Kommentar
11:49 Uhr, 24.02.2011

Bella Italia - lauert hier die größte Gefahr für den Euro-Raum?

Während die Hellenen gestern mal wieder landesweit streikten, um gegen Sparmaßnahmen zu demonstrieren, denkt man in Europa intensiv darüber nach, wie das griechische Drama zu einem akzeptablen Ende gebracht werden könnte.

Der europäische Sachverständigenrat EEAG sieht eine Radikalkur als einzige Alternative zur Staatspleite. Die schon auf den Weg gebrachten Sparpakete würden nicht ausreichen, sagen die Sachverständigen, die sich aus sieben Staaten rekrutieren.

Griechenland hat Staatsschulden in Höhe von 150% des BIP angehäuft (über 300 Mrd. EUR). Wenn 2013 das Hilfspaket von EU-Kommission und IWF ausläuft, wird das Land neue Hilfen benötigen, das steht quasi jetzt schon fest.

Was ist die Radikalkur, die der Rat vorschlägt? Eine drastische Verringerung der Löhne auf breiter Front - und damit die Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit. Oder als Alternative: Die Wiedereinführung einer eigenen Währung, die Griechen sollen also die Währungsunion verlassen. Kehrt die Drachme zurück, so würde die damit einhergehende drastische Abwertung ähnlich wirken wie fallende Löhne - Exporte würden sich dadurch verbilligen (und Importe verteuern, was wiederum einheimischen Produkten hilft). Es wäre prinzipiell wohl der beste Weg, ist aber alles andere als ein Allheilmittel.

Das offenkundig größte Problem: Der Schuldenberg bleibt ja bestehen, und würde sogar noch größer, da er auf Euro lautet. Dieser Schritt würde wohl nur Sinn machen, wenn ein deutlicher Forderungsverzicht (»Haircut«) damit einherginge, der freiwillig kaum zu erwarten ist. Denkbar wäre natürlich, dass Griechenland mit neuen Drachmen dramatisch gefallene Anleihen massenhaft zurückkauft, damit eine Teilentschuldung erreicht, allerdings die Währung noch weiter herunterknüppelt (die Drachmen müssen ja erst in Euro getauscht werden).

Eine sehr reale Gefahr ist, dass bereits stärker werdende Gerüchte über eine Wiedergeburt der Drachme die Menschen in Panik ihre Konten räumen lässt (Banken-Run)- das wäre ja nur rational. Es wäre überhaupt nicht überraschend, wenn im Vorgriff darauf Bürger in Griechenland schon bald nur noch beschränkten Zugriff auf ihre Konten erhielten. Wenn ich Grieche wäre bzw. Konten dort hätte - ich bräuchte nicht mehr lange nachdenken, ich würde die Konten sofort auflösen.

Griechenland ist nur ein krasses Beispiel, aber kein Einzelfall: Relativ harmlos ist der Fall des in den Medien vielzitierten Spanien - hier wird der Schuldenstand 2012 ca. 73% des BIP erreichen. Portugal kommt dann auf 92%, Irland auf 114%. Ehrlich und nüchtern betrachtet muss man sich wegen der Größe und Bedeutung für die EU am meisten Sorgen um das scheinbar stabile Italien machen. In einem Jahr werden die Staatsschulden in Berlusconis Heimat 120% des BIP erreichen. Gleichzeitig bricht die industrielle Basis weg und die demographische Entwicklung ist noch alarmierender als bei uns. Man darf gespannt sein, wann dieses Thema an den Börsen gespielt wird. Da hilft dann auch kein Rettungsschirm mehr, Signori.

Ihr
Daniel Kühn

http://www.outperformer.de

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Über den Experten

Daniel Kühn
Daniel Kühn
Freier Finanzjournalist

Daniel Kühn ist seit 1996 aktiver Trader und Investor. Nach dem BWL-Studium entschied sich der Börsen-Experte zunächst für eine Karriere als freier Trader und Journalist. Von 2012 bis 2023 leitete Daniel Kühn die Redaktion von stock3 (vormals GodmodeTrader). Seit 2024 schreibt er als freier Autor für stock3.
Daniel Kühn interessiert sich vor allem für Small und Mid Caps, Technologieaktien, ETFs, Edelmetalle und Kryptowährungen sowie für makroökonomische Themen.

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