Analyse
06:30 Uhr, 01.03.2017

SCALE? Bloß kein Neuer Markt 2.0!

Die Deutsche Börse startet heute ein neues Wachstumssegment für kleine und mittlere Unternehmen. Wie bitte? Bei Ihnen als Kinder des Neuen Marktes schrillen jetzt die Alarmglocken? Keine Angst, dieses Mal wird alles besser! Man will aus den Fehlern zur Jahrtausendwende gelernt haben. Das kann man auch nur hoffen.

Erwähnte Instrumente

  • Entry Standard
    ISIN: DE000A0G8342Kopiert
    Kursstand: 429,73 Pkt (XETRA) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
  • DAX
    ISIN: DE0008469008Kopiert
    Kursstand: 11.627,95 Pkt (XETRA) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
  • Entry Standard - WKN: A0G834 - ISIN: DE000A0G8342 - Kurs: 429,73 Pkt (XETRA)
  • DAX - WKN: 846900 - ISIN: DE0008469008 - Kurs: 11.627,95 Pkt (XETRA)

Knapp 14 Jahre nach dem Ende des Neuen Marktes kommt wieder Bewegung in die deutsche Börsenlandschaft. Die Deutsche Börse will den eher ein Schattendasein führenden Entry Standard beerdigen und hat ein neues Wachstumssegment für kleine und mittlere Unternehmen (KMU-Segment) geschaffen. Es heißt SCALE

Falls Sie den Entry Standard nicht kennen: Es handelt sich dabei um ein im Jahr 2005 geschaffenes Technologiesegment für Wachstumsunternehmen, dessen Kernpunkte niedrigere Transparenz- und Verhaltensregeln und damit verbunden auch niedrigere Kosten im Vergleich zu den organisierten Märkten wie Prime oder General Standard sind. Es können nur Unternehmen in den Entry Standard aufsteigen, die zuvor im Open Market gelistet waren.

Das sind die zuletzt im Entry Standard notierten Unternehmen:

Bloß-kein-Neuer-Markt-2-0-Chartanalyse-Bastian-Galuschka-GodmodeTrader.de-1

Das Segment also einfach als "Abfallprodukt" abzustempeln, würde ihm nicht gerecht werden. Aktien wie beispielsweise Mühlbauer oder Steico hatte ich zuletzt auf dem GodmodeTrader analysiert und weisen seit vielen Jahren solide Zahlen aus, was man selbstverständlich nicht von allen im Enry Standard gelisteten Titeln behaupten kann.

Wenig überraschend fallen die Aufnahmekritierien für das Segment relativ überschaubar aus. Hier ein Auszug:

  • ein öffentliches Angebot (Prospektpflicht)
  • Mindestalter des Unternehmens: 2 Jahre
  • Mindestgrundkapital: 750.000 EUR
  • (rechnerischer) Nennwert pro Aktie: mindestens 1 EUR
  • Mindeststreubesitz der Aktien: 10 %

Mit einer Zulassungsgebühr von 1.500 EUR und einer jährlichen Notierungsgebühr von 5.000 EUR sind auch die Börsentgelte kaum der Rede wert. Doch an beiden Stellschrauben will die Deutsche Börse in Zukunft drehen, was nicht allen gelisteten Unternehmen gefallen dürfte.

Mehr Transparenz, mehr Kosten

Warum aber überhaupt ein neues Marktsegment? Vorstandschef Carsten Kengeter erläuterte die Pläne bereits im vergangenen Jahr vor dem Deutschen Eigenkapitalforum in Frankfurt: „Wachstumsfinanzierung gehört zu den Kernaufgaben einer Börse“, erklärte er. „Wir wollen hiermit einen zuverlässigen Marktplatz schaffen.“

Die Deutsche Börse will sich dabei auf der Investorenseite an Family Offices, Vermögensverwalter und Retail Investoren wenden. Auf der anderen Seite sollen sich kleine und mittlere Unternehmen angesprochen fühlen, wobei man nicht ausschließlich nur auf Wachstumswerte setzt. Eine gewisse Wachstumsrate in der Vergangenheit beim Gewinn beispielsweise wird nicht vorausgesetzt.

Um ein zweites Desaster wie am Neuen Markt zu verhindern, wird es erneut Aufnahmekriterien geben, die verglichen mit denen im Entry Standard auch verschärft wurden. Drei der fünf folgenden Kriterien müssen ehemalige Entry Standard-Titel bzw. Neuaspiranten erfüllen:

  • Umsatz von mindestens 10 Mio. EUR
  • positiver Jahresüberschuss
  • positives bilanzielles Eigenkapital
  • mindestens 20 Mitarbeiter
  • mindestens 5 Mio. EUR eingesammeltes Eigenkapital vor dem IPO

Dem aber nicht genug. Als harte Kriterien werden zudem eine Marktkapitalisierung von mindestens 30 Mio. EUR, eine Unternehmenshistorie von mindestens zwei Jahren und ein Streubesitzanteil von 20 % oder mindestens 1 Mio. Aktien festgelegt. Anleger dürfen sich über garantierte Halbjahres- und Jahresabschlüsse freuen. Auch muss eine Analystenkonferenz pro Jahr abgehalten werden. Als Analystenkonferenz gilt aber auch ein Besuch des Eigenkapitalforums.

Zudem verpflichten sich Emittenten, mit einem Deutsche Börse Capital Market Partner zusammenzuarbeiten. Über die von der Deutschen Börse beauftragten Analystenhäuser Morningstar und Edison werden regelmäßig Research-Reports erstellt.

Gerade beim Thema Marktkapitalisierung sei man den Unternehmen entgegen gekommen, so die Deutsche Börse. Von Investorenseite hätte man hier lieber eine Mindestschwelle von 50 Mio. EUR gesehen.

Wenngleich die Bemühungen der Deutschen Börse um mehr Transparenz zu befürworten sind, hat die Medaille zwei Seiten. Denn die Kosten für die Aufnahme und das Listing im neuen KMU-Segment haben sich vervielfacht. Die Aufnahmegebühr steigt von 1.500 auf 20.000 EUR fix. Hinzu kommt eine variable, von der Marktkapitalisierung abhängige Vergütung. Das jährliche Notierungsentgelt beträgt ebenfalls 20.000 EUR, im Entry Standard waren es 5.000 EUR. Die Deutsche Börse lässt sich das neue Marktsegment also einiges kosten.

Kein von Unternehmen beauftragtes Research mehr

Den Preisanstieg begründet sie vorrangig mit den Kosten für die von ihr mandatierten Researchhäuser.

So wird es von Edison ein bis zu 12 Seiten umfassendes Initialresearch auf Englisch geben mit einer Zusammenfassung auf Deutsch. Quantitative Analysen, sprich, täglich und automatisiert und rund 1 bis 2 Seiten umfassend, stammen von Morningstar. Zudem wird Edison mindestens zweimal jährlich und bei besonderen Events Research-Updates mit einem Umfang von 2 bis 4 Seiten den Aktionären zur Verfügung stellen.

Da der Auftraggeber für das Research nun die Deutsche Börse und nicht mehr das jeweilige Unternehmen ist, will man den in der Vergangenheit durchaus immer wieder feststellbaren subjektiven und sehr optimistisch formulierten Research-Reports einen Riegel vorschieben. Denn bezahlten die Unternehmen ein Research-Büro direkt, mussten sie das zwar offenlegen, hatten aber natürlich einen gewissen Anspruch. Kritische Analystenberichte werden dann eher zur Seltenheit. Nichtsdestotrotz werden natürlich auch im neuen Marktsegment die Ansprüche der Unternehmen in Richtung positives Research nicht kleiner werden. Zumal sich die Deutsche Börse dieses gut bezahlen lässt. Ein gewisser, wenn auch indirekter Interessenskonflikt, kann daher nicht abgestritten werden.

Grandfathering für Entry Standard-Unternehmen

Unternehmen, die in das neue KMU-Segment aufgenommen werden wollten, mussten bis 27. Februar einen Antrag bei der Deutschen Börse einreichen. Unternehmen, die bereits im Entry Standard gelistet sind, müssen sich im Zuge des sogenannten "Grandfatherings" spätestens bis 24. März entscheiden. Erfüllen sie die Kriterien des neuen KMU-Segments nicht, fallen sie in das sogenannte Basic Board. Das ist neben dem Quotation Board (größtenteils für Anleihen) ein weiteres Teilsegment des Open Markets.

Liste der SCALE-Unternehmen

Folgende Aktien sind ab heute in Scale gelistet: Quelle

SCALE-Bloß-kein-Neuer-Markt-2-0-Chartanalyse-Bastian-Galuschka-GodmodeTrader.de-1

Und diese Unternehmensanleihen

SCALE-Bloß-kein-Neuer-Markt-2-0-Chartanalyse-Bastian-Galuschka-GodmodeTrader.de-2

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3 Kommentare

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  • Chronos
    Chronos

    Unwichtig aber unterhaltsam :)))

    Ich vermute massiv der Oberpfälzer war bei Fielmann, im outlet in Ingolstadt (Hugo Boss) und ist jetzt bei JFD. Wie der Stanzl, der immer noch keine vegetarische goldene i-watch hat!

    23:44 Uhr, 06.02. 2017
  • Ridicule
    Ridicule

    Bevor hier wieder irgendwelche unsinnigen Randsegmente eröffnet werden, sollte man lieber mal drüber nachdenken, das Standardsegment -nämlich den DAX- auszumisten. Was sich da an Schrott mittlerweile tümmelt ist nicht nur eines deutschen Leitindexes unwürdig, sondern auch was die Performance anbelangt eine Unverschämt so etwas Investoren vorzusetzen. Da sind die USA halt mal wieder weiter mit ihrem DJIA.

    11:56 Uhr, 04.02. 2017
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Bastian Galuschka
Bastian Galuschka
Chefredakteur

Bastian Galuschka ist seit über 20 Jahren an der Börse aktiv. Er entdeckte bereits zu Schulzeiten seine Leidenschaft für die Börse. Über fünf Jahre lang war der Diplom-Volkswirt als Redakteur bei einem bekannten Anlegermagazin tätig und verantwortete dort den Bereich Charttechnik. Seit März 2013 verstärkt er die Redaktion der stock3 AG. Bastian Galuschka kombiniert bei seinen Analysen gerne Fundamentaldaten mit charttechnischen Aspekten. Gerade im Smallcapbereich hat sich der Analyst über viele Jahre ein fundiertes Wissen aufgebaut. Seit Juni 2023 ist Galuschka Chefredakteur von stock3.

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