Kommentar
09:59 Uhr, 04.01.2021

Bringt überbordende Spekulation den Markt in Schwierigkeiten?

Während noch debattiert wird, ob ein spekulativer Exzess vorliegt, sollte man lieber fragen, was ein solcher Exzess für den Markt bedeutet.

Es wird noch immer darüber debattiert, ob die Spekulation überhandnimmt. Wer Zweifel daran hat, dass Spekulation bei dem Kursfeuerwerk 2020 am Werk war, kann einen Blick auf die Margin Debt werfen, also der Kredit, der für Spekulation angehäuft wird. Auf Margin bzw. auf Kredit Aktien zu kaufen, ist kein neues Phänomen. Selbst in den düstersten Tagen der Finanzkrise lag die Margin Debt bei 150 Mrd. Dollar Die aktuellsten Zahlen sind aus dem vergangenen November. Der Wert lag bei 722 Mrd. Im März waren es noch 479 Mrd. Dieser rasante Anstieg ist beispiellos. Seit Beginn der Datenreihe vor über 50 Jahren erreichte die Margin Debt nach einem Bärenmarkt noch nie so schnell ein neues Allzeithoch.


Auf Kredit zu spekulieren kann teuer werden. Läuft der Markt gegen einen, muss man im schlimmsten Fall große Verluste realisieren, weil liquidiert werden muss (wenn der Wert der Aktien gegenüber dem Kredit zu stark abnimmt). Auch 2020 haben sich Anleger die Finger verbrannt. Wer sich die Finger verbrennt, ist für gewöhnlich eine Zeit lang risikoscheu. Die Risikoaversion hat sich sehr schnell gelegt. Andernfalls wäre die Margin Debt nicht auf einem Allzeithoch.

Man kann nur schwer beziffern, wie groß die Euphorie im Markt wirklich ist. Auf einer Skala von 1 bis 10 wissen wir erst Jahre später, wo die Euphorie wirklich war. Man kann es erst beziffern, wenn man das Ausmaß des folgenden Abwärtstrends kennt. Nach der Spekulation auf Internetwerte zur Jahrhundertwende dauerte der Abwärtstrend mehrere Jahre. Rückblickend kann man wohl von einer 10 ausgehen.

Der Wert lässt sich erst im Nachhinein bestimmen. Was wir im Vorfeld jedoch wissen, ist die Geschwindigkeit mit der Anleger mehr auf Kredit spekulieren, also wie schnell die Margin Debt ansteigt und wie der Markt in den darauffolgenden Monaten performt.

Ende 2020 stieg die Margin Debt innerhalb eines Monats um 10 % an. Ein noch größerer Anstieg innerhalb eines Monats kommt nur in 1,35 % aller Fälle vor. Der Anstieg war also außergewöhnlich. Einen Monat später steht der S&P 500 im Durchschnitt 1,63 % höher (Grafik 2). Die Folgemonate sind zu 70 % positiv. 6 Monate später liegt der Markt mit 80 % Wahrscheinlichkeit höher und zwar mit fast 6 %. Ein Jahr später hat der Markt einen Teil seiner Gewinne wieder abgegeben. Die Performance sinkt auf knapp 3 %.


Ein spekulativer Exzess ist meist nicht erst nach einem Monat oder einem Quartal beendet. Das braucht Zeit. Zeit hatten Anleger seit den Märztiefs bereits. Im vergangenen halben Jahr stieg die Margin Debt um über 30 % an. Das geschieht nur in 4 % aller Fälle. In den darauffolgenden Monaten ist die Performance nur knapp positiv. Ein Jahr später sogar negativ (Grafik 3).

Ich will damit nicht sagen, dass der Markt nun fallen muss. Der Exzess kann weitergehen. Auch Ende der 90er Jahre dauerte es eine Weile bis die Blase platzte. Wer investiert ist, kann weiter halten bis sich neue Erkenntnisse ergeben. Wer nun gerade jetzt erstmalig investieren will, befindet sich eher am Ende einer spekulativen Bewegung und nicht am Anfang. Wer die Geduld hat, kann auf einen Rücksetzer warten.

Clemens Schmale


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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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