Kommentar
19:23 Uhr, 27.07.2005

Aluminium - Wann kommt der Engpass?

Alles wartet auf den Engpass bei Aluminium, der einfach nicht eintreten will. Hohe Lagerbestände drücken auf den Markt, wobei wenig bekannt ist, wie hoch die nicht gemeldeten Bestände bei den Schmelzereien und deren Abnehmern sind. Dabei spricht vieles dafür, dass Aluminium irgendwann knapp werden sollte. Die hohen Energiekosten, die bei der Schmelzung der Rohstoffe anfallen und die nachgewiesene Knappheit beim Rohstoff Aluminiumoxid (auch Tonerde genannt), sollten nach menschlichem Ermessen irgendwann zum bereits seit längerer Zeit prognostizierten Engpass führen. Die Unbekannte bleibt dabei immer der Aluminiumschrott, der im vergangenen Jahr von China geradezu weggesaugt wurde, weil hier die Energiekosten der Verhüttung nur bei etwa 5% der Gesamtkosten liegen, während der Energiekostenanteil bei der Schmelzung von Tonerde je nach Standort zwischen 15% und 30% ausmacht. Sollte es etwa auf einmal wieder genügend Schrott geben? Beruhigend für den Anleger ist immerhin, dass mit der Zunahme der Strompreise immer häufiger über Produktionsrückgänge berichtet wird. Völlig konträr dazu sind aber Meldungen aus Indien, das gerade jetzt den Aufbau enormer Kapazitäten ankündigt. Wie immer spielen China und Indien eine maßgebliche, aber häufig völlig undurchsichtige Rolle. In China hat die Zentralregierung schon seit Anfang des Jahres die zusätzliche Produktion durch Änderungen der Export/Import-Besteuerung zu beeinflussen versucht. Nachdem bisher Exporte subventioniert wurden, werden jetzt Exportsteuern erhoben. Und Vergünstigungen bei den Importen auf Tonerde erhalten nur noch wenige, ausdrücklich zugelassene Firmen. Damit will man drei Ziele gleichzeitig erreichen: Das in China produzierte Aluminium soll im Lande verbleiben, kleinere Hütten sollen geschlossen und ein Wildwuchs beim Abbau der eigenen Bauxitreserven verhindert werden. Diese Politik wird allerdings durch den Ehrgeiz der Regionalregierungen, die Investitionen weiter vorantreiben, um von der Zentralregierung Unabhängigkeit zu demonstrieren, immer wieder durchkreuzt. In Indien wird sogar von zentraler Seite der Aufbau von Kapazitäten forciert, da Indien einerseits die Rohstoffe zunehmend im eigenen Land verhütten möchte, anderseits aber auch den Aufbau einer gewaltigen Infrastruktur plant. Eine besonders zweifelhafte Rolle spielt in diesen Ländern das Bankensystem. Auf Wunsch von Regierungsstellen werden Vorhaben einfach finanziert, obwohl von vornherein feststehen sollte, dass diese Kredite nie zurückgezahlt werden können.

Tatsache ist, dass die Preisentwicklung von Aluminium gegenüber der anderer Metalle stark zurückgeblieben ist. Seit dem Höhepunkt im vergangenen Jahr ist der Aluminiumpreis sogar um 15% gefallen, während Kupfer beispielsweise trotz angeblich reichlich vorhandener Rohstoffe immer wieder Höchststände erreichte. Aluminium folgt erfahrungsgemäß rein zyklisch einem Anstieg der anderen Metalle mit einer gewissen Zeitverzögerung. Damit das im derzeitigen Zyklus auch so kommt, muss sich schon noch eine ganze Menge tun.

Die Nachfrage

Im vergangenen Jahr schnellte die Nachfrage nach Aluminium-Rohstoffen regelrecht in die Höhe. Das war insbesondere auf den hohen Bedarf der westlichen Schmelzereien zurückzuführen. Nachdem China nahezu den gesamten Weltschrott aufgesogen hatte, waren sie gezwungen, sich mit ausreichend Tonerde und anderen Rohstoffen einzudecken, um der Nachfrage nach Aluminiumprodukten standzuhalten. Außerdem bauten auch die Endkonsumenten ihre Lager kräftig aus. Gerade bei Aluminium war dieser Kampf mit China um die ausreichende Versorgung besonders ausgeprägt. Wir glauben, dass alle Analysten von der inzwischen ausreichenden Versorgung des Marktes überrascht wurden. Man war eigentlich davon ausgegangen, dass die neuerlichen Lagerbestände gerade eben für Produktion und Konsum reichten, nicht aber zu einer Übereindeckung geführt hatten, die jetzt wieder abgebaut werden muss. Im Gegensatz dazu gingen viele Analysten sogar davon aus, dass sich, in Anbetracht des Engpasses bei den Minen, die Lager bei Produzenten und Konsumenten weiter erhöhen müssten. Das war nicht der Fall, vielleicht auch weil die Wachstumsaussichten der westlichen Industrienationen inzwischen wieder nach unten revidiert wurden. Es wurde deshalb mit einer eher zurückgehenden Nachfrage der Industriestaaten gerechnet, die dann auch eine geringere Lagerhaltung erforderlich machen würde. Dagegen boomt die Aluminiumnachfrage in China weiter. Sie wächst trotz des bereits hohen Niveaus wieder mit 10%. Allerdings verfügt China auch über eine ausufernde Produktionskapazität, die wohl ausreicht, um die dort entstandene Zusatznachfrage zu decken. In den westlichen Industrienationen könnte sich das Nachfragewachstum dagegen von 8% im vergangenen Jahr wegen der hohen Lagerbestände auf ca. 4% halbieren.

Das Angebot

Ganz sicher fehlt es nicht an Aluminium-Schmelzereien. Länder, die den Zugang zu niedrigen Energiekosten haben, verfügen dagegen in der Regel nicht über den Rohstoff Aluminiumoxid, und rohstoffreiche Länder leiden unter hohen Energiekosten. Das wird früher oder später zu einem Rückgang der Produktionskapazitäten führen. Außerdem fahren die Rohstoffminen volle Kapazität. Lagerbestände an Tonerde sind dort so gut wie nicht vorhanden. Auch bei den Schmelzereien gehen die Reserven an Rohstoffen wieder zurück. Die Auflösung der vorübergehend zu hohen Lagerbestände sollte also bald abgeschlossen sein. Auch 2006 ist keine deutliche Ausweitung der Minenkapazitäten zu erwarten, so dass die Produktion nicht nur unter den hohen Energiekosten, sondern auch unter Rohstoffmangel leiden sollte. Erst 2007 ist wieder mit einer deutlichen Zunahme bei den Aluminiumrohstoffen zu rechnen. Auch die oben erwähnte Änderung der chinesischen Exportbesteuerung wird irgendwann Wirkung zeigen. Obwohl China nach wie einer der größten Exporteure ist, sind die Exportmengen inzwischen leicht zurückgegangen. Eine zunehmende Kontrolle des Wildwuchses in den chinesischen Regionen könnte ein Übriges tun.

Zusammenfassung

Die Preise für Aluminium sind gegenüber dem Höchststand im vergangenen Jahr um 15% gefallen. Während es bei den meisten Metallen zu einer nahezu ausreichenden Versorgung kommt, bleibt Aluminiumoxid noch bis 2007 knapp. Danach werden neue Minen für eine Erhöhung des Angebots sorgen (siehe auch unsere heutige Aktienbesprechung von Alumina). Die Energiekosten, die einen hohen Anteil an den Gesamtkosten der Aluminiumerzeugung ausmachen, führen schon heute zu Verlusten bei vielen Schmelzereien. In vielen Fällen wurden die Hütten von den Energieversorgern noch zu niedrigen Strompreisen versorgt. Diese Bevorzugung wird inzwischen zunehmend kritisch gesehen, weil vor allem der private Endverbraucher von Strom die Kosten dieser Subventionierung trägt. Immer häufiger werden die Schmelzereien deshalb echte Preise zahlen müssen. Die Geldanlage in Aluminium könnte sich für den mutigen Investor durchaus lohnen, auch wenn es vorübergehend noch weiter nach unten gehen kann. Die Durststrecke könnte aber bald überwunden sein. Wenn man Aluminium mit Kupfer vergleicht, das wir vor zwei Wochen besprochen haben, so könnte die Situation nicht widersprüchlicher sein. Bei Kupfer steigen die Preise weiter, die Lager sind leer, obwohl es ausreichende Rohstoffe und Raffineriekapazitäten bei nahezu gleich bleibender Kostenstruktur gibt. Bei Aluminium sinken die Preise, die Lager scheinen unerschöpflich zu sein, obwohl Mangel an Rohstoffen herrscht und die Produktionskosten kräftig ansteigen. Das kann nicht ewig so weitergehen. Die große Unbekannte bleibt allerdings, wie hoch die nie gemeldeten Lagerbestände, die in den vergangenen Jahren aufgebaut wurden, und die Schrottmengen tatsächlich noch sind. Diese Fragen scheint niemand zuverlässig beantworten zu können.

Quelle: www.rohstoff-report.de (Rohstoff-Report Ausgabe 28)

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Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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