Auf die scharfe Rezession folgt nur eine verhaltene Erholung
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Eine schnelle Rückkehr der Weltwirtschaft auf das Niveau vor dem Ausbruch der Coronavirus-Pandemie wird es nach Einschätzung der DWS nicht geben. „Wir gehen nicht davon aus, dass bereits Anfang kommenden Jahres ein Impfstoff zur Verfügung stehen wird. Vielmehr rechnen wir damit, dass es weitere Coronavirus-Wellen geben wird, die jedoch kontrollierbar sein sollten“, sagte der Chefanlagestratege des Vermögensverwalters, Stefan Kreuzkamp, am Mittwoch beim halbjährlichen Kapitalmarktausblick. Vor diesem Hintergrund werde auf die scharfe Rezession in diesem Jahr nur eine verhaltene Erholung 2021 folgen. Mit den zu erwartenden weiteren Coronavirus-Wellen blieben den Kapitalmärkten dann auch die damit verbundenen Risiken für bestimmte Geschäftsmodelle und Branchen erhalten, weshalb die aktive Einzeltitelselektion über alle Anlageklassen hinweg weiter Trumpf bleiben werde.
Konkret erwartet die DWS für 2020 eine Schrumpfung der Weltwirtschaft um 2,6 Prozent, für das kommende Jahr dann ein Wachstum um 5,4 Prozent. Einen deutlich milderen Verlauf prognostizierte Kreuzkamp für China, dessen Wirtschaft trotz der Coronavirus-Pandemie in diesem Jahr noch um ein Prozent und 2021 um neun Prozent zulegen werde. Zur Begründung verwies er auf die rasch ergriffenen Maßnahmen der Regierung zum Management der Krise, den großen Anteil des Technologiesektors an der Wirtschaftsleistung des Landes sowie den vergleichsweise hohen Prozentsatz an Online-Geschäftsmodellen. Für den Euroraum prognostiziert die DWS für 2020 einen Einbruch um 7,5 Prozent, für die USA um 5,7 Prozent. Dem sollten Erholungen um 4,5 Prozent beziehungsweise 5,6 Prozent im kommenden Jahr folgen.
Höhere Inflationsraten dürften zum Schuldenabbau toleriert werden
Der im weltweiten Vergleich überdurchschnittlich starke Rückgang im gemeinsamen Währungsgebiet sollte zu einem substanziellen Anstieg der Verschuldung der öffentlichen Hand führen. Für Frankreich prognostiziert der Vermögensverwalter eine Zunahme für 2020 auf 111 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) verglichen mit 99 Prozent im vergangenen Jahr. Für Italien sollte das Verhältnis der Verbindlichkeiten zum BIP gar auf 155 Prozent von 137 Prozent steigen. „Das ist zwar ein kritisches Niveau und vor diesem Hintergrund wird mir immer wieder die Frage gestellt, ob ich Italien eher als neues Griechenland oder als neues Japan betrachte. Meiner Ansicht nach ist Italien eher mit Japan zu vergleichen, zum einen wegen seiner externen Überschüsse, zum anderen wegen der im Unterschied zu Griechenland gegebenen Wettbewerbsfähigkeit“, sagte Kreuzkamp. Für Deutschland erwartet die DWS hingegen lediglich eine Zunahme auf 65 Prozent 2020 von 57 Prozent im vergangenen Jahr.
Doch obwohl die Weltwirtschaft bereits im kommenden Jahr wieder auf einen verhaltenen Wachstumskurs einschwenken dürfte, wird die von der Coronavirus-Pandemien ausgelöste Krise nach Einschätzung des Vermögensverwalters langfristige Veränderungen auslösen. So dürfte die freie Marktwirtschaft ihren Höhepunkt erreicht haben, da die Regierungen künftig eine aktivere Rolle spielen und ein Mitspracherecht beispielsweise bei Investitionsentscheidungen beanspruchen dürften. Gleichzeitig dürften Staaten wie Unternehmen die Abhängigkeit von Importen zu verringern suchen, wodurch sich der Trend zur De-Globalisierung des verarbeitenden Gewerbes beschleunigen werde.
Zur Finanzierung der Maßnahmen zur Dämpfung der Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie dürften laut Kreuzkamp viele Regierungen an der Steuerschraube drehen und gleichzeitig höhere Inflationsraten tolerieren, um die Schuldenlast zu verringern. Und schließlich werde die Zeit nach der Coronavirus-Pandemie „grüner“ sein, da sich viele Staaten und supranationale Organisationen nicht damit begnügen würden, mit ihren Konjunkturprogrammen die Wirtschaft ganz allgemein wieder in Schwung zu bringen, sondern damit auch einen Impuls in Richtung eines nachhaltigeren Wirtschaftens geben wollten. Exemplarisch verwies der Chefanlagestratege der DWS dabei auf die Zielsetzung des geplanten 750 Milliarden Euro schweren Wiederaufbau-Fonds der EU, mit dessen Hilfe „eine moderne, saubere gesund Wirtschaft entstehen soll, zur Sicherung der Lebensgrundlage der kommenden Generation“. Daneben werde der Trend zur Digitalisierung verstärkt, sowohl durch die Notwendigkeit einer flexibleren Arbeitsumgebung als auch durch den Bedarf an neuen Technologien und Therapien in der Pharmaindustrie.
Global diversifiziertes Aktienportfolio mit Schwergewicht bei Wachstumswerten
Ein global diversifiziertes Aktienportfolio, das Papiere aus den Schwellenländern einschließe, sei am besten geeignet, um von einer Erholung der Unternehmensgewinne zu profitieren, sagte Kreuzkamp. So würden asiatische Firmen, die als erste von den Folgen der Coronavirus-Pandemie betroffen gewesen seien, auch als erste die Krise hinter sich lassen. Noch dazu seien die Gewinne in der Region aufgrund der effektiven Reaktion der Regierungen auf die Bedrohung weniger stark zurückgegangen als in anderen Teilen der Welt. Bei US-Unternehmen dürften die Gewinne zwar zunächst heftig einbrechen, etwa durch Rückstellungen für Kredite bei Banken oder Verluste durch den kollabierenden Ölpreis bei den Förderern von Schieferöl. Allerdings sollten die Papiere aus der größten Volkswirtschaft der Welt anschließend davon profitieren, dass mit rund 60 Prozent ein hoher Anteil von jungen und gesunden Firmen aus wichtigen Sektoren wie der Technologie-, Pharma- und Kommunikationsindustrie stamme.
Mit Blick auf die unterschiedlichen Charakteristika von Aktien empfahl Kreuzkamp, die Präferenz von strukturell wachsenden Werten beizubehalten, deren Dynamik beispielsweise durch die Maßnahmen zur sozialen Distanzierung oder den steigenden Anteil von Arbeit im Home Office beschleunigt werde. Gleichzeitig sollten Anleger das Portfolio aber selektiv mit Substanzwerten etwa aus dem Grundstoffsektor ergänzen, die von einer zyklischen Erholung profitieren könnten.
Die weiteren Aussichten für den Aktienmarkt schätzte der Chefanlagestratege nach der Rally der vergangenen Wochen eher verhalten ein. Wichtige Indizes wie der Dax oder der S&P 500 hätten die Prognosen der DWS für den Stand zum Jahresende bereits erreicht. „Für die zweite Jahreshälfte müssen Investoren daher wohl eher mit mehr Volatilität und vorübergehenden Rücksetzern rechnen, diese Dips sollten sie jedoch als Kaufgelegenheiten betrachten“, sagte Kreuzkamp.
Unternehmensanleihen und inflationsindexierte Schuldtitel attraktiv
Da die Zinsen für Staatsanleihen angesichts der gigantischen Kaufprogramme der wichtigsten Notenbanken noch lange niedrig bleiben würden, empfahl der DWS-Chefanlagestratege eine Fokussierung auf Schuldtitel von Unternehmen. Im Bereich der Investment-Grade-Anleihen seien in den USA vor allem Schuldtitel aus defensiveren Sektoren mit Laufzeiten von unter fünf Jahren mit Emittenten-Bonitäten von „BBB“ und „BBB-“ interessant, die durch die Maßnahmen von Regierung und Federal Reserve unterstützt würden. Auch bei europäischen Investment-Grade-Anleihen empfahl Kreuzkamp, auf eine Unterstützung durch das CSPP- oder PEPP-Programm der Europäischen Zentralbank zu achten und daneben Schuldtitel aus dem Finanzsektor in Betracht zu ziehen, besonders von Banken aus der Peripherie des Euroraums. Mit Blick auf High-Yield-Anleihen wies er darauf hin, dass auf Einbrüche in dieser Anlageklasse in der Vergangenheit regelmäßig nachhaltige Erholungsphasen gefolgt seien. Interessant könnten seiner Ansicht nach selektive Anlagen in „gefallene Engel“ etwa aus der Luftfahrt- und Automobilindustrie sein. Daneben nannte er ausgewählte Investments in eher zyklische Unternehmen mit ausreichender Liquidität beispielsweise aus der Logistik- oder Chemieindustrie.
Da die Regierungen zum Abbau der zur Eindämmung der Folgen der Coronavirus-Pandemie aufgeworfenen Schuldenberge bereit seien, höhere Inflationsraten zu tolerieren, könnten sich nach Kreuzkamps Einschätzung auch inflationsindexierte Staatsanleihen als attraktiv erweisen. Mit Blick auf den Währungsmarkt prognostizierte er einen weiter starken Dollar, da der Greenback in der Krise abermals seinen Status als Weltreservewährung unter Beweis gestellt habe. Gleichzeitig könne sich der Renminbi angesichts der zu erwartenden neuerlichen Konflikte um Technologien und die Behandlung Hongkongs abschwächen.
Mit Blick auf alternative Anlageklassen wies der Chefanlagestratege darauf hin, dass aufgrund der Coronavirus-Pandemie Verwerfungen am Immobilienmarkt zu erwarten seien, die eine genauere Auswahl von Objekten erforderlich machten. Langfristig beschädigt sind seiner Meinung nach Büroimmobilien in Randlagen, Co-Working-Gebäude und dezentral gelegene Einkaufszentren. Hingegen könnten Premium-Logistikimmobilien von der Krise profitieren und in den von Pendlern bewohnten Vororten die Nachfrage nach größeren, aber bezahlbaren Wohnimmobilien hoher Qualität steigen.
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