierte Vorleistungen und 15,2 % Exporte von importierten Gütern auf.

7. Der Blick nach vorne ist geprägt von den tendenziell abnehmenden globalen Impulsen und den Vorzieheffekten durch die Mehrwertsteuererhöhung. Wir erwarten daher einen Wechsel der Auftriebskräfte. Während der Außenbeitrag aufgrund schwächerer Exporte und zunehmender Importe bremsen wird, kommen die Wachstumsimpulse von der Binnennachfrage. Unsere Prognose eines Anstiegs des Bruttoinlandsprodukts in diesem Jahr um 1,7 % und im kommenden Jahr um 0,6 % bleibt unverändert. Dabei wird das zweite Quartal dank zusätzlicher Impulse von den Nachholeffekten in der Bauwirtschaft und der Fußballweltmeisterschaft das stärkste werden.

Quelle: DekaBank

Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von mehr als 135 Mrd. Euro und über fünf Millionen betreuten Depots gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands. Im Publikumsfondsgeschäft hält der DekaBank-Konzern einen Marktanteil von etwa 20 Prozent.

Keine Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen

Das könnte Dich auch interessieren

Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

Mehr Experten