Kommentar
13:32 Uhr, 17.11.2020

Anleger feiern Double-Dip-Rezession

Rezessionen werden von der Börse selten gefeiert. In dieser Krise ist aber tatsächlich vieles anders.

Noch vor einem Monat war der Ausblick für das vierte Quartal positiv. Die meisten Ökonomen gingen im schlimmsten Fall von einer Stagnation aus. Vier Wochen später ist alles anders. Die zweite Coronawelle führt zu unerwartet strikten Maßnahmen. Manche Länder versuchen es mit einem Lockdown light. In anderen geht es nicht mehr anders, als zu einem Lockdown wie im Frühjahr zurückzukehren. Österreich ist das jüngste Beispiel. Die Zahl der Neuinfektionen ist trotz neuer Maßnahmen weiter gestiegen. Nun wird die Notbremse gezogen. In Italien gelten je nach Region unterschiedliche Regelungen. Die Einschränkungen sind in großen Teilen des Landes inzwischen sehr weitreichend. Für die Eurozone bedeutet das eine zweite Rezession. Nachdem das Wachstum im dritten Quartal bei fast 13 % lag, wird es im vierten Quartal wahrscheinlich im negativen Bereich liegen. Die Schätzungen gehen weit auseinander. Zwischen -2 % und -5 % ist alles möglich. Inzwischen wird auch nicht mehr mit starkem Wachstum im ersten Quartal 2021 gerechnet. Es dürfte sich aber immerhin wieder ein Aufwärtstrend etablieren. Erst im zweiten Quartal ist mit höherem Wachstum zu rechnen. Spätestens dann, im Frühjahr, sollte sich die Lage entspannen.


Die einzelnen Länder sind sehr unterschiedlich betroffen. Finnland wird als einzigem Land ein positives Wachstum zugetraut. In Frankreich könnte das Minus fast 5 % betragen (Grafik 2). Diese Prognosen sind natürlich sehr unsicher. Je nach Dauer der Lockdowns und neuer Maßnahmen in Ländern, die noch nicht soweit sind, können sich die Zahlen stark verändern.

Aber was macht die Börse? Sie steigt. Anfang November, kurz vor den US-Wahlen stellte ich bereits die Hypothese auf, dass die neuerliche Rezession durch die Korrektur im Oktober abgehandelt wurde. An dieser Einschätzung hat sich nichts geändert.

Anleger haben auf den negativen Ausblick reagiert. Beim Dax führte dies zu einem Minus von 15 %. Dank US-Wahlen und Impfstoffhoffnungen wurde dieses Minus fast vollständig ausgeglichen. Auch das wird nicht so bleiben. Der Markt dürfte in einer weiten Range seitwärts laufen.

Es wird immer wieder kleinere Rücksetzer geben. Eine Korrektur wie sie für eine Rezession angemessen wäre, wird es aller Voraussicht nach nicht geben. Strategisch macht es für Anleger keinen Sinn nun alles zu verkaufen. Der Impfstoff ist ja zum Greifen nahe. Anleger blicken weiterhin durch die Misere hindurch.

Kleinere Rücksetzer wird es geben. Das Risiko besteht aber eher auf der Oberseite. Man stelle sich vor, dass plötzlich ein halbes Dutzend Impfstoffe nach der Phase 3 Studie die Erwartungen erfüllen und die Verteilung früher beginnen kann als gedacht. Daher sind vor allem Rücksetzer bei bisher stark gebeutelten Unternehmen z.B. der Reisebranche interessante Einstiegspunkte.

Clemens Schmale


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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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