Kommentar
12:52 Uhr, 13.02.2007

BIP 2006 - das Jahr der Revisionen<br />

1. Das deutsche Bruttoinlandsprodukt hat im Schlussquartal 2006 um 0,9 % qoq zugenommen. Damit wurden die Erwartungen der von Bloomberg befragten Volkswirte, die im Mittel (Median) 0,6 % qoq erwartet hatten, wie auch unsere Prognose (0,5 % qoq) und die Ankündigung des Statistischen Bundesamtes auf der letzten Pressekonferenz (½ % qoq) deutlich übertroffen. Es kam ferner zu beachtlichen Aufwärtsrevisionen der Vorquartale. Das Vorjahresniveau wird daher um 3,5 %, unter Berücksichtigung eines fehlenden Arbeitstags im vierten Quartal sogar um 3,7 % übertroffen.

2. Die heute veröffentlichten BIP-Daten sind lediglich eine Schnellschätzung. Details über die Zusammensetzung des Wachstums werden erst am 22. Februar veröffentlicht. Dennoch lassen sich auch heute schon folgende Tendenzen ausmachen:

• Die bedeutendste Stütze des Wachstums im vierten Quartal waren einmal mehr die Nettoexporte. Den deutschen Exporteuren gelang es im zweiten Halbjahr, sich gegen die globalen Abschwächungstendenzen zu stemmen und dank des aus dem dritten Quartal mitgenommenen Schwungs über 5,8 % mehr Güter auszuführen. Die stärksten Zuwachsraten im Warenhandel kamen nicht aus den EU-Ländern, sondern aus den OPEC-Staaten, Asien und Resteuropa. Auch im Geschäft mit den USA konnten größere Zuwächse erzielt werden. Gleichzeitig nahmen zwar auch die Importe zu, allerdings in deutlich geringerem Umfang. Hier sind die erst spät einsetzenden Vorzieheffekte im Zusammenhang mit der für den 1.1.2007 angekündigten Mehrwertsteuererhöhung mitverantwortlich.

• Gemessen an den ursprünglichen Erwartungen für den privaten Konsum im vierten Quartal fiel das Plus wohl eher bescheiden aus. Die lange Phase zwischen Ankündigung und Vollzug der Mehrwertsteuererhöhung nutzten die Haushalte nur verhalten, um Konsum vorzuziehen: Erste zaghafte Ansätze von Vorzieheffekten zur Vermeidung der dreiprozentigen Mehrwertsteuererhöhung zeigten sich erst im Spätsommer, stärkere Auswirkungen sogar erst ab November: So legten im November und Dezember die Zulassungszahlen für Pkw in Rekordtempo zu, und der Dezember zeigte dann auch endlich die lang erhofften hohen Zuwachsraten im Einzelhandel. Allerdings blieben die Vorzieheffekte im vierten Quartal hinter denen früherer, geringerer Mehrwertsteuererhöhungen zurück.

• Die Bauinvestitionen, die neben der Bauproduktion auch das Ausbaugewerbe (Installateurarbeiten etc.) beinhalten, waren im Jahr 2006 der große Profiteuer der anstehenden Mehrwertsteuererhöhung. Speziell für die gute Entwicklung im vierten Quartal sind die Vorzieheffekte aber wohl von nachrangiger Bedeutung gewesen. Zumindest gemessen an der Bauproduktion – für das Ausbaugewerbe liegen keine Daten vor – war es nämlich nicht der Wohnungsbau, sondern der Tiefbau der gut lief. Hauptursache dürfte die ausgesprochen milde Witterung gewesen sein, die eine Fortsetzung der Produktion in den ansonsten eher unwirtlichen Monaten erlaubte. Allerdings musste auch eine entsprechende Nachfrage der öffentlichen Hand hinzutreten, die dank der guten Konjunktur wieder besser gefüllte Kassen hat.

• Die Ausrüstungsinvestitionen wuchsen weiter, zum achten Mal in Folge. Allerdings hat sich die Dynamik gegenüber dem ersten Halbjahr wohl etwas verlangsamt. Mit Blick auf die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt ist das aber nicht so gravierend, denn es kam im Jahresverlauf zu einer entscheidenden Wende bei den Investitionsmotiven. So rückte angesichts knapper Kapazitätsreserven zunehmend das Motiv der Erweiterung der Produktionskapazitäten in den Vordergrund, und das sind Investitionen, die in der Regel auch mit der Schaffung von Arbeitsplätzen verbunden sind.

• Bremsende Effekte gingen von den Lagern aus: Während die Nachfrage aus dem In- und Ausland nur so brummte, war die Produktionstätigkeit nur schwach, weil die Unternehmen die Nachfrage aus den Lagern bedienten. Die Produktion wurde in die Vorquartale vorgezogen.

3. Noch im Januar hatte das Statistische Bundesamt ein Wachstum von ½ % qoq im vierten Quartal in Aussicht gestellt. Mit den nun veröffentlichten Zuwachsrate 0,9 % wurde die ursprünglich kommunizierte um 80 % übertroffen. Das ist insofern problematisch, als Volkswirte und Märkte ihre Erwartungen nach der Jahrespressekonferenz nach unten geschraubt hatten und nun völlig überrascht wurden. Vor diesem Hintergrund war die Kommunikationsstrategie des Statistischen Bundesamtes unglücklich. Bemerkenswert ist auch die Revisionsanfälligkeit der Schnellschätzungen: Jeweils verglichen mit der Erstveröffentlichung wurde das erste Quartal um 0,4 Prozentpunkte, das zweite Quartal und das dritte Quartal um jeweils 0,2 Prozentpunkt nach oben revidiert. Um es plastisch zu machen: Wäre es jeweils bei den Erstveröffentlichungen geblieben, wäre das Wachstum im Jahr 2006 um 0,7 Prozentpunkte geringer ausgefallen.

4. Mit einem auf 2,7 % aufwärts revidierten Wachstum (ursprünglich 2,5 %) hat sich das Jahr 2006 zum zweitbesten gesamtdeutschen Konjunkturjahr gemausert. Nur im Jahr 2000 wuchs das Bruttoinlandsprodukt schneller. Auch der statistische Überhang fällt nun höher aus als noch im Januar verkündet: 1,3 statt 1,0 Prozentpunkte. Der statistische Überhang misst die Geschwindigkeit, die der Konjunkturdampfer im vergangenen Jahr aufgenommen hat und mit der er selbst beim Stillstand der Maschinen im Jahre 2007 weitertreiben würde. Konkret: Käme es zu einer Stagnation in jedem einzelnen Quartal des Jahres 2007, so würde das Bruttoinlandsprodukt im Gesamtjahr 2007 um 1,3 % zunehmen. Wir revidieren daher unsere Prognose für das Wachstum im Jahre 2007 entsprechend von 1,6 % auf 1,9 %.

Quelle: DekaBank

Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von mehr als 135 Mrd. Euro und über fünf Millionen betreuten Depots gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands. Im Publikumsfondsgeschäft hält der DekaBank-Konzern einen Marktanteil von etwa 20 Prozent.

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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