Anleihekurse deutlich unter Nennwert
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Es ist kein guter Zeitpunkt, um Anleihen zu verkaufen. Zwar sind die Märkte in der Tat gerade gut gelaufen, dennoch sind wir der Meinung, dass diese Ansicht immer noch zutrifft, zumindest aus taktischer Sicht. Entscheidend ist, dass die Anleihekurse stark gefallen sind. Das zeigt sich auf Indexebene. Einige Indexanbieter geben einen gewichteten Durchschnittskurs aller im Index enthaltenen Anleihen an. In den vergangenen Jahren lagen die Durchschnittskurse deutlich über 100, da die Zinsen unter die Kupons gefallen sind, zu denen die Anleihen ursprünglich ausgegeben wurden. Tatsächlich war der Abstand zwischen der Rendite auf Endfälligkeit (Yield to maturity) und dem gewichteten Kupon auf ein Rekordtief gefallen (Renditen weit unterhalb der Kupons). Dies kehrt sich nun um und die Kurse sind entsprechend zurückgegangen. Das bedeutet, dass die Nachbildung eines Referenzindex oder die Zusammenstellung eines konzentrierteren Portfolios die Möglichkeit bietet, viele Anleihen weit unter Nennwert zu kaufen. Unter der Annahme, dass die meisten von ihnen zu 100 Prozent zurückgezahlt werden, können die Renditen erheblich sein, sobald der Markt dreht. Pull-to-Par, die Entwicklung hin zum Nennwert, ist – ähnlich wie der Zinseszins – eine der Besonderheiten von Anleiheinvestments.
Seltenes Kursniveau
Eine spannende Unterkategorie bei Anleihen sind US-High-Yields. Mit der Bank of America/ICE-Index als repräsentative Benchmark ist der Durchschnittskurs kürzlich auf 90,6 gefallen. In den vergangenen zwanzig Jahren gab es nicht viele Phasen, in denen der Kurs niedriger war – beim Covid-Schock 2020 (Tiefstwert bei 78), bei den Wachstumsängsten in 2015 (Tiefstwert bei 84), während der globalen Finanzkrise 2008-09 (Tiefstwert bei 55) und in der Rezession nach dem Y2k-Abschwung (Tiefstwert von 75). Jedes Mal waren die zwölf- bis 24-monatigen Kursrenditen anschließend sehr stark. Die Kurse können weiter sinken, aber sie werden nicht niedrig bleiben. Das Ausfallrisiko steigt, aber eine aktive Titelauswahl bedeutet, dass dieses Risiko auf Portfolioebene reduziert werden kann. Es gibt viele Beispiele für niedrige Anleihekurse – sogar bei US-Treasuries, die die Hauptlast der erwarteten Straffung durch die Federal Reserve (Fed) getragen haben. Der sieben- bis zehn-jährige Index wird zu einem gewichteten Durchschnittskurs von 87,8 gehandelt – ein Rekordtief für diesen Index.
Die magische Zahl lautet 100
„Aber die Renditen sind doch immer noch niedrig“ – so lautet der Einwand. Das ist richtig und in den meisten Fällen liegen sie unter der aktuellen Inflationsrate. Allerdings rücken Anleihekurse immer näher an die 100 heran, je näher der Rückzahlungstermin kommt. Auf Indexebene profitieren die Renditen von dieser konstanten Entwicklung hin zum Nennwert und es werden neue Anleihen – mit höheren Kupons – zu 100 ausgegeben. Der Durchschnittskurs steigt also. Wenn die Zinserwartungen wieder zurückgehen, wird dies die Kurse zusätzlich nach oben treiben. Die Gesamtrendite könnte die Inflation in den kommenden Jahren deutlich übertreffen, auch wenn die Rendite auf Endfälligkeit (die annualisierte Gesamtrendite über die verbleibende Laufzeit der Anleihe darstellt) nicht so aussieht, als ob dies der Fall wäre.
Zinshöchststand noch immer unklar
Diese Ansicht stößt auf Widerspruch, denn es besteht keine Übereinstimmung darüber, dass die Zinserwartungen ihren Höhepunkt erreicht haben. Die Zinsen sind höher als im Durchschnitt der vergangenen Jahre und könnten weiter steigen. Bis zur Kursrallye könnte es folglich länger dauern. Mittelfristig sollte der Fokus wahrscheinlich auf jene Anleihen verlagert werden, die real positive Erträge erwirtschaften können. Dies dürfte bei Unternehmensanleihen mit niedrigerem Rating und einigen variabel verzinsten Assets der Fall sein, bei denen die Credit-Fundamentaldaten weiter stark sind. Wir gehen auch davon aus, dass sichere Anleihen (Staatsanleihen) bei höheren Renditen eine bessere Absicherung in den Portfolios bieten können. Es gibt keine überzeugenden Beweise, dass die strukturelle negative Korrelation zwischen den Renditen aus der Durationsallokation (hochwertige Staatsanleihen) und den Erträgen risikoreicher Anlagen (Überschussrenditen bei Unternehmensanleihen und Gesamtrenditen aus Aktien) verschwunden ist. Eine gute Absicherung ist eine lange Duration (30-jährige Treasuries, Gilts oder Bundesanleihen) für den Credit-Ertrag eines Anleihe- oder den Aktienteil eines Multi-Asset-Portfolios. Wenn die Anleiherenditen höher sind, müssen sie sich weiter nach unten bewegen, sofern die Märkte eine Rezession befürchten. Und je länger die Duration der Anleihe-Assets, desto höher die Gesamtrendite.
Abwärts und Aufwärts
Es gibt wenig Gewissheit über den Zeitpunkt einer signifikanten Erholung, da die Fed weiterhin eine restriktive Haltung einnehmen und die Inflation noch einige Monate lang auf ihrem derzeitigen Niveau verharren könnte. Die Markterwartung für den Zinshöchststand könnte weiter steigen. Dennoch bleibt das Renditeprofil ähnlich, es wird nur länger dauern. Der Markt für US-Unternehmensanleihen verzeichnete in den Jahren 1979, 1994, 1999, 2008, 2013, 2015 (geringfügig) und 2018 negative Gesamtrenditen für das Kalenderjahr. Doch jedes Mal wurden im darauffolgenden Jahr hohe positive Erträge erzielt. Auch 2021 waren die Renditen negativ und dieses Jahr könnte, wenn wir uns in einer Art Regimewechsel im Zinszyklus befinden, die Ausnahme von der positiven Umkehr sein.
Aktien weiter im Abwärtstrend
Es ist viel schwieriger, den Wendepunkt bei Aktien zu benennen, da es keinen vergleichbaren Bewertungsanker gibt. In dieser Woche ist der S&P 500 unter 4.000 Punkte gefallen. Vor einigen Monaten schrieben wir, dass unser einfaches Risikoprämienmodell für Aktien darauf hindeutete, dass der Aktienmarkt bei steigenden Treasury-Renditen unter dieses Niveau fallen würde. Damals gingen wir von 2,5 Prozent für die Anleiherenditen aus, was zu einem Indexstand von unter 4.000 beim S&P 500 führte. Bisher wurden die Gewinnprognosen noch nicht zurückgenommen. Wenn das passiert, weil sich die Wirtschaft verlangsamt – mit dem Purchasing Managers Index (ISM-Index) als den wichtigsten Indikator – dann könnten die Aktienkurse weiter fallen. In diesem Fall würde es die positivere Sicht auf Anleihen noch verstärken.
Dollar-Dominanz – noch
Es ist klar, dass ein starker US-Dollar, hohe Rohstoffpreise und die US-Zinsen untrennbar miteinander verbunden sind. Die Menschen brauchen mehr US-Dollar, um die höheren Rohstoffpreise zu bezahlen. Spekulanten setzen mit dem US-Dollar auf Zinsdifferenzen. Das wird sich wohl nicht ändern, bis entweder die Rohstoffpreise zurückgehen – was auf einen Höhepunkt der Inflation hindeutet – oder die US-Notenbank weniger restriktiv wird. In der Zwischenzeit kommt es den USA eher entgegen als dem Rest der Welt, der die Inflation importiert. Die europäische Erzeugerpreisinflation ist mehr als doppelt so hoch wie die jährliche Rate in den USA. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinsen im Juli anheben will, anstatt länger zu warten. Auch die Schwellenländer leiden unter dem stärkeren US-Dollar, der die Inflation und die Zinsen in die Höhe treibt. Das ist nicht gut für das Wachstum und verschärft die sozialen Probleme im Zusammenhang mit den Lebensmittel- und Energiepreisen, was in Ländern wie Sri Lanka deutlich zu sehen ist. Es ist noch zu früh, um gegen den US-Dollar zu wetten, aber wenn sich das Wachstum verlangsamt und der Zinszyklus dreht, wird der US-Dollar wahrscheinlich von seinem derzeit hohen Niveau aus schwächer. Im Vergleich zu den anderen großen Währungen ist er nicht so stark wie in der Vergangenheit. Aber im Vergleich zu den vergangenen Jahren ist er es und das historische Muster zeigt, dass alles, was nach oben geht, auch wieder fallen muss.
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