Arabica entkoppelt sich von Korrelationen: Brasilien greift ein
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Auf den ersten Blick scheint es wenig Sinn zu machen, den Preis für Kaffee in Beziehung zu Aktienindizes zu setzen. Schließlich handelt es sich um sehr unterschiedliche Anlageklassen. Dennoch weisen sie im allgemeinen eine positive Korrelation auf: Steigen Dax und Dow Jones, legen auch die Notierungen der schwarzen Bohnen zu. Steigende Aktienkurse deuten auf eine Belebung der Wirtschaft hin, wodurch letztendlich auch die Kaffeenachfrage profitiert. Dieses Muster ist auf Dauer der vergangenen 12 Monate zu beobachten. Doch damit scheint vorerst Schluss zu sein: Im vergangenen Monat trat eine Entkoppelung der positiven Korrelation ein,die Kurse entwickelten sich gegenläufig. Während die Indizes stagnierten oder moderat zulegen konnten, sackte der Kaffeepreis ab.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage nach den Gründen für diese Anomalie. Derzeit notiert Kaffee der Sorte Arabica an der ICE (US) mit etwa 1,26 US-Dollar pro Pfund nahe einem 6-Wochen-Tief. Auf Sicht eines Jahres steht dennoch ein Plus von annähernd 15 Prozent zu Buche. Deutlich schlechter hat sich die bevorzugt an der LIFFE in London gehandelte Sorte Robusta entwickelt, die auf Sicht von 12 Monaten etwa 8 Prozent niedriger notiert. Arabica wird wegen des geringeren Gehalts an Bitterstoffen vor allem in der Gastronomie und im gehobenen Endkundensortiment abgesetzt. Der überwiegende Anteil der Robustabohnen dient der Herstellung von Kaffeemischungen und von Instantkaffee. Wichtigste Anbauregion für Arabica ist Südamerika, in Afrika und Asien wird hauptsächlich Robusta erzeugt.
Als Erklärung für den Preisverfall bei Arabica führen Branchenkenner beinahe einhellig den besser als erwartet ausgefallenen Ernteverlauf in den beiden größten Erzeugerländern Brasilien und Kolumbien an. Ungünstige meteorologische Bedingungen während der Pflanz- und Reifungsphase hatten zuvor Angebotssorgen aufkommen lassen. Durch das Ausbleiben von Regenfällen während der wichtigen Trocknungsphase seien Befürchtungen über einen Einbruch des brasilianischen Angebots auf 39 Millionen Sack (je 60 Kilo) zerstreut worden. Und auch in Kolumbien scheint sich die Lage nach einem bisher schlechten Jahresverlauf zu verbessern, ab Oktober sei mit einer Normalisierung der Produktion zu rechnen, lässt die „National Federation of Coffee Growers“ wissen. Insgesamt werde das Land eine Jahresernte von etwa 10,3 Millionen Sack nach 11,7 Millionen Sack im Vorjahr einbringen.
Bei den Investoren lösten diese Nachrichten eine Verkaufswelle in Long-Positionierungen auf Arabica aus. Der Spread zwischen den Arabica- und Robustannotierungen hat sich gegenüber den Jahreshöchstständen halbiert. Auf dem Höhepunkt des Abverkaufs ist das „open interest“ (USA) in Arabica-Kontrakten auf nur noch 75 Prozent des Vorjahresstandes eingebrochen. Das „open interest“ bezeichnet die Gesamtheit der Kontrakte, die weder geschlossen, liquidiert noch ausgeliefert sind. Die extreme Reaktion des Marktes auf im Grunde wenig spektakuläre Nachrichten zeigt deutlich, dass Teile des diesjährigen Preisauftriebs lediglich durch kurzfristige Spekulationen bedingt wurden.
Eine Rolle mag dabei auch der Ertragszyklus des Kaffeestrauchs gespielt haben: Jedes zweite Jahr fallen die Erträge biologisch bedingt besonders hoch aus. Sowohl in Brasilien als auch in Kolumbien befindet sich der überwiegende Teil der Pflanzungen derzeit im niedrigen Ertragsstadium. Im kommenden Jahr ist demnach mit einer deutlichen Ausweitung der Erntemengen zu rechnen. Offenbar befürchteten einige Marktteilnehmer, dass die positive Überraschung der laufenden Ernte sich im kommenden Jahr fortschreiben könnte. Das hätte aller Voraussicht nach einen mittelfristigen Verfall der Notierungen zu Folge.
Diese Befürchtung teilen nicht nur Investoren, sondern auch die brasilianische Regierung. Bis zum kommenden Jahr wolle das Land 10 Millionen Sack vom Markt nehmen, teilte der Landwirtschaftsminister Reinhold Stephanes vor 14 Tagen mit. Dazu sollen physische Bestände aufgekauft und eingelagert werden. Daneben werde den Produzenten wie bereits in der Vergangenheit die Möglichkeit eröffnet, ihre Verbindlichkeiten bei staatlichen Körperschaften durch die Lieferung von Bohnen abzulösen. Auch wenn die Maßnahme an sich nicht neu ist, erstaunt die hohe Zahl von 10 Millionen Sack dennoch. Die Zahl entspricht mengenmäßig nahezu der gesamten Arabica-Ernte Kolumbiens. Noch vor zwei Wochen hatten die Brasilianer eine Kehrtwende in der Kaffeepolitik vollzogen: Die bisher vom Staat über Marktpreis erworbenen drei Millionen Sack wurden an die Produzenten zurück verkauft. Die dabei entstehenden Verluste seien geringer als die Lagerkosten, hieß es zur Begründung. In den Medien war daraufhin von einem möglichen Ende der staatlichen Eingriffe die Rede. Tatsächlich werden die Eingriffe nun aber allem Anschein nach massiv ausgeweitet.
Sollte die Regierung ihren Ankündigungen wirklich nachkommen, wäre auf Grund der künstlichen Angebotsverknappung mit kurzfristig steigenden Notierungen für Arabica zu rechnen. Aber auch Robusta könnte profitieren, wenn eine erneute Ausweitung der Spreads zwischen den beiden Sorten zu Umschichtungen von institutionellen Investoren führt. In Verbindung mit weiter steigenden Aktienmärkten halten Experten wie Mark Hansen, Chefhändler der CPM Group, einen Anstieg um mehr als 20 Prozent bis zum Jahresende für möglich. Er prognostiziert einen Preis von 1,55 US-$ pro Pfund Arabica. Die Notierungen für Robusta sieht er auf 1.600 US-Dollar pro metrische Tonne ansteigen. Somit bestehen gute Chancen, dass Arabica nach dem Abverkauf des vergangenen Monats wieder an Fahrt gewinnt.
Dabei sollten auch die intakten Fundamentaldaten den Notierungen Unterstützung bieten. Nach Berechnungen der „International Coffee Organisation“ (ICO) werden die Mitgliedsländer der Produzentenvereinigung in der Saison 2008/2009 etwa 126,7 Millionen Sack Kaffe ernten. Den Produktionszahlen stehe ein Verbrauch von 130 Millionen Sack im Kalenderjahr 2008 gegenüber, gibt die ICO zu bedenken. Seit dem Jahr 2000 habe der Konsum jährlich um durchschnittlich 2,6 Prozent zugelegt. Vor allem die Nachfrage aus China entwickelt sich prächtig: Der japanische Händler Marubeni hält Wachstumsraten von 20 Prozent pro Jahr für möglich. Die amerikanische Kaffeekette Starbucks glaubt, die chinesischen Konsumenten hätten das Potential, den zweitgrößten Markt nach den USA zu bilden. Diese Ansicht scheint auch eine zunehmende Zahl von Investoren zu teilen: Positiv aufgenommene Wirtschaftszahlen aus China wirken sich in letzter Zeit regelmäßig preistreibend auf die Kaffeenotierungen aus.
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