Kommentar
08:50 Uhr, 30.09.2015

Bärenmarkt: am Anfang oder schon am Ende?

Das aktuelle Marktumfeld verlangt Anlegern viel ab. Innerhalb weniger Stunden dreht das Sentiment zwischen Weltuntergang und Ausruf eines neuen Bullenmarktes hin und her.

Persönlich gehe ich stark von einer Korrekturfortsetzung aus. An dieser Meinung festzuhalten fällt in diesen Tagen manchmal schwer. Vergangene Woche gab es gleich mehrere Tage, an denen es Gründe gab an der Meinung zu rütteln. Der Markt war zu Beginn der Woche über den Zinsentscheid der Fed noch immer irritiert und tendierte abwärts. Am Donnerstag hielt Fed Chefin Yellen eine Rede, die die Sorgen zerstreut hat.

Der Markt vermutet, dass es der Konjunktur weniger gut geht als erwartet. Andernfalls hätte die Notenbank die Zinsen angehoben. Diese Sorgen adressierte Yellen in ihrer Rede ziemlich direkt, indem sie die Konjunktur lobte und eine Zinserhöhung für dieses Jahr noch einmal bekräftigte.

Die Aussagen der Notenbankchefin wirkten. Der Markt drehte kräftig ins Plus. Das Plus relativierte sich im späten US Handel am Freitag wieder. Der Markt zeigte ein astreines Intraday Reversal. Yellen kam mit ihrer Bekräftigung wohl zu spät. Die Sorgen überwiegen nach wie vor. Dazu gibt es auch allen Anlass.

Es ist nicht nur China, welches Sorgen bereitet. Die Daten sind nach wie vor wenig ermunternd, doch so langsam dürfte der Markt verstehen, dass China in keiner dramatischen Rezession feststeckt. Vielmehr dürfte den Markt etwas ganz anderes beschäftigen. Die Notenbank hat mit ihrer zögerlichen Haltung die Aufmerksamkeit zurück auf die USA gelenkt, und was man dort sieht, ist nicht weniger unklar als die Lage in China.

Die US Wirtschaftsleistung ist im zweiten Quartal um 3,9% gewachsen. Nachdem sich bereits in der Erstschätzung ein hohes Wachstum abzeichnete ist die Revision nach oben eine erfreuliche Überraschung. Dennoch gibt es Probleme. Die Industrie und der Rohstoffsektor bauen Stellen in hohem Tempo ab. Es sind gut bezahlte Jobs, die dort gestrichen werden. Es ist jedoch nicht nur der Arbeitsmarkt, der mittelfristig drehen könnte.

Der Immobilienmarkt lief in den letzten Monaten gut und die Stimmung ist bei vielen potentiellen Käufern ausgelassen. Das steht im krassen Gegensatz zu Industriegebieten und Regionen, die von der Rohstoffförderung abhängig sind. Dort bricht der Markt förmlich in sich zusammen. Es erscheint unwahrscheinlich, dass die Krise der Industrie und des Rohstoffsektors nicht auch auf den Rest der Wirtschaft übergreift.

Die Notenbank sieht diese Gefahr nicht. Sie sieht auch keine Gefahr durch die Schwellenländer, in denen die Währungen gerade kollabieren. Kurz gesagt: die Zentralbank hält Kurs. Irgendwie ist das unter den äußerst diffizilen Umständen suspekt. Es hilft in einem solchen Umfeld des Zweifels auch nicht, wenn andere Notenbanken (Bank of England, EZB) laut über weitere Lockerungen und Bargeldverbot nachdenken.

Im Prinzip ist in den kommenden Wochen alles möglich. Die Gemengelage lässt alles zu – von einem Crash wie 2008 bis hin zu einem neuen Kursfeuerwerk. Man möchte daran glauben, dass die USA tatsächlich relativ isoliert von den Problemen im Rest der Welt sind, doch es gelingt einem nicht – zumindest nicht mit voller Überzeugung.

Anlegern bleibt nichts anderes übrig als auf Sicht zu fahren. Die Stimmung kann nämlich sehr schnell drehen. Anleger und Analysten sind so pessimistisch wie seit vielen Jahren nicht mehr. Das ist eine starke Kontraindikation. Wenn die Stimmung dreht und Anleger wieder zu kaufen beginnen, dann können die Indizes bereits 10% höher stehen bevor Anleger überhaupt bemerken, dass die Korrektur vorbei ist.

Was in diesem Fall helfen kann ist die alte und gut bewährte Dow Theorie. Die Dow Theorie hat viele Aspekte, doch besonders nützlich ist die technische Betrachtung von Top- und Bodenbildungen. Der Theorie nach müssen sich der Dow Jones Industrial und der Dow Jones Transportation gegenseitig bestätigen. In diesen Tagen ist auch viel von einem dritten Dow Jones Index (Utility) zu lesen, da nun alle drei Dow Jones Indizes im Gleichschritt laufen.

Für die Validierung von Signalen ist der Utility Index ziemlich unnütz. Er beginnt aufgrund der defensiven Art der enthaltenen Unternehmen (Versorger) zuletzt zu drehen. Ebenso bildet der Utility Index ein spätes Tief nach allen anderen Indizes aus. Gleichzeitig ist der Index so undynamisch, dass sich ein Investment selten lohnt.

Die Grafik zeigt alle drei Indizes, den Dow Jones Industrial Average, den Transportation und Utility Index. Dargestellt sind die Indizes seit Anfang 1970. Die Systematik, die in der Grafik dargestellt ist, gilt jedoch uneingeschränkt auch für die Zeit vor 1970.

Die Systematik ist dabei die folgende: der Dow Jones Transportation bildet vor dem Industrial Average ein Hoch aus. Dieser Index liefert die Verkaufssignale (blaue horizontale Linien). Der Dow Jones Industrial Average bildet sein Hoch später aus, dafür aber wird das Tief systematisch vor den Transportwerten erreicht.

Die Grafik zeigt die Indizes im Monatsverlauf. Dreht der Transportindex kurz nach dem Dow Jones Industrial, dann handelt es sich dabei um mehrere Monate. Wenn man als Anleger nun nicht weiß, was man tun soll, dann kann man sich zumindest mit einer hohen Zuverlässigkeit auf diese Systematik verlassen. Der Dow Jones Industrial kann einen raschen Trendwechsel vollziehen. Anstatt sich dann jedoch zu ärgern, dass man einen Großteil des Trendwechsels verpasst hat, kann man auf den Nachzüglerindex (Transportindex) setzen. Dazu haben Anleger mehrere Wochen Zeit. In dieser Zeit kann sich das Tief im Industrial Average festigen und die Trendwende bestätigt werden. Erst danach beginnt der Transportindex nachhaltig zu steigen. Wer also die Rallye bei den Industriewerten verpasst, der nimmt sie einfach im Transportsektor mit.

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  • sewiet13
    sewiet13

    Und nach Einstieg mit Anstieg um wenige Prozent kann man den Absprung verpassen, der in die Tiefe geht. Was, ausser dem verpassen eines markttechnischen Anstiegs spricht für einen Anstieg. Um wieviel müssen sich die Fundamentaldaten noch ändern, damit der letzte Trader begreift: Das ist kein Muster. Jetzt gibt es knallhart die lang fällige Korrektur.

    10:44 Uhr, 30.09.2015
  • FJHaydn
    FJHaydn

    Diese Versuche Langfristcharts zu deuten, scheinen mir doch sehr fraglich. Seit 1970 hat sich der Charakter der Börse und der Anleger doch radikal verändert. In den 70ern gab es noch eine Orientierung an Fundamentaldaten und die Tendenz zu langfristiger Anlage. Dieses Börsengeschehen ist natürlich einer rationalen Analyse zugänglich, weil es auf rationalen Überlegungen basiert.

    In Zeiten der Trendfolgemodelle, Chartanalysen, Hochfrequenzhandel, Wellenanalysen etc. ist das alles nicht mehr gegeben. Das Ziel der Überlegung ist hier nicht mehr der Markt, sondern der Anleger selbst. Es geht um reines Zocken, wobei das Sentiment der anderen Anleger im Mitelpunkt steht. Da sind aus Marktsicht völlig irrationale Reaktionen möglich. Beispielsweise steigende Kurse bei schlechten Wirtschaftsnachrichten.

    Da werden beispielsweise Börsenausschläge +X mit der langfristigen Wirtschaftsentwicklung in China begründet, die dann aber am nächsten Tag schon mit -X wieder zurückgenommen werden. Da sich die Wirschaftsentwicklung aber wohl kaum geändert hat, ist die Begründung offenbar unsinnig gewesen.

    Die Börse ist zum reinen Glückspiel verkommen. Analysen müssen sich da allein auf Zockerstrategien beschränken. Mit Wirtschaft hat das nichts mehr zu tun.

    09:13 Uhr, 30.09.2015
    2 Antworten anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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