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10:40 Uhr, 02.08.2012

Anleihenkäufe: Draghis Mehrheit im EZB-Rat bröckelt

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Frankfurt/ Berlin/ Mailand (BoerseGo.de) – „Die EZB wird alles tun, was zum Schutz des Euro notwendig ist, und glauben Sie mir, das wird genug sein“. An diesen Worten der vergangenen Woche muss sich der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, heute messen lassen. Der Rat der EZB tritt am frühen Nachmittag in Frankfurt zusammen, und auf der Tagesordnung steht abermals: Die Rettung des Euro.

Die Anzeichen verdichten sich, dass Draghi ein neues Programm zur Unterstützung der gebeutelten Länder Spanien und Italien auflegen wird. Laut "Süddeutscher Zeitung" (Donnerstag) plant der EZB-Präsident eine konzertierte Aktion von EZB und dem künftigen Euro-Rettungsschirm ESM für den ausgiebigen Ankauf von Staatsanleihen. Draghi sieht demnach vor, dass beide Institutionen den Kauf von Staatsanleihen etwa aus Spanien oder Italien koordinieren sollen, um so die Zinslast dieser Länder einzudämmen. Dabei würde der ESM den Regierungen in kleinerem Umfang direkt Anleihen abkaufen, während die Notenbank zugleich Papiere erwirbt, die bereits auf dem Markt gehandelt werden.

Der Einsatz der EZB ist nichts Neues. Sie hat schon massiv Staatspapiere gekauft, für insgesamt 211 Milliarden Euro. Seit dem Frühjahr steht das Kaufprogramm allerdings auf Halde. Vor allem die Deutsche Bundesbank hatte Einspruch erhoben: Die Maßnahme sei für die Regierungen der angeschlagenen Staaten quasi umsonst. Diese müssten nichts dafür tun, keine wirtschaftlichen Reformen vorlegen, keine Pläne für einen ausgeglichenen Haushalt, so die Kritik aus Frankfurt.

Die "Süddeutsche Zeitung" schreibt weiter, es gebe im Rat eine Mehrheit für Draghis Doppelmodell. Entscheiden werde der Rat aber vermutlich erst Mitte September. Die italienische Zeitung "La Repubblica" meldet am Donnerstag demgegenüber, im EZB-Rat rege sich Widerstand gegen die geplanten Anleihenkäufe. Demnach seien 7 Ratsmitglieder gegen Anleihekäufe, 4 Ratsmitglieder zeigten sich noch unentschlossen. 11 Mitglieder sind für das Programm. Neben Bundesbank-Präsident Jens Weidmann und dem deutschen EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen sind laut der italienischen Zeitung die Vertreter von Österreich, Luxemburg, Finnland, Estland und den Niederlanden gegen Anleihekäufe der EZB.

Vor der Sitzung des EZB-Rates wird auch der Unmut deutscher Politiker zu den EZB-Plänen lauter. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt hat die Notenbanker davor gewarnt, erneut Staatsanleihen auf dem Sekundärmarkt zu kaufen. Dobrindt sagte der „Bild“-Zeitung: "Wenn die EZB Staatsanleihen kauft, wäre das Staatsfinanzierung durch die Hintertüre. Damit verlässt die EZB den Pfad der Geldwertstabilität." Auch der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach hat sich gegen den Aufkauf von Staatsanleihen durch die EZB ausgesprochen. „Am einfachsten machen es sich diejenigen, die glauben, dass man mit immer neuen Schulden eine Staatsschuldenkrise wirklich bekämpfen könnte,“ sagte Bosbach am Donnerstag im ARD-"Morgenmagazin". Wenn man jetzt den Zinsdruck nähme, ließe die Reformbereitschaft nach. Die bessere Alternative sei „konsolidieren und reformieren.“

FDP-Finanzexperte Frank Schäffler kritisierte in einem Interview mit dem „Handelsblatt“ die EZB: Die Notenbank entwickele sich zu einem Staate im Staat, frei von jeder rechtlichen und politischen Verantwortung. Sie agiere im gesetzfreien Raum, ihr Handeln richte sich nicht mehr auf Preisstabilität, sondern nach den politischen und nationalen Interessen ihrer Führungsriege", zitiert die Zeitung den Abgeordneten. Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands deutscher Banken, erklärte am Donnerstag hingegen, die Euro-Zone befinde sich in der Krise. In einer solchen Notsituation müsse man auch daran denken, dass die EZB ihre Staatsanleihen-Käufe wieder aufnehme.

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Über den Experten

Bernd Lammert
Bernd Lammert
Finanzredakteur

Bernd Lammert arbeitet als Redakteur seit 2010 bei der BörseGo AG. Er ist studierter Wirtschafts- und Medienjurist sowie ausgebildeter Journalist. Das Volontariat absolvierte er noch beim Radio, beruflich fand er dann aber schnell den Weg in andere Medien und arbeitete u. a. beim Börsen-TV in Kulmbach und Frankfurt sowie als Printredakteur bei der Financial Times Deutschland in Berlin. In seinen täglichen Online-Berichten bietet er Nachrichten und Informationen rund um die Finanzmärkte. Darüber hinaus analysiert er wirtschaftsrelevante Entscheidungen der obersten deutschen Gerichte für eine Finanzagentur. Grundsätzlich ist Bernd Lammert der Ansicht, dass aktuelle Kenntnisse über die Märkte sowie deren immanente Risiken einem keine Erfolge schlechthin garantieren, aber die Erfolgschancen deutlich erhöhen können.

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