Kommentar
08:44 Uhr, 11.05.2016

Bald neues Währungsabkommen?

Ende Mai findet der G7-Gipfel in Japan statt. Premierminister Shinzo Abe will das Thema Wechselkurse auf die Agenda nehmen. Wird es dabei etwa um ein Währungsabkommen gehen?

Auf den ersten Blick ist vollkommen klar, weshalb Japan die internationale Wechselkursentwicklung auf die Agenda nehmen will. Ein Blick auf die Entwicklung des Yen in den letzten Wochen genügt. Der Yen wertet seit Wochen auf. Das ist möglicherweise nicht nur ein kurzfristiger Effekt, sondern eine Trendfortsetzung.

Grafik 1 zeigt den nominalen Yen Wechselkurs gegenüber einem Währungskorb. Der Yen-Index ist dabei ähnlich aufgebaut wie der Dollar-Index. Der Yen wird gegenüber einem Währungskorb gemessen. Die Währungen sind entsprechend ihres Anteils am Handel mit Japan bemessen.

Dank der Notenbankpolitik der letzten Jahre stoppte der Yen seinen Aufwärtstrend. Der Yen drohte nach 20 Jahren in einer breiten Seitwärtsbewegung nach oben auszubrechen. Die Notenbankpolitik hat das verhindert und den nominalen Wechselkurs wieder auf an die untere Begrenzung der Seitwärtsbewegung gedrückt.

Die Aufwertung der letzten Wochen gibt zu denken. Sie ist eindeutig und schnell. Es steht zu befürchten, dass der Yen in seinen alten Aufwärtstrend zurückkehrt. Das wäre das endgültige Ende des erhofften Turnarounds der Wirtschaft.

Premierminister Abe will sich beim G7 Gipfel wahrscheinlich weitere Aktionen absegnen lassen, die den Yen schwächen. Anfang des Jahres hatten die G20 Staaten vereinbart ihre Währungen nicht absichtlich abwerten zu lassen. Abe argumentiert nun aber, dass auch Stabilität vereinbart wurde und von Stabilität kann bei einer radikalen Aufwertung nicht die Rede sein.

Japan wird es dennoch schwer haben die Zustimmung der anderen Regierungschefs für eine Abwertung zu erhalten, denn andere Staaten argumentieren nicht mit dem nominalen Wechselkurs. Sie blicken vielmehr auf das reale Wechselkursverhältnis. Dieses ist für den Yen, Euro und Dollar in Grafik 2 abgebildet.

Die Währungen werden gegenüber einem Währungskorb mit 41 Währungen gemessen. Hier zeigt sich, dass der Yen seit 20 Jahren kontinuierlich abwertet. Mit der aggressiven Notenbankpolitik steht der Yen so tief wie noch nie in der Historie dieser Datenreihe. Auch nach der Aufwertung der letzten Monate notiert der Index nach wie vor sehr niedrig.

Nun ist alles eine Frage der Perspektive. Neben den breit gefassten Indizes gibt es auch enger gefasste, die eine Währung gegenüber einem Korb von 15 anderen Währungen messen. Hier zeigt sich, dass der Yen durchaus tief steht, jedoch keinesfalls historisch tief. Bereits in den 70er Jahren oder 2007 lag der Wechselkurs in der Nähe des heutigen Niveaus (Grafik 3).

Trotzdem: Japan wird es schwer haben von anderen Ländern Unterstützung für eine Yen-Abwertung zu erhalten. Die Daten sprechen eine eindeutige Sprache. Immerhin kann Japan argumentieren, dass Euro und Dollar real betrachtet ebenfalls sehr günstig bewertet sind und Japan das Nachsehen hat. Je nachdem, auf welchen Chart man blickt, lässt sich das gut untermauern.

Japan hat allerdings noch ein ganz anderes Argument, welches zu seinen Gunsten spielt: die Produktivität. Weltweit ist das Produktivitätswachstum rückläufig, doch nirgends ist das so ausgeprägt wie in Japan. Die Produktivität sollte eine wichtige Rolle bei der Wechselkursbestimmung spielen. Beim Yen ist das nicht der Fall.

Kann ein Wirtschaftsraum überdurchschnittliches Produktivitätswachstum ausweisen, dann sollte der reale Wechselkurs steigen. Dazu ein Beispiel: Es kostet 10.000 Euro in Deutschland ein Auto herzustellen. Die Produktivität wächst nun besonders stark und plötzlich kann man zu 10.000 Euro nicht mehr nur ein, sondern zwei Autos herstellen. Die Produktivität hat sich verdoppelt. Zunächst führt das dazu, dass die in Deutschland hergestellten Autos wettbewerbsfähiger sind. Das führt zu einem hohen Handelsüberschuss und letztlich zu einer Aufwertung der Währung. Ebenso führen die Mehreinnahmen aus dem Wachstum der Produktion zu höheren Löhnen.
Über Lohnwachstum und damit Inflation sowie einer Veränderung des Wechselkurses relativiert sich der Produktivitätsschub. Man kann verallgemeinert sagen: höheres Produktivitätswachstum führt zu einem Anstieg des realen Wechselkurses.

In Europa und den USA ist das Produktivitätswachstum niedrig, aber noch immer deutlich höher als in Japan. Eigentlich sollten Dollar und Euro entsprechend aufwerten und der Yen abwerten. Das tut er aber nicht. Aus diesem Grund kann man zu der Annahme kommen, dass der Yen trotz der Abwertung seit 2012 nach wie vor zu hoch steht.

Rein theoretisch ist an der Argumentation nichts auszusetzen. Das Problem ist jedoch weitreichender. Japan hat in den letzten Jahrzehnten durch Handelsbilanzüberschüsse hohe Rücklagen gebildet. Mit den Exporteinnahmen wurden im Ausland Vermögenswerte erworben, z.B. Anleihen. Diese „Ansparphase“ ist nun vorbei. Da die Bevölkerung zunehmend überaltert, kommt es bis zu einem gewissen Grad zur Auflösung dieser Anlagen und zu einer Repatriierung der Gelder, um die Renten zu zahlen.

Japan steckt in einer Sackgasse. Wegen einer Stagnation der Produktivität müsste der Yen abwerten. Das tut er jedoch nicht von alleine. Die hohen Vermögenswerte im Ausland und die Überalterung der Gesellschaft lassen das nicht zu. Japan kann daher nur über künstliche Eingriffe den Wechselkurs bestimmen. Ohne die Zustimmung anderer Staaten wird das kein leichtes Unterfangen.

Es ist unwahrscheinlich, dass die G7 Ende Mai eine neue Wechselkurspolitik gutheißen werden. Japan bleibt unter diesen Umständen der bekannte, indirekte Weg über die Notenbank. Sie muss noch expansiver werden. Ob das überhaupt möglich ist, daran zweifeln die Märkte. Spätestens im Juni, wenn die Notenbank das nächste Mal tagt, werden wir sehen, ob Japan doch noch einmal versucht den Trend aufzuhalten.

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5 Kommentare

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  • Dieter_HW
    Dieter_HW

    Es gibt für Japan nur einen Ausweg. Eintritt in die Eurozone und Einführung des Euros.

    13:11 Uhr, 11.05. 2016
    1 Antwort anzeigen
  • tommess
    tommess

    Interessanter Beitrag, Herr Schmale. Ich gehe jedoch nicht ganz konform mit Ihrer Einschätzung, weil ein wichtiger Zwischenschritt noch fehlt. Denn eine Erhöhung der Produktivität bei konstanten Preisen (!!) eines Produktes ändert am Wechselkurs erst mal gar nichts, da die Marktsituation und Angebot und Nachfrage sich nicht verändert haben. Erst die Reaktion des Unternehmens auf die Produktivitätssteigerung wird etwas bewirken. Ein Unternehmen hat dann 2 Möglichkeiten darauf zu reagieren, nämlich (bleiben wir bei dem Auto-Beispiel):

    a) Der Hersteller ist nicht der Meinung, dass er den Absatz seiner Autos erhöhen kann (warum sei mal egal). Dann kann er den gleichen Absatz bei gleichem Preis mit der halben Belegschaft realisieren. Das Unternehmen wird Leute entlassen, sein Gewinn wird steigen. Die Arbeitslosigkeit steigt, steigende Arbeitslosigkeit wird tendenziell den Wechselkurs eher belasten (höhere Transferleistungen und evtl. höhere Staatsverschuldung durch krampfhaftes "Dagegensteuern").

    b) Der Hersteller ist tatsächlich der Meinung, dass er den Absatz erhöhen kann. Dann könnte er bei gleicher Belegschaft mehr Autos produzieren. Damit dies sich jedoch auf die Nachfrage seiner Autos auswirken kann, muss der Hersteller den Preis senken. Dies kann er auch, weil er durch die höhere Produktivität einen größeren Kalkulationsspielraum hat. Es werden nun Kunden von einem Mitbewerber herwechseln und manche sich jetzt erst ein Auto kaufen, weil sie es sich vorher nicht leisten konnten. Der Gewinn des Unternehmens wird auch hier steigen. Und erst jetzt wird der Wechselkurs steigen, weil der Export zunimmt - durch eben bessere Position im Wettbewerb.

    Eine Produktivitätssteigerung wird sich per se nur dann auf den Wechselkurs auswirken, wenn die Preise fallen. Manche Menschen können sich nämlich dann erst ein Auto kaufen.

    11:46 Uhr, 11.05. 2016
    1 Antwort anzeigen
  • dschungelgold
    dschungelgold

    Gute Erklaehrung des japanischen Dilemmas. Japan hat fertig.

    08:52 Uhr, 11.05. 2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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