Kommentar
18:57 Uhr, 03.05.2006

Ausgewählte Werte bieten deutliches Kurspotenzial

Wie sich an der Entwicklung des BIFX ablesen lässt, konnte an der Börse in Sarajevo in den vergangenen Jahren schon gutes Geld verdient werden. Doch seit rund einem Jahr ist der Kursaufschwung, wie auch der abbröckelnde SASX-10 zeigt, leider ins Stocken geraten. Erklären lässt sich dies zum einen sicherlich mit den skizzierten politischen Problemen, aber auch mit teilweise zu langsam ablaufenden wirtschaftlichen Reformen. Zum anderen hat die eingelegte Verschnaufpause aber auch mit einer ganz normalen technischen Korrektur sowie teilweise etwas übertriebenen Bewertungen zu tun.

Deutlich wird das am Generika-Hersteller Bosnalijek (Symbol: BSNLR, 26,59 KM). Wie ich mich vor Ort überzeugen konnte, handelt es sich dabei zwar um ein echtes Vorzeigeunternehmen, das gute Chance auf einen nachhaltigen Expansionskurs hat. Mit einem KGV von fast 21 auf Basis der im Vorjahr erzielten Gewinne erscheint der Titel aber auch bereits recht hoch bewertet zu sein. Zumindest ist der Abschlag verglichen mit der internationalen Konkurrenz auf jeden Fall nicht mehr so groß, wie man ihn früher in kleinen und illiquiden Emerging-Markets gewohnt war.

Deutlich attraktiver gestalten sich die Bewertungsrelationen dagegen bei den elf Privatisierungs-Investmentfonds. Weisen diese doch im Schnitt einen Abschlag zum Nettoinventarwert von rund 40 Prozent auf. Für den Fall, dass sich die gehaltenen Positionen gut entwickeln, wäre das natürlich Schnäppchenpreise. Aber genau darin liegt die Krux der Geschichte. Es ist nämlich ziemlich schwer, die Werthaltigkeit der Investments zu beurteilen. Außerdem handelt es sich hierbei um eine Glaubensfrage, ist ein Anleger doch den Fähigkeiten und auch der Ehrlichkeit des Fondsverwalters ausgeliefert. Vergleichsweise gute Noten bekommt von Marktkennern in dieser Hinsicht der IF BIG D.D. Sarajevo (Symbol: BIGFRK1, Kurs: 10,43 KM) ausgestellt. Dennoch beläuft sich auch hier der Abschlag auf den Nettoinventarwert auf rund 40 Prozent.

Möglicherweise erweist sich aber ein vor der Verabschiedung stehendes neues Anlagegesetz für die Investmentfondsbranche, das mehr Handlungsspielräume bieten würde, als Katalysator, um diesen hohen Discount zu verringern.

Ein spannender Sektor für Anleger ist wie immer in Osteuropa auch in Bosnien-Herzegowina die Bankbranche. Belegen lässt sich diese Behauptung schon alleine mit dem Verweis auf die im Vorjahr in dem Sektor im Schnitt um 77 Prozent gestiegenen Gewinne. Das Dumme ist nur, dass die Pfründe hier bereits weitgehend verteilt sind und sich die meisten Institute bereits in ausländischen Händen befinden.

Energoinvest wird ins Musterdepot befördert

Traditionell ein lohnender Bereich für Investments im Osten ist auch die Baubranche. Das könnte auch in Bosnien in den kommenden Jahren der Fall sein. Viel Phantasie beinhaltet beispielsweise das geplante Autobahnprojekt, das die Adria mit Budapest verbinden soll und das rund 350 Kilometer lang auch durch Bosnien-Herzegowina führen soll. Für die Baufirmen winkt somit bis 2012, dem Termin also, an dem das Vorhaben fertig gestellt sein soll, viel Arbeit. Wobei einem die Dimensionen dieses Projekts erst klar werden, wenn man sich vergegenwärtigt, dass es in Bosnien-Herzegowina derzeit erst eine elf Kilometer lange Autobahnstrecke gibt. Beim Bau wird der Löwenanteil der Arbeiten zwar an ausländische Konzerne gehen. Aber mit Sicherheit werden auch lokalen Wettbewerber zum Zuge kommen. Ein Kandidat hierfür ist beispielsweise der Bauwert Hidrogradnja (Symbol: HDGSR, 5,99 KM), der beispielsweise gute Chancen haben dürfte, beim Bau von Brücken Zuschläge zu erhalten. Ist dies der Fall, werden die enttäuschen Vorjahresergebnisse bald vergessen sein und dafür stattdessen das tiefe Kurs-Buchwert-Verhältnis von 0,5 eine zunehmende Rolle bei den Anlageentscheidungen spielen. (Internet-Adresse: www.hidrogradnja.ba)

Mit einem Kurs-Buchwert-Verhältnis von knapp unter eins ist der Zementproduzent Tvornica Cementa Kakanj d,d (Symbol: TCMKR, 13,11 KM) in dieser Hinsicht nicht mehr ganz so günstig zu haben wie Hidrogradnja. Dafür überzeugt dieser Titel mit einem historischen KGV von gerade einmal rund zehn, was angesichts der vielen Aufbauarbeiten, die es in Bosnien-Herzegowina zu erledigen gibt, als Schnäppchen erscheint. Den wahren Wert des Unternehmens hat übrigens auch schon der deutsche Baukonzern Heidelberg Zement entdeckt. Denn mit einem Anteil von 82 Prozent ist man inzwischen der Mehrheitsaktionär. Da zudem einen Anteil von aufgekauft hat, ist der Free Float bei diesem auf einen Börsenwert von 124,2 Mio. KM kommenden Titel nur sehr gering. Folglich ist es schwierig, an Stücke heranzukommen. Doch wer welche ergattern kann, der dürfte dieses Investment langfristig nicht bereuen. Zumal hier nicht nur gute Geschäfte locken, sondern eventuell auch die Aussicht auf ein Abfindungsangebot von Heidelberg Zement. (Internet-Adresse; www.kakanj.com.ba)

Einiges zuzutrauen ist mindestens auf Sicht der nächsten zwei bis drei Jahren auch Energoinvest d.d. (Ticker: ENISR, 7,50 KM). Hinter diesem Namen verbirgt sich eine Gesellschaft, die Kraftwerke baut und traditionell neben dem Heimatmarkt im Nahen Osten gut verankert ist. Wie ein Vorstandsmitglied am Rande der Investorenkonferenz durchblicken ließ, sind die Auftragsbücher momentan sehr gut gefüllt und an dieser komfortablen Situation sollte sich auch so schnell nichts ändern. Gelingt es tatsächlich wie von manchen Beobachtern vermutet, in diesem Jahr den Gewinn um 50 Prozent zu steigern und auch in den Jahren 2007 und 2008 noch zulegen zu können, dann scheint diese Perspektive mit einem historischen KGV von knapp 16 und einem Kurs-Buchwert-Verhältnis von 0,6 beim aktuellen Börsenkurs noch nicht ausreichend honoriert zu werden. Sobald sich die Erkenntnis durchsetzt, dass Energoinvest ein paar fette Geschäftsjahre winken, sollte die Notiz nachhaltig anspringen. (Internet-Adresse: www.energoinvest.com)

Nach dem was wir bei unseren Recherchen vor Ort gesehen haben, ist das gewachsene Interesse an Werten aus der zweiten Reihe sehr gut nachvollziehbar. Denn in diesem Segment finden sich einige wirklich sehr interessante Titel. Noch spannender ist aber die noch immer zu wenig beachtete dritte Reihe. Hier lassen sich nämlich wirklich noch echte Schnäppchen finden. Welche Aktien davon besonders viel Potenzial haben, wird auf den nächsten Seiten etwas ausführlicher erläutert.

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Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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