Bilanzabbau: Legt die Fed jetzt richtig los?
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Die Bilanzverkürzung der Fed ist neben den Zinsanhebungen der zweite Baustein der geldpolitischen Straffung durch die US-Notenbank. Sowohl während der Finanzkrise 2008 als auch während der Corona-Krise hatte die Fed Staatsanleihen und Hypothekenpapiere aufgekauft und so Liquidität in die Finanzmärkte gepumpt. Die Bilanzsumme der Fed explodierte von unter einer Billion US-Dollar vor der Finanzkrise 2008 auf zeitweise knapp neun Billionen US-Dollar (9.000 Milliarden US-Dollar) nach Corona. Durch die Verkleinerung der Bilanzsumme soll jetzt die Überschussliquidität im Finanzsystem wieder sinken. So jedenfalls die Theorie.
Die Fed hatte im Juni mit ihrem Programm zur Bilanzverkürzung begonnen. In den ersten drei Monaten sollten Erträge aus fälligen Staatsanleihen und Hypothekenpapieren bis zu einem Betrag von 47,5 Milliarden Dollar nicht mehr reinvestiert werden. Ab September soll sich das Tempo nun auf bis zu 95 Milliarden Dollar pro Monat verdoppeln, indem Erträge aus fälligen Staatsanleihen im Volumen von bis zu 60 Milliarden Dollar pro Monat sowie aus Hypothekenpapieren im Volumen von bis zu 35 Milliarden Dollar nicht mehr reinvestiert werden.
So weit die Theorie. In der Praxis blieb die US-Notenbank Fed bisher deutlich hinter dem angekündigten Tempo zurück. In den ersten drei Monaten schrumpfte die Bilanzsumme nur ungefähr um rund 22 Milliarden Dollar pro Monat und damit halb so stark, wie es die angekündigten Zahlen der Fed eigentlich hergeben würden. Ein wichtiger Grund dafür war allerdings auch, dass in den Sommermonaten nicht viele Wertpapiere ihre Fälligkeit erreichten. Aktuell verkauft die Fed ja keine Staatsanleihen oder Hypothekenpapiere, sondern verzichtet nur auf Reinvestitionen, wenn die gehaltenen Papiere ihre Fälligkeit erreichen.
Im September und in den Folgemonaten dürfte nun zweierlei passieren: Einerseits verdoppelt sich wie oben erläutert die Maximalsumme, bis zu der die Fed auf Reinvestitionen verzichtet, auf 95 Milliarden Dollar pro Monat. Andererseits dürften auch wieder mehr Staatsanleihen und Hypothekenanleihen die Fälligkeit erreichen. Zusammengenommen sollten beide Effekte dazu führen, dass die Bilanzsumme deutlich stärker sinkt als in den vergangenen Monaten.
New-York-Fed-Präsident John Williams versuchte in einem Interview mit dem "Wall Street Journal" Spekulationen zu zerstreuen, dass die Fed ihr Programm zur Bilanzverkürzung vielleicht schon bald wieder einstellen muss, weil Bankreserven und Liquidität in den Finanzmärkten zu stark sinken könnten. Auf die Frage, ob der Rückgang der Bankreserven zu einer Wiederholung der Probleme aus dem Jahr 2019 führen könnten, antworte Williams, dass er diese Sorge nicht habe. Im September 2019 hatte die Fed durch die Reduktion ihrer Bilanzsumme Turbulenzen auf dem Repo-Markt ausgelöst. Die Überschussreserven der Banken waren durch die Bilanzverkürzung so stark gesunken, dass die Funktionsfähigkeit des US-Finanzsystems ins Wanken geriet.
Ob es dieses Mal anders läuft, muss sich erst noch zeigen. Aktuell scheint noch viel mehr Liquidität im US-Finanzmarkt vorhanden zu sein, als eigentlich gebraucht wird. Das zeigen die sogenannten Reverse-Repo-Geschäfte, mit der nicht gebrauchte Liquidität über Nacht bei der US-Notenbank Fed geparkt werden kann. Aktuell parken die Banken jede Nacht rund 2,2 Billionen US-Dollar bei der US-Notenbank, weil sie mit der vielen Liquidität, auf der sie sitzen, überhaupt nichts anfangen können. Darauf verwies auch New-York-Fed-Präsident John Williams in seinem Interview mit dem "Wall Street Journal".
Trotzdem bleibt abzuwarten, ob das höhere Tempo der Bilanzverkürzung ab September nicht doch auch mehr Gegenwind für die Finanzmärkte bedeutet. Auszuschließen ist das jedenfalls nicht. Aktuell könnten etwas die steigenden Zinsen dazu führen, dass Banken und Hedgefonds wegen des Zinsrisikos ungern Staatsanleihen halten und deshalb mehr Geld über Reverse-Repo-Geschäfte bei der Fed parken. Dadurch könnte die Liquidität höher erscheinen, als sie tatsächlich ist und das Volumen der Reverse-Repo-Geschäfte keine zuverlässige Aussage darüber erlauben, wie viel Liquidität tatsächlich im US-Finanzsystem vorhanden ist.
Fazit: Dass die Fed durch den Aufkauf von Wertpapieren Liquidität in die Finanzmärkte pumpen kann, hat sie in den vergangenen Jahren eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Ob ihr auch das Gegenteil gelingt, ohne größere Turbulenzen auszulösen, muss sich allerdings erst noch zeigen. Ab September soll das Tempo der Bilanzverkürzung der Fed deutlich zulegen. Es wird spannend zu sehen sein, ob es tatsächlich dazu kommt – und wie gut die Finanzmärkte die sinkende Liquidität verkraften werden.
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