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08:19 Uhr, 16.04.2018

Brasilien: Wendepunkt

Dank der Unzufriedenheit der Wähler mit der politischen Elite sehen die Fondsmanager von Aviva Investors gut Chancen für alternative Kandidaten, sich bei den brasilianischen Parlamentswahlen im Oktober durchzusetzen.

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London (GodmodeTrader.de) - Im Gegensatz zu Mexiko, wo im Juli ein neues Parlament gewählt wird, kennt das brasilianische Wahlsystem zwei Durchgänge, wobei der Gewinner mindestens 50 Prozent der Stimmen zum Sieg benötigt. Eine Ipsos-Umfrage Ende 2017 ergab, dass 94 Prozent der Brasilianer sich von ihren Politikern nicht repräsentiert fühlten. Dies steigert die Chancen für alternative Kandidaten, sich bei den Parlamentswahlen im Oktober durchzusetzen, wie die Fondsmanager von Aviva Investors in einem aktuellen Marktausblick auf die Wahlen schreiben.

Die Unzufriedenheit der Wähler mit der politischen Elite sei verständlich: Wie in Mexiko sei Korruption in Brasilien ein großes Problem. Im Jahr 2015 seien Millionen von Menschen aus Protest auf die Straße gegangen, nachdem die Vorwürfe der Geldwäsche gegen den ehemaligen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva in einem Skandal gegipfelt hätten, der riesige Teile der politischen und wirtschaftlichen Eliten des Landes erfasst habe. Der Oberste Gerichtshof des Landes habe Ermittlungen gegen den Präsidenten, rund ein Drittel des Kabinetts, ein Drittel des Senats und zahlreiche Landeshauptmänner genehmigt, heißt es weiter.

„Die frühere Präsidentin Dilma Rousseff wurde wegen Verstoßes gegen die Haushaltsgesetze im Jahr 2016 angeklagt. Ihre Absetzung führte zu einem erstaunlichen Anstieg des brasilianischen Aktienmarktes in jenem Jahr, als Investoren gleichzeitig von Reformversprechen des neuen Präsidenten Michel Temer begeistert waren. Der MSCI Brazil Index stieg um beachtliche 66,2 Prozent, während der MSCI Emerging Markets Index nur um elf Prozent zulegte. Temer - der wegen Behinderung der Justiz angeklagt wird - wird sich im Oktober nicht zur Wiederwahl stellen können, was die Frage aufwirft, wer stattdessen antritt. Einige tippen, dass Lula ein Comeback feiern könnte. Ein Erfolg scheint aufgrund seiner eigenen Korruptionsuntersuchung eher unwahrscheinlich“, so die Aviva-Fondsmanager.

Ein neuer Kandidat könnte nach Einschätzung von Carlos Melo, Politikwissenschaftler am Institut für Bildung und Forschung in Sao Paulo, davon profitieren. „Wenn Lula nicht zur Wahl stünde, würde dies zweifellos den Raum für einen Außenseiter öffnen, einen emotionalen Spitzenpolitiker", sagt er.

Jair Bolsonaro, der rechtsgerichtete Bundesabgeordnete für Rio de Janeiro, könnte den Aviva-Fondsmanagern auf diese Beschreibung passen. Oft als Brasiliens Antwort auf Donald Trump beschrieben, könne der frühere Militärangehörige nach einer schweren Rezession, in der die Wirtschaft geschrumpft, die Arbeitslosigkeit gestiegen und die Sozialdienste gekürzt worden seien, auf tiefgehende Enttäuschungen der Bevölkerung eingehen. Bolsonaro räume ein, dass er wenig Verständnis von Wirtschaft habe und biete keine einfachen Lösungen für Brasiliens politische Herausforderungen. Hierzu zähle zweifellos, den wirtschaftlichen Aufschwung voranzubringen und zu beschleunigen. Mit einem potenziell starken Mann mit Rückenwind wie Bolsonaro könnte Brasilien den Turnaround erreichen, heißt es weiter. Die Frage sei: Werde das Land die politischen und wirtschaftlichen Reformen vorantreiben oder in den Populismus zurückfallen?

„Die Erfahrungen Brasiliens in den letzten Jahren haben zumindest zu mehr Transparenz und verstärktem Widerstand gegen Korruption geführt, was langfristig den Anlegern zugutekommen könnte", so William Ballard, Head of Emerging Market Equities bei Aviva Investors. „Es kommt darauf an, dass die Justiz in der Lage ist, ihre Arbeit auch durchzusetzen und effektiv strafrechtlich zu verfolgen. Sicherlich erleben wir in Brasilien große Fortschritte - aber das müssen wir auch in anderen Schwellenländern sehen."

Das anhaltende Hin und Her zwischen Populismus und Reform dürfte für die Schwellenländer, in denen 2018 gewählt werde, von zentraler Bedeutung sein. In Anbetracht der extremen Szenarien müssten die Anleger alle wichtigen Ergebnisse - auch die unwahrscheinlichsten - auf Herz und Nieren prüfen, um sicherzustellen, dass ihre Portfolios im kommenden Jahr widerstandsfähig seien, heißt es abschließend.

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Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

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