Kommentar
11:48 Uhr, 30.07.2008

„Alles verkaufen“ oder günstige Einstiegsmöglichkeit?

Nach der „Rettung“ von Bear Stearns hatten sich die Aktien- und Kreditmärkte zu - nächst kräftig von ihren Tiefständen im März erholt. Die amerikanische Zentral bank hat dies durch großzügige Garantien unterstützt, scheint aber mittlerweile bei noch größeren Problemfällen wie Fannie Mae und Freddie Mac an ihre Grenzen zu stoßen. Ab Mitte Mai wurde Anlegern damit zwangsläufig die Finanzkrise wieder stärker be - wusst gemacht. Zusätzlich drohende hohe Abschreibungen bei Banken sowie Liqui di - täts engpässe bei reinen Hypothekenfinanzierern rückten erneut in den Mittelpunkt. In der Zwischenzeit hat sich aber auch bereits ein weiteres Thema in den Vor der - grund gedrängt: die Inflation. Staatsanleihen haben seit Mitte März deutlich an Wert verloren, und es ist der seltene Fall eingetreten, dass sich über einen relativ langen Zeitraum sowohl Aktien als auch Bonds deutlich negativ entwickelt haben. So verlor zwischen Mitte Mai und Mitte Juni der Bund Future ca. 3%, während der Wert europäischer Aktien im gleichen Zeitraum um etwa 10% zurückging.

Auch wenn sich Aktien und Bonds mittlerweile leicht von ihren Tiefständen erholt haben, sieht das gesamte Umfeld weiterhin unerfreulich aus. Die Kosten für Kredit - versicherungen liegen unter ihren Höchstständen vom März, aber weiterhin auf einem sehr angespannten Niveau bei niedriger Liquidität für die unterliegenden Papiere. Auch die Realwirtschaft zeigt mittlerweile nicht nur in den USA und Groß - britanien, sondern auch in großen Teilen Asiens und Europas erste Anzeichen von Schwäche. Wichtig für den Anleger sind natürlich die Marktpreise, und die nehmen das tatsächliche Geschehen bekanntlich um einige Zeit voraus. Aktuell geht es also nicht in erster Linie darum, die Lage zu bewerten oder die Wirtschaftsent wicklung der nächsten drei Monate zu prognostizieren. Vielmehr sollte eine Anlage entschei - dung danach ausgerichtet werden, ob sich der Abschwung bei gleich zeitig über - durch schnittlich hoher Inflation auch im Jahr 2009 fortsetzen wird. Sollte dies nicht der Fall sein, bieten die derzeitigen Bewertungsniveaus gute Chancen für mutige Investoren.

Nach unserer taktischen Anlagesteuerung scheint das Risiko potenzieller weiterer Rückschläge den Einstieg in den Aktienmarkt allerdings momentan noch nicht zu rechtfertigen. Trotz bereits attraktiver Bewertungsniveaus überwiegt die negative wirtschaftliche Dynamik bei gleichzeitig eingeschränktem Handlungsspielraum für die Zentralbanken. Einzig unsere negative Positionierung haben wir zuletzt leicht reduziert. Die Bondmärkte dagegen sollten als erstes die Talfahrt beenden: Sobald sich die erwartete konjunkturelle Abschwächung weiter verfestigt, wird der Infla - tions druck nachlassen und Raum für Renditerückgänge, eventuell sogar Zins sen - kungen, zulassen. Voraussetzung ist allerdings, dass die besonders in Europa und Asien aufkommende inflationäre Lohn-Preis-Spirale gestoppt wird, und auch Roh - stoffpreise sowie Energiekosten ihren rasanten Anstieg nicht weiter fortsetzen.

Die Unternehmensberichte zum Quartalsende bieten traditionell einen guten Überund Ausblick zur konjunkturellen Lage. Für das zweite Quartal gab es bisher ein sehr gemischtes Bild mit deutlichen Überraschungen auf beiden Seiten. Sowohl Ergeb - nisse als auch Ausblicke zeigen keine klaren Tendenzen. Die bestehende Unsicherheit und die damit einhergehende hohe Volatilität an den Märkten wird wohl noch für einige Zeit anhalten.

Quelle: INVESCO

INVESCO zählt als Teil der AMVESCAP Gruppe zu den führenden Asset Managern weltweit. Zusammen mit den Schwesterunternehmen verwaltet INVESCO weltweit über 470 Milliarden Euro (Stand: 31.5.2008). Über 5.000 Mitarbeiter, darunter rund 500 Investmentspezialisten, sind in 19 Ländern im Einsatz.

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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