Kommentar
11:00 Uhr, 25.08.2014

Bekommt Deutschland die "japanische Krankheit" ?

Mit der Eurokrise kam vor allem eine Angst auf: Japanische Verhältnisse, nicht nur für Deutschland, sondern für den ganzen Kontinent. Also Deflation und geringes Wachstum.

In vielen Ländern kann von japanischen Verhältnissen nicht die Rede sein. Die Abweichungen zu Japan sind zu groß - leider oft in negativer Hinsicht. Bei Deutschland ist das anders. Seit Beginn der Eurokrise nähert sich das Renditenievau deutscher Staatsanleihen an das japanische an. Zeitweise bringen zehnjährige Anleihen weniger als 1% Rendite pro Jahr. In Japan ist es derzeit noch deutlich weniger. Die Rendite liegt in etwa bei der Hälfte. Ob die Renditen deutscher Papiere noch so tief fallen, kann man nicht ausschließen. Schon jetzt sind die Anleihen mit einer Rendite von ca. einem Prozent dort, wo die japanischen vor drei Jahren waren. So viel trennt die beiden Länder hier nicht mehr.

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Renditen für Staatsanleihen sind nur einer der vielen Faktoren, die man vergleichen kann. Ein anderer ist die Inflation. Auch hier schien es lange Zeit nicht möglich, dass Deutschland keine Inflation mehr haben würde. Aktuell sieht es nach im historischen Vergleich relativ stabilen Preisen aus. Von einer langanhaltenden Deflation sind wir noch etwas entfernt. Ganz abwegig ist der Gedanke allerdings nicht mehr. Solange die EZB nicht Geld druckt und damit Güter kauft wird das QE der EZB nicht viel bei der Inflation bewirken. Das kann nur ein schwacher Euro. Damit versuchen die Japaner gerade die Inflation in Gang zu setzen.
Ob das in Europa gelingt werden wir sehen. So oder so wird es dann aber eher ein Einmaleffekt. Wertet der Euro um 20%, dann ist das irgendwann im Preisindex drin und wiederholt sich nicht Jahr um Jahr.

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Über das Inflationsthema kann man lange streiten. Was hingegen fast schon offensichtlich erscheint, ist die Parallele beim Wachstum. Die Konjunkturzyklen sind nicht komplett identisch. 1998 hatte Deutschland unter der Asienkrise wenig zu leiden. Japan wurde hingegen stark getroffen.
Trotz deflationärer Tendenzen und einer negativen Berichterstattung über das japanische Wirtschaftswachstum, bestätigt sich das in den Zahlen nicht. Deutschland wuchs und wächst nicht wesentlicher schneller als Japan. Von dieser Seite her unterscheiden wir uns kaum von Japan.

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Ein großer Unterschied sind die Staatsschulden. Hier kann man wirklich beim besten Willen keine Parallelen herstellen. In Deutschland wächst der Schuldenberg nur langsam und dürfte sich in den kommenden Jahren sogar reduzieren. In Japan geht die Verschuldung munter weiter.
Erweitert man das Blickfeld etwas, indem man private und öffentliche Schulden gegenüberstellt, dann kommen sich die zwei Länder schon wieder näher. Insgesamt ist das Problem mit dem Vergleich von Schulden aber, dass Schulden auch Vermögen gegenübersteht. Korrekterweise sollte man sich also eher das Nettovermögen anschauen statt nur die Schulden. Das Nettovermögen ist das Gesamtvermögen abzüglich der privaten und öffentlichen Schulden. Dann ergibt sich eine recht ähnliche Vermögenssituation beider Länder. In Prozent vom Bruttoinlandsprodukt unterscheidet sich das Vermögen um ca. 10 Prozentpunkte. Das ist schon ziemlich ähnlich.
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Die Gemeinsamkeiten könnten nur Zufall sein. Die Umstände in Deutschland sind denen in Japan nicht unähnlich. Die Bevölkerung wächst nicht mehr bzw. schrumpft. Die Währung wertete gegenüber vielen anderen Währungen auf. Die Zinsen werden durch die Notenbank niedrig gehalten. In Japan werden Großteile der Schulden von Inländern gehalten. Das mag in Deutschland vielleicht nicht der Fall sein. Dafür kaufen alle Sicherheit. Diese Käufer werden ebenso wenig abspringen wie die Japaner.

Das Wachstum ist moderat und verlangsamt sich tendenziell. Beide Wirtschaften sind stark vom Export abhängig. Die Gesellschaft überaltert schneller als anderswo auf der Welt.
Japanische Verhältnisse sind nicht nur zum greifen nahe. In vielen Bereichen sind sie Realität. Ich will das nicht unbedingt bewerten. Die meisten sehen in japanischen Verhältnissen ein Schreckgespenst. Den Menschen in Japan geht es allerdings so gut wie kaum anderswo auf der Welt. So schlimm können die japanischen Verhältnisse also nicht sein.

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  • 280a
    280a

    ​Die Japaner arbeiten viel und lange, haben wenig Urlaub, gehen spät in Pension und haben die höchste Selbstmordrate, aber sonst geht es ihnen gut!

    21:52 Uhr, 25.08.2014
  • Lexikon
    Lexikon

    13:05 Uhr, 25.08.2014
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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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