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10:09 Uhr, 10.10.2013

Attraktives Wertpotenzial in EMD

Was wir derzeit in den Emerging Markets (EM) erleben, ist das Ende eines klassischen globalen Finanzzyklus. Auslöser war die Erwartung, die Fed werde demnächst die Zinsen anheben.

Frankfurt (BoerseGo.de) - Was wir derzeit in den Emerging Markets (EM) erleben, ist das Ende eines klassischen globalen Finanzzyklus. Auslöser war die Erwartung, die Fed werde demnächst die Zinsen anheben. Letztlich ist es die Aussicht auf ein höheres Nominalwachstum und damit bessere Renditen für Developed-Markets-Assets, die die EM belastet. Diese Entwicklung wird dadurch noch verstärkt, dass mit dem Abzug ausländischen Kapitals Verzerrungen in den EM – wie hohes inländisches Kreditwachstum und sinkende Wettbewerbsfähigkeit – offengelegt wurden, wie Jeremy Brewin, Leiter des Teams „Emerging Markets Debt“ bei ING Investment Management in einem aktuellen Marktkommentar schreibt.

Wirtschaftstheoretisch sollte dies eigentlich kein Problem für die Emerging Markts sein, solange der Wechselkurs flexibel bleibe. Das lasse sich anhand komplizierter Modelle sehr schön darstellen, sei aber im Kern recht simpel. werde Kapital von den EM abgezogen, dann sinke der Preis für EM-Assets, bis ein neues Gleichgewicht erreicht sei. Das sei der Fall, wenn die Portfolien internationaler Investoren völlig auf die neue Risiko-Ertrags-Konstellation ausgerichtet seien. Vor allem würden die Preise für risikoreiche EM-Werte fallen, die EM-Renditen werden steigen und die EM-Wechselkurse sinken, bis die Bewertungsuntergrenze erreicht sei. Halte der Preissturz zu lange an, belaste das die Bewertungen und die Nachfrage nach EM-Assets steige wieder, heißt es.

„Doch in der Praxis kann dieser Prozess völlig anders verlaufen, da Erwartungen sich nicht nur stabilisierend, sondern auch destabilisierend auswirken können. Dabei können sie die der Konjunktur und der Vermögenspreisbewertung zugrunde liegenden Rahmendaten im Sinne einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung auf Dauer verändern. In Zeiten des Kapitalzustroms führen steigende Wechselkurse tendenziell dazu, dass ‏eine weitere Währungsaufwertung erwartet wird. Das liegt vor allem daran, dass die Märkte sich in dieser Phase überschätzen. Mehren sich allerdings die Anzeichen für eine geldpolitische Straffung im Ausland oder sind die heimischen Ungleichgewichte nicht mehr zu übersehen, dann erfolgt die Trendumkehr. Selbstüberschätzung wird zu Angst, und Unkenrufe sowie der erwartete Verfall der Währung lösen eine Negativspirale aus“, so Brewin.

Auf die aktuelle Situation übertragen, bedeute das, dass die EM-Volkswirtschaften derartig ins Schleudern gerieten, dass die Bewertungsuntergrenze für EM-Assets nachgebe. Dann würden die Preise für EM-Assets in den freien Fall übergehen, weil die Anlegerschaft von einer Fortsetzung des negativen Trends überzeugt sei. Man könnte argumentieren, dass die damit einhergehende angespannte Finanzlage am Binnenmarkt die heimische Nachfrage dämpfen würde, doch der schwächere Wechselkurs würde die Nettoexporte ankurbeln. Das könnte sich – nach den in Phasen des Überschwangs häufig steigenden Leistungsbilanzdefiziten – sogar als Segen erweisen, heißt es weiter.

„In der EM-Region haben die Ungleichgewichte zwischen bestimmten Ländern erheblich zugenommen. Das gilt vor allem für Länder mit Leistungsbilanzdefiziten. Im Rahmen unseres Basisszenarios gehen wir jedoch weiterhin davon aus, dass die Turbulenzen in diesen Ländern das Wirtschaftswachstum nicht hemmen werden. Zum einen liegt die Auslandsverschuldung im Verhältnis zum BIP in vielen dieser Länder weit unter den Niveaus der 1990er Jahre. Das legt nahe, dass eigendynamische Währungs- oder Laufzeitinkongruenzen in den heimischen Bilanzen jetzt sehr viel weniger wahrscheinlich sind. Zum anderen ist die Leistungsfähigkeit der (Geld-)Politik in den vergangenen 15 Jahren erheblich gestiegen. Dank der gestiegenen Glaubwürdigkeit sind wahrscheinlich weniger drastische Zinsanhebungen vonnöten, um einen Währungsverfall zu stoppen. Hinzu kommt, dass die „Kriegskassen“ in Form von Devisenreserven in einigen Ländern nun sehr viel praller gefüllt sind, wenn auch Devisenmarktinterventionen ohne geldpolitische Absicherung fragwürdig sind.

Ferner gehen wir davon aus, dass das EM-Wachstum durch bessere Exportleistungen im Zuge des Wachstumsschubs an den entwickelten Märkten gestützt wird. Hinweise auf eine Stabilisierung der Wachstumsentwicklung könnten sich als Regulativ der oben skizzierten negativen Eigendynamik erweisen. Das gilt auch für die voraussichtliche Mäßigung beim Anstieg der Realzinsen in den DM, da die Zentralbanken der entwickelten Länder die Finanzbedingungen trotz des beschleunigten Wachstumstempos expansiv belassen wollen. Das sollte den Kapitalabfluss aus den EM lindern“, so Brewin.

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Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

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