Kommentar
13:48 Uhr, 21.07.2016

Binäre Optionen Broker: Boombranche mit Fragezeichen

Binäre Optionen Broker schießen seit Jahren wie Pilze aus dem Boden. Die Branche tut wenig gegen den impliziten Vorwurf, eher vom Wetten als vom Brokerage zu leben. Wie sollten kritische Trader Binäre Optionen Broker und ihre Geschäftsmodelle beurteilen?

Der Branchenstandard: Whitelabel mit Sitz in Zypern

Eine einschlägige Suche im Internet nach Brokern für Binäre Optionen fördert eine größere Zahl von Anbietern zutage – und zumindest dem ersten Eindruck nach ebenso viele Vergleichsportale zum Thema. Die Markenvielfalt täuscht jedoch etwas: Nur sehr wenige ausschließlich auf Binäre Optionen spezialisierte Broker decken die wesentlichen Bestandteile der „Produktionskette“ hausintern ab. Stattdessen wird der Großteil der Leistungen von einigen wenigen Anbietern ohne Direktkontakt zum Endkunden eingekauft.

Zu den wichtigsten Akteuren hinter den Kulissen zählt die LSE-gelistete TechFinancials Inc, die Niederlassungen unter anderem in Zypern, Japan, Hong-Kong und Israel unterhält. Das Unternehmen steht über Kooperationen wie z. B. White Label hinter diversen Marken der Branche, darunter 24Option, OptionFair, OptionBit und 365BinaryOption.

Die Einstiegshürden für neue Broker sind niedrig. TechFinancials wirbt damit, in drei Schritten zum Status eines EU-regulierten Brokers zu verhelfen. Am Ende des Prozesses steht ein regulierter Schirm für den Handel mit Binäroptionen inklusive Lizenzierung, Zahlungsabwicklung, Compliance, Liquidität, Back Office und Risikomanagement.

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Das Geschäftsmodell: Hohe Markups auf die fairen Auszahlungen

Das Geschäftsmodell von White Label Brokern besteht damit im Wesentlichen aus Vertrieb und Front Office:

Die Anbieter werden für über ihre Marken vermittelte Transaktionen im Rahmen einer vertraglich vereinbarten Staffel vergütet. Die dem Endkunden als Broker präsentierten Anbieter sind nach strenger Definition somit eigentlich gar keine Broker, sondern lediglich Vermittler für die durch größere Plattformen im Hintergrund angebotenen Finanzprodukte.

Die Plattformen wiederum verdienen ihr Geld (und die Provisionen für Vertrieb und Front Office) dagegen durch die Gewinnspannen, die sich im Handel ergeben. Maßgeblich für die Gewinnbasis ist ungeachtet aller Kosten für Technik, Entwicklung und Hedging die Differenz zwischen den vereinnahmten Prämien und den ausgezahlten Gewinnen.

Wie hoch diese Spanne ausfallen könnte, lässt sich am Beispiel der weit verbreiteten und einfach nachvollziehbaren „Über/Unter“-Optionen nachvollziehen. Diese werden am Geld eröffnet und verfallen im Fall eines Calls wertlos, wenn der Basiswert am Ende der zumeist kurzen Laufzeit unter dem Kurs bei Beginn des Kontraktes notiert. Notiert der Kurs höher, wird der Einsatz samt einer Rendite zurückgezahlt.

Typischerweise erhalten Käufer einer solchen Option eine Rendite von etwa 70 %, wenn die Marktentwicklung korrekt vorhergesagt wurde. Eröffnen jeweils zehn Kunden eine Call- und eine Put-Option mit einem Einsatz von jeweils 100 €, vereinnahmt der Broker somit kumulierte Prämien in Höhe von 2.000 €. Zehn der Kontrakte verfallen notwendigerweise wertlos, zehn werden zu jeweils 170 € zurückgezahlt. Daraus ergäbe sich ein Rohgewinn in Höhe von 300 € bzw. 15 % der vereinnahmten Prämien.

Das erscheint im Vergleich mit Brokern im klassischen Sinne viel. Ein STP FX Broker ermöglicht seinen Kunden bei 2.000 € Einsatz durch 50-fachen Hebel den Handel mit einem Standard-Lot und verlangt dafür Kommissionen von ca. 8-15 € (Round Turn). Selbst unter Berücksichtigung weiterer Gewinnspannen z. B. im Zusammenhang mit der Hebelwirkung fallen die Roherträge bei diesem Geschäft um Größenordnungen geringer aus. Market Maker könnten dagegen deutlich höhere Erträge erzielen.

Die werbliche Darstellung: Einfach, lukrativ, cool

In der von den Marken vor den großen Abwicklungsplattformen dominierten werblichen Darstellung werden drei Botschaften fokussiert: Binäre Optionen sind einfach, lukrativ und cool, sind die „neue Art zum Geldverdienen für jedermann“. Eine allzu kritische Audienz erwarten die Betreiber offenkundig nicht: So wirbt ein auf Zypern ansässiger Anbieter seit Jahren mit einem stark an die Schweiz erinnernden Markennamen.

Die Marketingbudgets scheinen gut ausgestattet zu sein. Neben zahlreichen TV-Spots und unzähligen Anzeigen im Internet investieren die Anbieter auch in Werbung mit Prominenten und in Sponsoring – zwei auch bei FX- und CFD Brokern verbreitete Maßnahmen.

24Option wirbt mit der Prominenz von Boris Becker und Juventus Turin, IQ Option sponsert Aston Martin Racing.

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Das Kleingedruckte wirkt mitunter unprofessionell

Der Auftritt mancher White Label Marken wirkt dagegen wie im Schnellverfahren realisiert und mitunter geradezu unprofessionell. Letzteres gilt insbesondere für mäßig gelungene Übersetzungen der Internetauftritte ins Deutsche, die bereits bei einer oberflächlichen Betrachtung der Angebote auffallen sollten. Die Regulierung in Zypern wird anders als im FX- und CFD Handel als Verkaufsargument angebracht. Insbesondere Vergleichsportale und Branchendienste werben damit, „ausschließlich EU-regulierte Anbieter“ zu führen.

Auch im Hinblick auf die technische Ausstattung der Handelsplattformen zeigen sich die meisten Broker wenig anspruchsvoll. Die Tools ermöglichen mitunter nicht einmal die Darstellung von Charts als Candlesticks. Von Zeichenwerkzeugen, Indikatoren, langfristigen historischen Daten etc. sollten Interessenten erst recht nicht ausgehen. Auch die bei vielen Anbietern rubrizierten „Ausbildungsprogramme“ halten selten einer anspruchsvollen Beurteilung stand.

Schnittstellen zwischen Binären Optionen und Brokerage

Mit Brokerage im klassischen Sinne haben Binäre Optionen nur wenig gemein. Es gibt allerdings einige etablierte Broker aus dem Wertpapier- und CFD/FX-Handel, die ebenfalls in diesem Geschäft aktiv sind. Darunter finden sich mit IG Markets, Oanda und ETX Capital durchaus prominente Marken. Broker dieses Typs rechnen ihre Optionskontrakte jedoch in aller Regel hausintern ab und treten nicht als Vermittler für Dritte auf.

Wie transparent sind Binäre Optionen?

Der faire Wert einer Binären Option lässt sich theoretisch relativ leicht ermitteln. Nur ein sehr überschaubarer Teil der Kunden dürfte im Vorfeld jedes Trades derlei Berechnungen anstellen.

Effektive Transparenzgewinne könnten durch den Vergleich der Quoten verschiedener Anbieter entstehen. Ein kompetitiver Charakter lässt sich im Wettbewerb zwischen den großen Akteuren in diesem Punkt aber bislang kaum ausmachen – die Quoten scheinen nicht das zentrale Verkaufsargument zu sein.

Aktuelle Entwicklungen in der Branche

Die Branche erfreut sich eines erstaunlichen Wachstums. Der CySEC-regulierte Broker IQ Option gibt an, im Jahr 2014 durchschnittlich 200.000 Trades am Tag abgewickelt und einen monatlichen Umsatz in Höhe von 10,0 Mio. USD erreicht zu haben.

Für das Jahr 2016 werden bei 3,0 Mio. Trades am Tag monatliche Umsätze von 25 Mrd. USD (!?) erwartet. Überprüfen lassen sich diese Angaben nicht.

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Mehr und mehr als Binäre Optionen Broker gestartete Anbieter erweiterten ihr Angebot in letzter Zeit um CFD/FX Trading. Auch hier wurden die technischen Neuerungen von den Plattformen im Hintergrund angestoßen. Auch neue Optionstypen werden weiterhin entwickelt. Ein Schwerpunkt in der Entwicklung liegt auf Lösungen für mobile Endgeräte.

Was können Binäre Optionen, was woanders nicht geht?

Was macht den offenkundig bestehenden Reiz von Binären Optionen aus?

Möglicherweise ist es die Kombination aus sehr niedrigen Zutrittshürden und sehr kurzen Laufzeiten, die vielen Optionstypen trotz formalem Antlitz eines Finanzinstruments den Charakter eines Glücks- oder Geschicklichkeitsspiels verleiht.

Die Einstiegshürden sind bewusst niedrig gehalten:

  • Keine nennenswerte Mindesteinzahlung,
  • keine Wartezeit,
  • kein Download,
  • keine Vorkenntnisse – jedermann kann ohne Umwege mit dem Handel anfangen

Die Nutzung via Smartphone weist keine Einschränkung gegenüber der Nutzung am Desktop auf. In vielen Werbespots der Branche wird offen die ständige Nutzung der Plattform von unterwegs aus dargestellt.

Vor allem die extrem kurzen Laufzeiten machen den „Trade zwischendurch“ möglich. Einige Kontrakte laufen lediglich 60 Sekunden lang – die Grenzen zu einem Glücksspiel sind zwar nicht formal, aber faktisch fließend. Geboten wird die durch Gambler so geschätzte Chance auf ein kurzfristig verfügbares Erfolgserlebnis im Zusammenhang mit einem kleinen Nervenkitzel.

Ausgehend von diesen Anforderungen sind Binäre Optionen klassischen Optionen und Optionsscheinen durch ihr diskretes Auszahlungsprofil überlegen. Das Profil von klassischen Optionen ist nicht „schwarz“ oder „weiß“, sondern weist einen größeren und relativ unspektakulären Graubereich auf.

Welche Chancen haben Trader?

Profitable Ergebnisse mit Binären Optionen setzen bei fixer Rendite eine hinreichende Eintrittswahrscheinlichkeit voraus. Die Rechnung ist einfach: Bei 100 % Verlust mit defizitären Trades und 70 % Gewinn mit profitablen Trades ist eine Trefferquote von rund 60 % für das Erreichen der Gewinnschwelle erforderlich.

Es gibt bislang keine belastbaren Studien darüber, ob solche Trefferquoten von einer größeren Zahl von Tradern dauerhaft realisiert werden können. Natürlich können auch im Handel mit Digitaloptionen die bewährten Konzepte der Technischen Analyse eingesetzt werden.

Zwei zentrale Eigenschaften von Binären Optionen erschweren das dauerhafte Erreichen der Gewinnschwelle jedoch erheblich:

Erstens die nach oben begrenzten Gewinne und zweitens das Fehlen einer Verlustbegrenzung.

Letztere ist für Tradingstrategien nahezu jeglicher Couleur notwendige Bedingung.

Fazit

Binäre Optionen sind nicht das Erfolgsrezept zum schnellen Geld – jedenfalls nicht für Trader. Der Handel erinnert aufgrund der kurzen Laufzeiten und einfachen Abwicklung eher an ein Glückspiel als an seriöse Spekulation auf Kursveränderungen. Die Rohmargen der Broker dürften im Bereich von 15 % der Prämien und darüber anzusetzen sein und lassen für profitables Handeln der Endkunden wenig Raum. Die vermeintliche Markenvielfalt der Binäre Optionen Broker entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als Trugschluss, weil nur wenige große Plattformen ihr Angebot über White Label Kooperationen multiplizieren. Dem Boom der Branche scheint das nicht entgegenzustehen. Wer ernsthaft traden möchte, ist mit klassischen Brokern und Instrumenten aber besser bedient.

1 Kommentar

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  • Sadiqator
    Sadiqator

    Bin ein wenig spät mit dem Kommentar, aber Danke für das klare "Fazit". Echtes Trading erfordert harte und disziplinierte Arbeit. und komischerweise beschäftigt sich zu 90% immer derselbe Typus Mensch mit binären Optionen, die man dann in den Social Medias antrifft und die über ihre "Erfolgsgeschichte" sprechen. Was denn für eine Erfolgsgeschichte??? Porsche gekauft, Haus in Thailan, blablabla... Echte Trader kennen die Realitäten und sind Profis, und Profis prahlen nicht und schon gar nicht sprechen sie über ihr Kontostand um anzugeben. Wahres Trading ist Arbeit! Wer glaubt seine Beruf zu wechseln, damit er schnell reich wird und deswegen Trader wird, hat sich böse geirrt.

    23:53 Uhr, 10.11.2016

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Über den Experten

Michael Hinterleitner
Michael Hinterleitner

Michael Hinterleitner ist seit 2006 Redakteur und Trader bei GodmodeTrader.

Bereits 1998 der Faszination Börse erlegen, wurde Trading neben dem Studium der Wirtschaftswissenschaften zu seiner Hauptbeschäftigung. Sein Fokus: Aktien. Neben der täglichen spannenden Jagd an den Börsen kam 2011 die Idee zu einem neuen Brokervergleich, der nicht nur einen detaillierten Blick hinter die Kulissen erlaubt, sondern auch handfeste Vorteile für Mitglieder bringt.

Als Mitbegründer der Vergleichsplattform BrokerDeal.de hat sich Michael Hinterleitner zum Ziel gesetzt, Licht in den Brokerdschungel zu bringen. Er erklärt, worauf es bei der Brokerwahl ankommt, welche Anbieter für welche Bedürfnisse Sinn macht und auf welche Unterschiede man bei den Produkten und der Ausführungsqualität achten sollte.

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