Kommentar
19:23 Uhr, 09.03.2016

An den Börsen ist Risiko wieder in!

Weltweit erholen sich fast alle Assetklassen. Ob Energie- oder Industrierohstoffe, ob Aktien oder Anleihen, ob Emerging Markets Währungen oder Immobilien – die Risikofreude ist zurück. Aber wie lange?

Kaum eine Anlageklasse spiegelt die Risikofreude so gut wider wie Anleihen. Konkret geht es um risikoreiche Anleihen (Ramschanleihen, Junk Bonds). Der Preis von Junk Bonds wird vor allem von zwei Faktoren bestimmt: der Konjunktur und dem Zinsumfeld. Das Zinsumfeld spielt für alle Anleihen eine Rolle. Liegt der Leitzins z.B. bei 2 %, dann dürfte es schwierig sein, eine Anleihe mit einer Rendite von weniger als 2 % zu platzieren. Steigen die Zinsen, dann steigen auch die Renditen von Anleihen. Steigende Renditen bedeuten fallende Kurse.

Ramschanleihen sind wie alle Anleihen vom Zinsumfeld abhängig, allerdings deutlich weniger als etwa Staatsanleihen. Ramschanleihen haben oft kurze Laufzeiten. Das Zinsänderungsrisiko ist dadurch geringer als bei langlaufenden Anleihen. Junk Bonds werden auch nicht umsonst mit dem Prädikat Ramsch versehen. Per Definition handelt es sich um risikoreiche Schuldtitel.

Die Schuldtitel sind risikoreich, weil die Emittenten der Anleihen eine niedrige Bonität haben. Sind Unternehmen mit einem niedrigen Rating ausgestattet, welches im Non-Investment Bereich liegt, dann gibt es ein deutlich erhöhtes Risiko für einen Kreditausfall. Das Risiko ist vor allem von der Liquidität der Unternehmen getrieben. Solange die Konjunktur rund läuft erwirtschaften die meisten Firmen ausreichend Cashflow, um ihre Schulden bedienen zu können. Befindet sich die Konjunktur im Abschwung, dann kann auch schon ein kleiner Rückgang des Cashflows dazu führen, dass Anleihen nicht mehr bedient werden können.

Durch die Sensitivität zum Konjunkturzyklus und zu einem geringeren Ausmaß zu den Zinsen spiegeln Junk Bonds zwei Faktoren wider. Sie geben Auskunft darüber, was Anleger von der Konjunktur halten und wie viel Stress auf dem Kreditmarkt herrscht. Steigen die Renditen von Ramschanleihen, dann ist das ein klares Signal für Befürchtungen der Anleger, dass sich die Konjunktur abkühlen könnte. Steigende Renditen wiederum zeigen erschwerte Finanzierungsbedingungen für Unternehmen an. Es ist ein Gradmesser dafür, wie leicht sich Unternehmen Kredit besorgen können.

In den vergangenen Monaten kannten die Kurse von Junk Bonds nur eine Richtung: nach unten. Grafik 1 zeigt den Preis des Junk Bond ETFs JNK (SPDR High Yield Bond ETF). Der Preis fiel zwischen Mitte 2014 und Anfang 2016 und 25 %. Dieser Rückgang war weitaus dramatischer als jener im Jahr 2011, als die Märkte weltweit crashten.

Der Preis von Ramschanleihen ist ein Indikator dafür, wie Anleger den Markt sehen. Kaufen Anleger Junk Bonds und steigen dadurch die Kurse, dann sind sie risikofreudig. Verkaufen sie die Anleihen hingegen, dann herrscht Risikoscheue. Von letzterem hatten wir in den vergangenen Wochen und Monaten ausreichend. Das Bild beginnt sich jedoch zu wandeln.

Die Preise von Ramschanleihen sind bereits ein guter Indikator. Noch besser ist allerdings die Betrachtung der Kapitalflüsse. Ebenfalls in Grafik 1 sind die Kapitalflüsse und die Assets under Management (AUM) abgebildet. Die AUM standen für den SPDR ETF zuletzt bei gut 11 Mrd. Dollar. Anleger haben also 11 Mrd. Dollar in diesem ETF angelegt.

Am 20. Januar lagen die AUM bei 8,3 Mrd. Ende vergangener Woche standen sie bei 11 Mrd. Das entspricht einem Anstieg von einem Drittel. Die Risikofreude hat sich seit dem 20. Januar massiv verbessert, doch das muss noch keine Entwarnung sein. In der zurückliegenden Woche verzeichnete der ETF den größten Kapitalzustrom innerhalb einer Handelswoche, der jemals gemessen wurde. Das sagt auf den ersten Blick vielleicht viel aus, doch auf den zweiten ist das mit Vorsicht zu genießen.

Anleger haben Appetit auf Risiko, daran kann man kaum zweifeln, doch einen ähnlich raschen Sinneswandel konnte man auch im September 2015 beobachten. Der Risikoappetit verschwand relativ rasch wieder. So kann es auch dieses Mal sein.

Grafik 2 zeigt die Kapitalströme von 3 ETFs, darunter auch wieder den Ramschanleihen ETF. Zusätzlich ist ein Öl und Gas ETF abgebildet sowie der SPDR Gold Trust. Während die Korrelation von Gold zu den anderen beiden ETFs in den vergangenen Jahren negativ war, ist sie seit Ende 2014 positiv. Anleger differenzieren nicht zwischen Gold, Öl oder Ramschanleihen. Das ist ziemlich ungewöhnlich.

Die fehlende Differenzierung kann man auch so betrachten: Es wird einfach alles gekauft. Anlegern scheint es nicht so wichtig zu sein, was sie kaufen, sondern vielmehr, dass sie etwas kaufen. Das ist kein nachhaltiges Anlegen. Das Geld, welches in den vergangenen 6 Wochen in den Markt geströmt ist, ist auch ganz schnell wieder weg. Da darf man sich nichts vormachen.

Privatanleger sind trotz der Rallye der letzten Wochen nach wie vor stark bärisch eingestellt. Sie haben die Rallye souverän verpasst. Es kann gut sein, dass sich Privatanleger noch breitschlagen lassen und einsteigen. Dann kann die Rallye noch ein Stück weitergehen. Beginnen institutionelle jedoch wieder zu verkaufen, wenn ihnen Kleinanleger ihre Positionen abnehmen, dann dreht der Trend sehr schnell.

Der Markt ist noch lange nicht über den Berg. Aktuell sehen wir mehr kurzfristige Spekulation als Anlegen aus Überzeugung. Der Wind kann wieder sehr schnell drehen. Persönlich vertrete ich seit Anfang Februar eine bullische Einschätzung. Das darf aber nicht den Blick auf die Fakten verdecken. Derzeit wird der Markt von kurzfristiger Spekulation bewegt. Bis daraus ein solider Aufwärtstrend wird, der von einer positiven Grundüberzeugung der Anleger getragen wird, dürften noch Wochen vergehen. Es ist nicht einmal klar, dass diese Überzeugung erlangt wird. Kann sich diese Überzeugung nicht bald etablieren, dann setzt sich der Abwärtstrend weiter fort.

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2 Kommentare

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  • dschungelgold
    dschungelgold

    So ist es. Zsammengefasst: Chaos! Wie hypnotisierte Kaninchen starren Alle auf FED und Draghi. Daten scheinen ueberhaupt keine Rolle mehr zu spielen. GUTE Daten oder schlechte. Voellig uninteressant. Die Junkies warten auf die Dealer.

    07:38 Uhr, 10.03. 2016
  • hochdietassen
    hochdietassen

    sauber geschrieben !

    19:48 Uhr, 09.03. 2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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