Kommentar
10:15 Uhr, 11.07.2016

Britische Immobilienwerte jetzt ein Schnäppchen?

Seit dem Referendum hat ein offener Immobilienfonds nach dem anderen Auszahlungen eingestellt. Die Kanonen donnern. Zeit zu kaufen?

Anleger können derzeit auf ca. 20 Mrd. Pfund Vermögen nicht zugreifen

Das ist die Anlagesumme der betroffenen Immobilienfonds, die Auszahlungen eingestellt haben. Im Normalfall trifft das nicht den Durchschnittsanleger. Einige der Fonds haben Mindestinvestitionssummen von mehreren 100.000 Pfund.

Die Fonds sind eine Erinnerung daran, wie wichtig Liquidität ist. Fehlt die Liquidität, dann kann man im Ernstfall nicht auf sein Vermögen zugreifen. Bei offenen Fonds führt das zu einer Einfrierung der Gelder. Bei Aktien führt fehlende Liquidität zu großen Preisschwankungen. Man kann seine Assets zwar verkaufen, doch meist nur zu einem sehr hohen Abschlag.

Grafik 1 zeigt die aktuell betroffenen Fonds. Die Anlagen konzentrieren sich auf Geschäftsimmobilien. Gerade hier droht der Brexit tiefe Spuren zu hinterlassen. Kommt es zu einem EU-Austritt unter unvorteilhaften Bedingungen für Großbritannien, dann sinkt die Nachfrage nach Geschäftsimmobilien erheblich.

Besonders deutlich wird das in London, wo Banken und Versicherungen für tausende Angestellte Büroräumlichkeiten mieten. Nach dem effektiven Austritt könnten viele Gesellschaften ihre Belegschaft deutlich reduzieren und Abteilungen ins Ausland verlegen. Einige Unternehmen denken sogar darüber nach, den Hauptsitz gleich ganz ins Ausland zu verlegen.

Unterm Strich bedeutet die geringere Nachfrage nach Geschäftsimmobilien ein Überangebot. Ist das Angebot höher als die Nachfrage müssen die Preise sinken, um für ein Gleichgewicht zu sorgen. Aus Angst vor diesem Szenario wollen viele Anleger ihr Geld aus den Fonds zurück. Das ist bei offenen Fonds jedoch nicht so leicht.

Die Fonds haben zwar Barreserven, doch diese belaufen sich oftmals auf wenige Prozent des gesamten Anlagevolumens. Wollen dann jedoch z.B. 20 % der Anleger ihr Geld zurück, können die Fonds dieser Forderung nicht nachkommen. Sie müssen erst Cash beschaffen. Dies ist möglich, bedingt jedoch, dass Immobilien veräußert werden.


Immobilien sind illiquide Assets

Wer einen Büroturm in London verkaufen möchte, kann dies nicht innerhalb von Tagen oder Wochen tun. Sind Fonds dazu gezwungen Immobilien zu veräußern, dazu noch in großem Umfang, dann wirkt sich das auf die Preise aus. Müssen viele Immobilien in kurzer Zeit verkauft werden, ist das nur möglich, wenn hohe Discounts geboten werden.

Die Preise für Immobilien werden wohl oder übel sinken. Nun ist gerade viel Stress im Markt und man kann sich ausmalen, dass der Preisrückgang übertrieben ist. Einige Real Estate Investment Trusts (REITs) haben nach dem Brexit-Votum 30 % und mehr verloren. Das ist ein großer Preisabschlag, der an eine Übertreibung erinnert. Während der Finanzkrise sanken die Preise für Londoner Immobilien im Durchschnitt um 20 %. Verlieren die entsprechenden Fonds oder REITs mehr an Wert, kann man die Immobilien praktisch zu einem Discount kaufen.

Wie hoch dieser Discount ist hängt vom endgültigen Preisrückgang ab. Einige der nun eingefrorenen Immobilienfonds geben Anlegern die Wahl ihre Investition mit Abschlag zurückzubekommen oder investiert zu bleiben. Wer sein Geld jetzt zurückhaben möchte, muss Abschläge von 10 % bis 17 % hinnehmen. Dadurch lässt sich ableiten, dass die Fonds von einem maximalen Preisrückgang der Immobilien in dieser Größenordnung ausgehen.

Als Anlage empfehlen sich derzeit nicht die Fonds. Keiner weiß, wann diese wieder liquide sind. Das Risiko ist zu groß. Bei REITs gibt es das Problem nicht. Sie werden wie Aktien gehandelt. Rückzahlungen können per Definition nicht ausgesetzt werden.

Die Tabelle zeigt eine Auswahl an REITs, die einen Fokus auf Geschäftsimmobilien im Raum London haben. Die anfänglich starken Verluste haben sich inzwischen wieder etwas reduziert und liegen zwischen 10 % und 28 %. Das sind zwar auf den ersten Blick ansehnliche Discounts, doch im Vergleich zur Finanzkrise sind sie bescheiden.

Optisch sehen viele der REITs wie Schnäppchen aus

Sie bieten größtenteils anständige Dividendenrenditen und weisen ein niedriges KGV aus. Die Marktkapitalisierung liegt in der Mehrzahl der Fälle ungefähr ein Drittel unterhalb der Nettovermögenswerte. Die Nettovermögenswerte spiegeln den Wert der Immobilien nach Abzug von Schulden wider. Sie reflektieren jedoch noch nicht einen möglichen Preisrückgang der Immobilien.

Reduziert man die Nettovermögenswerte um 20 % (erwarteter maximaler Preisrückgang in London), dann sind die Discounts nicht mehr sonderlich groß. Sie bewegen sich bei maximal 20 %. 20 % erscheint auf den ersten Blick gar nicht so schlecht, doch man muss einen weiteren Faktor bedenken: das Wechselkursrisiko. Es hilft wenig, wenn dieser Discount wieder schrumpft, die REITs also an der Börse wieder an Wert gewinnen, das Pfund jedoch um 20 % abwertet.

Zusammengefasst kann man sagen: für ein Langfristinvestment sind die Discounts nicht groß genug. Die REITs eignen sich kurzfristig jedoch sehr gut zum Traden. Vieles deutet auf eine rasche und substantielle Erholung hin.

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Clemens Schmale

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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