Kommentar
11:57 Uhr, 29.07.2008

Börsen im Bann der Berichtssaison

In der Berichtswoche zeigten sich die internationalen Aktienmärkte durchwachsen. Die Q2-Berichtssaison hatte die Börsen in ihren Bann gezogen. Als eindeutiger Sieger ging die japanische Börse hervor, die von den Problemen im Finanzsektor nahezu unberührt blieb und die darüber hinaus keine negativen Nachrichten aus dem Automobilsektor zu verkraften hatte. Der Ölpreis gab deutlich nach und liegt derzeit rund 16 Prozent unter seiner Mitte Juli erreichten Rekordnotierung.

USA: Berichtssaison im Mittelpunkt

Die US-Aktienmärkte mussten in der Berichtswoche abgesehen von den technologieorientierten Segmenten Kursverluste hinnehmen. Ursächlich hierfür dürften wohl Gewinnenttäuschungen gewesen sein, die sowohl aus dem Finanzsektor als auch dem Industriebereich kamen. Ein deutlich nachgebender Ölpreis unterstützte zwar, konnte jedoch letztendlich die Entwicklung nicht nachhaltig positiv beeinflussen.

Im Finanzsektor hatten zunächst besser als erwartete Zahlen der Bank of America, Nummer zwei in der amerikanischen Bankenlandschaft, für Auftrieb gesorgt. Nach Wells Fargo, JP Morgan Chase, und Citigroup ein weiterer Lichtblick in dem kräftig angeschlagenen Finanzbereich. Zuversicht kam auf, doch währte die Erleichterung der Investoren nicht lange. Washington Mutual, die größte US-Sparkasse, schockte mit einem Q2-Verlust von 3,3 Milliarden USD. Auch bei Wachovia, der viertgrößten US-Bank, waren die Zahlen schlechter ausgefallen als nach der zuvor ausgesprochenen Gewinnwarnung zu erwarten war. Schließlich sorgte auch American Express für Ernüchterung an den Märkten. Das auf wohlhabende Verbraucher spezialisierte Kreditkartenunternehmen hatte die Folgen aus Konjunkturabschwächung und Finanzkrise für seine Kunden unterschätzt. Die unerwartete Eintrübung des Kreditgeschäfts musste mit einem empfindlichen Gewinnrückgang und der Aufgabe des für 2008 avisierten Wachstumsziels bezahlt werden.

Belastend wirkte zudem, dass die größten, halbstaatlichen US-Hypothekenfinanzierer Fannie Mae und Freddie Mac, deren Marktanteil am US-Hypothekengeschäft bei knapp 50 Prozent liegt, aufgrund ihres Engagements in strukturierten Finanzprodukten in eine bedrohliche Schieflage geraten waren. Die US-Regierung eilte mit einem Rettungspaket zu Hilfe. Dieses sieht zum einen vor, dass der Staat beide Institute mit einer unlimitierten Finanzspritze stabilisieren kann. Zudem soll das Finanzministerium vorübergehend Anteile an beiden Gesellschaften erwerben können und die garantierten Kreditlinien sollen kräftig aufgestockt werden.

Aber auch außerhalb des Bankensektors gab es Ertragsenttäuschungen. Insbesondere der Milliardenverlust des Automobilbauers Ford schreckte die Gemüter auf und trug nicht unerheblich dazu bei, dass der Dow Jones Industrial Average zwischenzeitlich einen Tagesverlust von 283 Punkten oder 2,4 Prozent erlitt. Hinter den Prognosen blieben auch der Softwareriese Microsoft, die Internetsuchmaschine Google, der iPod-Hersteller Apple, der Speicherkarten-Spezialist SanDisk, das Internetunternehmen Yahoo sowie der Chiphersteller Texas Instruments zurück.

Gleichwohl sieht die Ertragslandschaft im zweiten Quartal nicht so düster aus wie es den Eindruck hat. Bislang haben rund die Hälfte der im S&P 500 gelisteten Unternehmen ihre Quartalszahlen vorgelegt. Hiervon konnten rund 72 Prozent ein besser als erwartetes Ergebnis pro Aktie ausweisen. Die Zahlen sind also bislang recht ordentlich ausgefallen, doch ist die Situation nicht derart positiv wie es zunächst scheint. So haben die Unternehmen vielfach ihre Gewinnprognosen (guidance) nach unten revidiert. Ein Blick auf die IBES-Erwartungen zeigt denn auch, dass Analysten ihren Ertragsausblick für 2008 bereits auf sieben Prozent deutlich herabgeschraubt haben. Für 2009 liegen die Prognosen bei +21 Prozent und auf 12-Monatssicht bei +16 Prozent. Unter der Voraussetzung, dass die US-Konjunktur im nächsten Jahr wieder an Fahrt gewinnt, wird durchaus ein Gewinnsprung von niedriger Basis aus möglich sein. Die jüngsten Zahlen etwa zum Konsumentenvertrauen, dem Auftragseingang für langlebige Güter oder den Eigenheimzahlen waren überraschend ermutigend.

Euroland: Aktien trotz Ertragsenttäuschungen im Plus

Die europäischen Aktienmärkte konnten eine positive Wochenbilanz ziehen, obwohl auch hier Ergebnisbelastungen anstanden. So schockierte die Gewinnwarnung von Daimler die Anleger und auch Münchener Rück sorgte mit der Senkung seiner Gewinnprognose für 2008 für erhebliche Verunsicherung. Grund für den verhaltenen Ausblick des weltweit zweitgrößten Rückversicherers waren die Turbulenzen an den Aktienmärkten, die im ersten Halbjahr zu einem merklichen Rückgang des Kapitalanlageergebnisses geführt hatten. Schließlich trug auch der verhaltene Ausblick des britischen Mobilfunkriesen Vodafone zwischenzeitlich zu Kursrückschlägen bei. Hinzu kam, dass die Wirtschaftsmeldungen alles andere als rosig waren. Mit kräftigen Rückgängen im Ifo-Geschäftsklimaindex und dem Index der europäischen Einkaufsmanager deutet das Konjunkturbarometer auf eine Kontraktion im Euroraum hin. Gleichwohl hielten die Aktienmärkte an einer positiven Grundtendenz fest, nicht zuletzt aufgrund des merklich bis auf 123 USD pro Barrel gesunkenen Ölpreises und den damit gemilderten Inflationssorgen.

Ausblick

Die laufende Handelswoche steht im Euroraum vornehmlich im Zeichen der Quartalsberichte. Aber auch Konjunkturdaten wie die ersten Inflationszahlen werden von besonderer Wichtigkeit sein. In den USA sind vor allem die Arbeitsmarktzahlen und die Angaben zum Konsumentenvertrauen sowie dem ISM-Index hervorzuheben.

Quelle: Union Investment

Gegründet 1956, zählt Union Investment heute zu den größten deutschen Investmentgesellschaften. Rund 174,5 Mrd. Euro verwaltete die Gesellschaft per 31. Dezember 2007. Die Produktpalette für private Anleger umfasst Aktien-, Renten- Geldmarkt- und Offene Immobilienfonds sowie gemischte Wertpapier- und Immobilienfonds und Dachfonds. Anleger erhalten diese Produkte bei allen Volksbanken, Raiffeisenbanken, Sparda-Banken und PSD-Banken. Rund 4 Millionen Anleger nutzen überdies die Depotdienstleistungen der Union Investment.

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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