Kommentar
16:21 Uhr, 31.10.2022

Anleihen: Ist es das Risiko wieder wert?

Ob USA, Europa oder Japan, Anleihen mit langen Laufzeiten erleben das schlechteste Jahr in Jahrhunderten. Was tief fällt, steigt auch wieder, aber ist es jetzt schon Zeit einzusteigen?

Erwähnte Instrumente

  • iShares $ Treasury Bond 20+yr UCITS ETF Dist. USD - WKN: A12HL9 - ISIN: IE00BSKRJZ44 - Kurs: 3,635 € (L&S)

Der US-Anleihemarkt erlebt 2022 sein bisher schlechtestes Jahr. In über 200 Jahren lag die Gesamtrendite (Kursbewegung, Kupon) noch nie so tief. Selbst in der Hochzinsphase der 70er Jahre konnten Anleihen besser performen (Grafik 1).


Genau darin liegt das Problem. Die Zinsen waren in den 70er Jahren hoch. Die Kursverluste konnten durch die Zinszahlungen zum Teil wettgemacht werden. Die Performance war daher weniger negativ als heute, obwohl die Kurse von Anleihen noch deutlich tiefer fielen als jetzt (Grafik 2).

Der langfristige Kursverlauf zeigt, wie viel Risiko noch in den Kursen von Anleihen steckt. Dabei müssen die Renditen nicht einmal wieder das zweistellige Niveau der 70er Jahre erreichen. Die Rendite 10-jähriger US-Anleihen erreichte bereits mehr als 4 %. Ein Anstieg auf 6 % ist nicht auszuschließen. Dies würde den Kurs um weitere 15 % drücken.

Damit steckt in den Kursen von Anleihen nicht weniger Risiko als in den Kursen von Aktien. Ein vorstellbares Tief im Falle einer Rezession wird beim S&P 500 im Bereich von 3.300 Punkten gesehen. Dieser Wert liegt weniger als 15 % unter dem bisher erreichten Verlaufstiefs des Bärenmarktes.

Trotz des Kursrisikos kaufen Anleger wieder vermehrt Anleihen. Der iShares 20+ Jahre US-Anleihe-ETF war noch nie so beliebt wie jetzt. Die Anzahl ausstehender Anteile hat sich in diesem Jahr mehr als verdoppelt. Der Großteil der Käufe fand in den vergangenen Wochen statt.

iShares $ Treasury Bond 20+yr UCITS ETF USD (Dist)
Statischer Chart
Live-Chart
Chart in stock3 Terminal öffnen
  • ()
    L&S
    VerkaufenKaufen

In dieser Zeit haben Anleihen weiter verloren. Der jüngste Rückgang der Renditen und damit Kursanstieg kann man kaum als Trendwende wahrnehmen (Grafik 3). Dass Anleger dennoch Anleihen kaufen, zeigt, dass Renditen von 4 % als attraktiv wahrgenommen werden, unabhängig vom Kursrisiko.


Ob man als Anleger mit Anleihen mit langer Laufzeit eine gute Performance erzielt, hängt vor allem von einem Faktor ab: Inflation. Inflation und Performance sind negativ korreliert. Besonders schön zeigte sich das in den 70er Jahren (Grafik 4). Hohe Inflation bedeutet höhere Zinsen und Anleiherenditen ziehen mit dem Leitzins nach oben.

Ohne einen substanziellen und nachhaltigen Rückgang der Inflationsrate sind Kursgewinne mit Anleihen unwahrscheinlich. Kurzfristig haben die Kurse Potenzial, da global eine Notenbank nach der anderen die Zinswende verlangsamt. Mittelfristig hängen die Kurse am weiteren Verlauf der Inflationsrate.

Geht diese, wie von einigen Indikatoren impliziert, zurück, können mit Anleihen mit langer Laufzeit in den kommenden Monaten gute Gewinne erzielt werden. Im besten Fall sind die Gewinne solide im zweistelligen Bereich.

Clemens Schmale

Transparenzhinweis: Die im Artikel vorgestellten Derivate werden durch die Redaktion ausgesucht. Wir arbeiten aber mit ausgewählten Emittenten zusammen, die mit der stock3 AG in einer Geschäftsbeziehung stehen.

Bitte beachte: Der Handel mit Derivaten ist mit einem erheblichen Risiko verbunden und kann unter Umständen zum Totalverlust des eingesetzten Kapitals führen.

Keine Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen

Das könnte Dich auch interessieren

Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

Mehr über Clemens Schmale
  • Makroökonomie
  • Fundamentalanalyse
  • Exotische Basiswerte
Mehr Experten