Analysten / Experten: Einschätzung der Börse I
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Übereinstimmend haben Volkswirte und Analysten aus Europa und den USA heute erklärt, daß nach den jüngsten Terroranschlägen einerseits die Chancen auf weitere Zinssenkungen durch FED und EZB größer geworden sind, angesichts des stark gestiegenen Ölpreisen aber auch die wirtschaftlichen Risiken zugenommen hätten. Mit einer "baldigen weiteren Leitzinssenkung möglicherweise vor dem amerikanischen Offenmarktausschußtreffen am 2.Oktober" rechnet der Volkswirt Uwe Angenendt von der BHF-Bank. Nach seiner Prognose werden die US-Tagesgeldzinsen um weitere 50 Basispunkte zurückgenommen, die EZB könnte dem wenig später folgen. Dieser Ansicht schloß sich sein Kollege Christoph Hausen von der Commerzbank teilweise an. Dieser erklärte, selbst auch von fallenden US-Zinsen auszugehen, er halte es aber auch wahrscheinlich, daß die EZB die "Politik der ruhigen Hand" weiterführen könne. Die EZB hätte neben der Zinspolitik genügend Mittel zur Verfügung, um kurzfristig angemessen reagieren zu können, so Hausen. Das Risiko, daß die US-Wirtschaft in eine Rezession abdriften könne, bezifferte Hausen auf weniger als 50%. Dem schloß sich auch der Präsident des Münchener Wirtschaftsforschungsinstitutes Ifo, Hans-Werner Sinn, an. Beide waren sich aber darüber einig, daß sich der erwartete Konjunkturaufschwung in den USA verzögern werde.Von einer erhöhten weltweiten Rezessionsgefahr sprach dagegen der Chef des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), Rüdiger Pohl.
Britt Beemer, Vorsitzender von America's Research Group, glaubt, dass die Verbraucher für etwa 2 Wochen nichts ausgeben werden und danach weit weniger risikoreich agieren werden. Bei Luxusgütern erwarte er eine Verzögerung von bis zu einem Monat.
Der Deutsche Bank Chefvolkswirt Norbert Walter fordert von der Europäischen Zentralbank eine Zinssenkung, um den Konsum zu stimulieren. Der bekannte Ökonom sieht das Verbrauchervertrauen und in der Folge die Konsumausgaben in Folge der Terroranschläge schwer beschädigt. Im vierten Quartal rechnet der Volkswirt mit negativem Wirtschaftswachstum in den USA, eine Rezession sei sehr wahrscheinlich. In einem Radio Interview weíst er auch auf die Auswirkungen einer Zurückhaltung der amerikanischen Konsumenten auf die europäische Wirtschaft hin. So dürften die deutschen Exporte in die USA beeinträchtigt werden.
Diese Befürchtung - Bunkermentalität - äussert der Managing Director von PIMCO, Bill Gross, der daher die Gefahr einer weltweiten Rezession als erheblich erhöht einstuft. Die Menschen werden in der nächsten Zeit weniger reisen, weniger Kinobesuche machen und mehr zuhause bleiben. Die Gefahr, dass der Konsum wegbreche, besteht nach Aussage des Marktbeobachters. Des weiteren ist er der Meinung, dass die Chance einer zwischenzeitlichen (ausserhalb der regulären Sitzungen) Zinssenkung durch die FED gross sei - vor allem, wenn es zu einem Einbruch der Aktienkurse bei Börsen-Wiedereröffnung komme, so Gross.
Belgiens Finanzminister, dessen Land die aktuelle EU Präsidentschaft innehat, ist der Meinung, dass der Terroranschlag nur einen verhältnismässig geringen Einfluss auf das europäische Wachstum haben dürfte. Gleichzeitig dürfte jedoch die Wachstumsprognose von 2,0% für dieses Jahr in der EU nicht mehr zu halten sein.
Nach einer Internet Umfrage von Harris Interactive beabsichtigen die US Bürger nicht ihre Investitionsentscheidungen oder Ausgabeplanungen durch den Terroranschlag beeinflussen zu lassen. Nur die Einstellung zu Reisen und Flügen könnte sich ändern. Auffällig ist die hohe Differenz zwischen den Erwartungen der Menschen, dass die Aktienkurs stark fallen (42%) und leicht fallen (37%) werden und der Angabe, dass nur 1% der Befragten eigene Aktienverkäufe planen. Andererseits geben 51% der Befragten an, dass Aktien das schlechteste Investment sei.
Der bekannte Analyst Ed Kerschner von der UBS Warburg hat heute erklärt, daß er sein Jahrsendkursziel des S&P 500 für das Jahr 2002 von 1835 Punkten auf 1570 Punkten revidiert habe. Als Grund nannte er einen erwarteten wirtschaftlichen Rückschlag nach den Terrorakten. Insbesondere könnten die Attacken zu einem schwächeren Wirtschaftswachstum, geringeren Unternehmensgewinnen, einem schwachem Dollar und geringeren Haushaltsüberschüssen führen, so Kerschner. Besonders betroffen von der Anschlagsserie seien die Bereiche der Versicherungen und der Fluggesellschaften und die Hotelindustrie, ebenso wie der Einzelhandel, der unter dem zurückgehenden Konsumentenvertrauen leiden könnte. Profitieren von den schockierenden Ereignissen, die nach Ansicht vieler die Welt verändert haben, könnten die Rüstungsindustrie und Unternehmen, die Sicherheitsgeräte herstellen, glaubt Kerschner. Investoren sollen nach Ansicht des Experten die Ruhe bewahren und nicht die Nerven verlieren. Der Aktienmarkt sei nach wie vor "signifikant unterbewertet", daran ändere sich nichts. Aus diesem Grund bleibe Kerschner bullisch eingestellt.
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