Fundamentale Nachricht
14:04 Uhr, 08.07.2020

„Aktive Asset Allocation und aktives Risikomanagement sind entscheidend“

Die Coronakrise brachte vielen Investoren große Verluste und ließ sie verunsichert zurück. Werner Krämer, Economic Analyst bei Lazard Asset Management, geht der Frage nach, wie sich Investoren positionieren können, um künftig besser gewappnet zu sein.

Die Coronakrise hat eine Phase hyperexpansiver Geldpolitik ausgelöst. Wie wirkt sich das auf die Kapitalanlage aus?

Werner Krämer: Aktuell sind alle großen Assetklassen etwa doppelt so hoch bewertet wie zu Zeiten der Finanzmarktkrise. Schwellenländeranleihen beispielsweise bieten heute eine Rendite von 6 Prozent, 2009 waren es 12 Prozent. Die Kurs-Gewinn-Verhältnisse bei den Aktien lagen 2009 bei 10, heute stehen sie bei 20+. Grund dafür sind vor allem die großen Geldmengen, die die Zentralbanken und Regierungen aktuell in die Märkte pumpen, um diese am Laufen zu halten.

Gleichzeitig ist die Vermögensallokation, die wir heute in den meisten Portfolios sehen, eine andere als noch vor 10 Jahren. Der Anteil an völlig illiquiden Assetklassen hat wesentlich zugenommen und zugleich sind die liquiden Assetklassen, vielleicht mit Ausnahme von Staatsanleihen und Aktien, heute deutlich weniger liquide als noch vor einigen Jahren. Heutige Portfolios sind deshalb zumeist deutlich illiquider als früher. Vor diesem Hintergrund kommt der aktiven Asset Allocation und dem aktiven Risikomanagement eine entscheidende Bedeutung zu.

Wie muss mein Portfolio aufgebaut sein, damit ich weiterhin aktives Risikomanagement betreiben kann?

Werner Krämer: Das Core-Satellite-Prinzip ist unserer Ansicht nach ein geeigneter Ansatz für den Aufbau eines Portfolios. Im Core-Portfolio möchte ich das Risiko weiterhin breit streuen und aktiv managen, während ich in den Satellite-Positionen eher eine Buy & Hold-Strategie verfolge.

Der Kern des Portfolios muss stets so liquide sein, dass ich die darin enthaltenden Vermögenswerte jederzeit handeln und damit Risiken aktiv begegnen kann. Diesen Kern bilden demnach liquide Assetklassen wie Aktien und Staatsanleihen. Möglicherweise gehören auch Wandelanleihen dazu, denn im März waren Convertibles nach Staatsanleihen und Aktien die drittliquideste Assetklasse, im Gegensatz zur Situation in 2008.

Illiquidere Assetklassen finden sich hingegen in den Satellite-Investments. Hier muss ich als Anleger genau überlegen, welchen Anteil diese Investments am Gesamtportfolio haben können. Diese Satellite-Positionen dürfen nur so groß sein, dass ich ganz sicher sein kann, sie nie verkaufen zu müssen. Der ungünstigste Fall wäre nämlich, in einer Situation wie Mitte März gezwungen zu sein, meine High Yield-Anleihen, meine Single-B-Anleihen, etc. zu den ungünstigsten Preisen zu verkaufen. Das darf nicht passieren.

Während der Krise gerieten viele Assetklassen gleichermaßen in die Abwärtsspirale. Ist Diversifikation überhaupt noch sinnvoll?

Werner Krämer: Es wird gerne behauptet, in einer Krise würden alle Assetklassen eine Korrelation von eins aufweisen, sich also gleich verhalten. Das ist aber nicht richtig. Auch in der Coronakrise sahen wir einen sehr guten Diversifikationseffekt und zwar von den risikolosen Assetklassen gegenüber den risikobehafteten Assetklassen. Diese beiden Gruppen entwickelten sich sehr unterschiedlich.

Auf dem Höhepunkt der Krise waren US-Staatsanleihen das Beste, das man im Portfolio haben konnte. 30-jährige Treasuries brachten 40 Prozent Rendite in relativ kurzer Zeit. Und auch deutsche Staatsanleihen konnten sich, bis auf eine kurze Phase, sehr gut halten.

Alle risikobehafteten Assetklassen hingegen bewegten sich in die entgegengesetzte Richtung. Die Unternehmensanleihe genauso wie die Aktie. Nun müssen sich Schwellenländeranleihen nicht immer genau so entwickeln wie Aktien. Diese beiden Assetklassen weisen ja unterschiedliche Risiken auf. Aber sobald ein genereller Ausverkauf stattfindet, wie wir ihn im März erlebt haben, dann bewegen sich Risikoassets in die gleiche Richtung.

Das heißt: Diversifikation funktioniert durchaus, und in Krisen zahlt es sich aus, einen angemessenen Mix von risikoarmen und risikobehafteten Anlagen im Portfolio zu haben. Globale Staatsanleihen beispielsweise sollten in jedem Fall Teil des Core-Portfolios sein. Dort dienen sie der Absicherung. Salopp gesagt: Selbst wenn die Welt untergeht, bin ich mit globalen Staatanleihen immer noch richtig positioniert, denn dort verdiene ich dann trotz allem Geld.

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