Kommentar
10:31 Uhr, 01.06.2012

Anleitung zum Geldverdienen

Wie werde ich möglichst schnell reich? Teil I

Von Clemens Schmale

Für viele liegt die Antwort auf der Hand: durch Trading, ganz klar! Die meisten, die so reagieren werden zunächst aber erst einmal arm, bevor der neue Porsche vor der Tür steht. Davor soll Sie diese Artikelserie bewahren, die auch für Fortgeschrittene einige interessante Themen bereithält.

Je länger ich mich mit Charttechnik beschäftige, desto häufiger werde ich gefragt, wo der nächste ganz große Gewinn lauert. Inzwischen habe ich mir angewöhnt, solche Fragen wie ein Politiker zu beantworten, also nebulöse Ausführungen, die konkret klingen, aber inhaltsleer sind. Das hat einen ganz einfachen Grund. In vielen Gesprächen habe ich festgestellt, dass diejenigen, die nach dem Trade ihres Lebens suchen, überhaupt kein Interesse an den möglichen Risiken haben. Dass eine Analyse in der Charttechnik immer konditional ist, könnte da gar nicht unbedeutender sein. Was zählt, ist der Basiswert. Sobald ich einen Basiswert genannt habe, beginne ich ins Leere zu reden. Der Wunsch nach schnellem Reichtum ist natürlich legitim – wer hatte diesen Traum nicht selbst schon einmal?

Trading ist diesbezüglich allerdings nicht wirklich das richtige Vehikel, schließlich verlieren mehr als 9 von 10 Tradern systematisch Geld. Dafür gibt es viele Gründe. Einige davon können Sie selbst beeinflussen, andere wiederum entziehen sich fast komplett jeglicher Steuerung. Zu letzterem gehört z.B. die Natur des Marktes. Die generelle Meinung ist, dass der Markt ein Nullsummenspiel ist. Das stimmt nicht. Der Markt ist ein „Minussummenspiel.“ Der Erwartungswert aller Marktteilnehmer ist also nicht 0 sondern negativ. Das klingt abstrakt, hat aber ganz praktische Auswirkungen für jeden Trader. Das Prinzip kann man sich wie eine Wette vorstellen, etwa eine Wette auf den Goldpreis. Der Gewinner der Wette bekommt 1.000 Euro, der Verlierer zahlt 1.000 Euro. So funktionieren die Märkte allerdings nicht. In der Realität zahlt der Verlierer 1.050 Euro und der Gewinner bekommt lediglich 950 Euro. Die 100 Euro Differenz gehen im wahrsten Sinne des Wortes an die Bank, durch Gebühren, Finanzierungskosten, Slippage usw. Vor allem für kleine Depots ist das eine fiese Falle. Da die meisten Trading Neulinge zu allererst an den großen Gewinn denken, werden diese Kosten ignoriert. Das ist ein Fehler, wie das folgende Beispiel zeigen soll:

Stellen Sie sich vor, Sie haben ein Depot von 10.000 Euro und machen durchschnittlich einen Roundtrade pro Woche. Ein Roundtrade ist der Kauf und Verkauf, der Sie z.B. jeweils 5€ kostet. Pro Woche kommen so Kosten von 10€ auf Sie zu. Bei 52 Roundtrades im Jahr sind das 520€ oder 5,2% Ihres Depots. Das muss erst einmal verdient werden, ganz unabhängig davon, dass nicht jeder Trade mit Gewinn geschlossen werden kann. Nehmen wir weiter an, dass Sie in 40% der Fälle 5% verlieren und in 60% der Fälle 10% gewinnen. Ist Ihre Positionsgröße bei 5% Ihres Depots, dann steht einem Gewinn von 1.560€ ein Verlust von 520€ gegenüber. Dieser Gewinn von 1.040 ist aber nur das Doppelte Ihrer Spesen. Sie haben unterm Strich 520€ verdient. Für viel Aufwand bekommen Sie relativ wenig, gerade einmal 5,2%. Mit einer Trefferquote von 60% und einem Chance-Risiko-Verhältnis von 2 sind Sie dabei schon unter den guten Trading Anfängern. Gerade Anfänger haben aber ganz andere Quoten und CRVs. Wird das Problem erkannt, wird meist an Positionsgrößen und Tradingfrequenz herumgeschraubt. Das kann Sinn machen, führt aber selten zu besseren Ergebnissen. Wenn Sie die Positionsgröße verdoppeln und nur halb so viel traden, kommen Sie bei gleicher Trefferquote und CRV auf 780€ Gewinn. 7,8% ist schon besser. Was aber, wenn die 10 Verlusttrades gleich am Anfang des Jahres hintereinander kommen? Sie würden zunächst 624 Euro verlieren. Um am Ende des Jahres dennoch die 7,8% zu erhalten, müssen Sie Ihre Positionsgröße nach oben anpassen und nun ca. 11% des Kapitals in einen Trade stecken. Das klingt zunächst gar nicht so schlimm. Die realen Bedingungen an der Börse sind aber leider nicht so einfach. Wenn Sie eine Pechsträhne haben und Ihr Depot verliert 20% steigt die Positionsgröße auf 12,5%. Das sind maximal 8 Positionen, die Sie gleichzeitig eingehen können. Damit schränken Sie sich stark ein. Sie können weniger diversifizieren und weniger Chancen nutzen. Vielleicht ist auch noch Kapital in Verlustpositionen gebunden und Sie können die notwendigen Trades gar nicht durchführen. Der Kernpunkt ist also, dass einfach eine Erhöhung der Positionsgröße keinen Vorteil bringt, wenn Sie das damit steigende Risiko berücksichtigen.

Was können Sie also tun? Sie könnten die Verluste reduzieren, die Gewinne steigern und weniger Traden. Auf dem Papier ist das einfach. Wir können uns ausrechnen, welches CRV und welche Trefferquote wir brauchen, um unser gewünschtes Ziel zu erreichen. Ein CRV von 4 auf dem Papier muss jedoch erst einmal umgesetzt werden. Verringern Sie das Verlustpotential eines Trades kann es etwa passieren, dass Sie zu früh aus dem Markt gedrängt werden und damit Ihre Trefferquote von 60% auf 40% sinkt. Das ist per se nicht schlecht. Bleibt nun Ihr zu erwartender Gewinn allerdings bei 10% pro Trade bei 52 Trades im Jahr, bleiben unterm Strich trotz einer Halbierung des Verlusts pro Trade und einem CRV von 4 nur 130€ übrig. Nun könnte man einwerfen, dass man ja auch einfach das Risiko bei 5% belassen und die Chance auf 20% erhöhen kann. Ein guter Gedanke. Bei einer durchschnittlichen jährlichen Rendite des Dow Jones in den letzten 52 Jahren von 6,2% ist das allerdings ambitioniert, schließlich müssen 20% pro Trade her. Gehen wir davon aus, dass das mit einer Trefferquote von 40% tatsächlich möglich ist, dann bleibt Ihr Gewinn trotzdem bei 780 Euro. Trotz des Hin und Hers von Positionsgröße, CRV und Tradingfrequenz stecken Sie irgendwo zwischen 5,2 und 7,8% fest. Sie merken, die Sache mit den hohen Gewinnen ist nicht so leicht und dabei wurde in den Beispielrechnungen so etwas wie Slippage noch gar nicht berücksichtigt. Slippage wird gerne gar nicht in der eigenen Gewinn und Verlustrechnung berücksichtigt, obwohl die Kosten teils erheblich sein können. Slippage ist letztlich die Differenz zwischen den von Ihnen gewünschten Ausführungspreis einer Order und dem tatsächlichen. Gründe für Abweichungen dieser beiden Preise gibt es viele, z.B. geringe Liquidität des Basiswertes. Oft halten sich die Kosten hier in Grenzen. In einigen Fällen kann Slippage zu erheblichen Renditereduktion führen, vor allem bei Derivaten. Ich handelte einmal ein KO Zertifikat mit einem 70er Hebel, weil ich erwartete, dass die Pressekonferenz der Fed den Kurs des Währungspaares GBP/USD in meine Richtung bewegen würde. Das geschah tatsächlich. Der Schein gewann innerhalb von Minuten fast 100%. Ich wollte diesen Gewinn entsprechend schnell realisieren. Die Ausführung wurde jedoch mehrmals im Over The Counter Handel von der Bank abgewiesen. Letztlich lag der realisierte Gewinn bei 80%. Slippage kann also ganz schön „reinhauen“. Richtig ärgerlich wird es, wenn man eine Longposition loswerden möchte, während der Kurs des Basiswertes gerade kollabiert. Versuchen Sie das mal zu einem vernünftigen Preis!

Gerade Anfänger, aber auch erfahrene Trader tappen immer wieder in die Falle, sich riesige Gewinne vorzustellen. Man träumt von 50% oder gar 100%. Mit 5.000 Euro Gewinn auf das 10.000 Euro Depot in einem Jahr, da kann man schon einen schönen Urlaub machen. Solche Gewinne lassen sich nur realisieren, wenn man entsprechend hohes Risiko eingeht. Den meisten geht es dann so, dass sie im ersten Jahr 30% verlieren, dann noch höhere Risiken eingehen, um das verlorenen Geld zurück zu gewinnen und nochmals 40% verlieren. Wer bei sich selbst bemerkt, dass sich die Tradingfrequenz auf wundersame Weise ohne nennenswert bessere Chancen erhöht, der sollte auf absehbare Zeit erst einmal mit dem Spekulieren aufhören.

Was also tun? Gerade für kleine Depots ist das erste Ziel der Kapitalerhalt und Aufbau der Kapitalbasis. Das heißt nicht, möglichst hohe Risiken einzugehen, um rasch zu einer Kapitalbasis von 20.000 Euro zu kommen. Ein solcher Versuch endet ziemlich sicher bei 5.000 statt bei 20.000 Euro. Es führt kein Weg daran vorbei, seine Erwartungen anzupassen. So schön der Traum vom neuen Porsche auch ist, so schnell wird er sich nicht erfüllen. Für viele ist das unbefriedigend. Das liegt vor allem daran, dass Anleger in sehr kurzen Zeitfenstern denken. Wir wollen die 5.000 Euro zusätzlich sofort und nicht erst in 3 Jahren oder in 5,5 Jahren bei einer Rendite von 7,8% pro Jahr. 7,8% klingt nicht sonderlich viel, schlägt aber noch immer den langjährigen Durchschnitt, der mit Aktien zu erzielen ist. Und wer einen etwas längeren Zeithorizont als ein Jahr hat, kann aus 10.000 Euro und 7,8% sehr viel machen. (An dieser Stelle erspare ich Ihnen allerdings die Rechnung, was passiert wäre, hätte man einen Cent zu Jesu Geburt bei 1,5% angelegt... oder auch nicht – es wären jetzt über 102 Milliarden Euro.)

Wer mit dem Traden beginnen möchte, sollte sich darüber im Klaren sein, dass Trading Arbeit bedeutet.Große und schnelle Gewinne sind nicht unmöglich, werden aber von ca. 99,98% der Trader nicht erreicht. Sie werden mehr Erfolg haben, wenn Sie sich nicht darauf konzentrieren zu den 0,02% zu gehören, sondern zu den 10%, die konstant jedes Jahr 10-15% Rendite erwirtschaften. Auch das kommt nicht von selbst, ist aber absolut realistisch. Dabei geht es nicht so sehr darum möglichst komplexe Anlagestrategien zu entwerfen sondern vielmehr darum bestimmte Fehler zu vermeiden. Das reicht häufig schon aus, um eine gewisse Mindestrendite zu erzielen. Genau um diese Tricks wird es im Rest der Artikelserie gehen.

Das oberste Gebot ist immer zuerst an Kapitalerhalt zu denken, dann erst an die Ziele Kapitalaufbau und hohe Gewinne. Viele beginnen mit dem dritten Ziel zuerst. Das liegt nur allzu oft an falschen Vorstellungen. Die Gewinner von Börsenspielen erreichen ja auch in zwei Monaten eine Performance von 2.245%. Da kann einem der Mund schon wässrig werden. Auch wenn man als Trader bisher keinen Erfolg hatte, ein solches Ergebnis zeigt, es geht, es ist möglich tausende Prozent zu machen. Anleger vergessen dabei, wie so etwas zustande kommt. Es wird kein echtes Geld gewonnen oder verloren. Daher ist die Logik, um ein Börsenspiel zu gewinnen ganz einfach: maximales Risiko, da kein realer Verlust getragen werden muss. Geht es gut, gewinne ich, geht es schief, macht das nichts. Dass so unter 7.000 Teilnehmern einige durch diese Strategie eine überirdische Performance bringen, verwundert nicht. Das ist kein Können, sondern einfach nur Glück.

In realen Depots sind solche Renditen in so kurzer Zeit wahrscheinlich seltener als Lottojackpots. Da helfen auch keine Finanzgurus oder Penny Stocks. Und damit bin ich beim zweiten wichtigen Thema für Trading Neulinge: die Motivation. Wer langfristig erfolgreich traden möchte, muss sich über seine Motivation im Klaren sein. Die meisten traden nämlich nicht, weil sie konstant Geld verdienen wollen, sie traden, um zu spielen. Wenn Sie mit dem Trading begonnen haben, weil Sie tausende Prozent Performance in kurzer Zeit im Sinn hatten, dann hat das nichts mit Trading zu tun, sondern mit Glücksspiel.Es geht darum zu wetten und zu gewinnen, Recht zu haben. Das kann sogar eine Zeit lang gut gehen bis auf einmal durch eine Pechsträhne das Depot einen „Drawdown“ von 40% oder mehr erlebt. Um wieder in die verlustfreie Zone zu kommen, müssen jetzt 66,67% an Performance gebracht werden. Das setzt viele stark unter Druck. Obwohl man weiß, dass Jahresgewinne von 30 oder 40% sehr unwahrscheinlich sind, denkt man, jetzt spekulieren zu müssen. Wie sonst soll dieser Verlust jemals wieder wettgemacht werden? Der Gedanke daran mehrere Jahre zu benötigen, um das Depot wieder in den grünen Bereich zu bekommen, ist für die meisten unerträglich. Man geht weiter hohe Risken ein. Vielleicht schafft es das Depot auf -15% in kurzer Zeit. Sie wussten es! Dann kommt eine Verluststrecke. Das Depot-Minus beläuft sich jetzt auf 50%. Also braucht man jetzt schon 100% um wieder auf 0 zu kommen. So setzt sich der Teufelskreis fort, bis das Geld entweder weg ist oder vor dem Bankrott doch noch die Vernunft einsetzt. Es ist frustrierend, keine Frage. Es ist aber nie zu spät noch auf eine sinnvolle Tradingstrategie umzusteigen. Besser spät als gar nicht gilt hier allemal.

Um erfolgreich zu sein brauchen Sie mehrere Dinge: zuallererst brauchen Sie ein gewisses Basiswissen, dann eine Strategie mit klaren Zielen und Regeln (ein dazu passendes Risiko- und Moneymanagement), Kostenkontrolle und Selbstkontrolle. Wie sich so etwas in der Praxis zusammenfügen kann, möchte ich Ihnen im zweiten Teil der Serie vorstellen.

Viel Erfolg

Clemens Schmale

Technischer Analyst bei GodmodeTrader.de

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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