Kommentar
09:47 Uhr, 13.10.2006

Aktienmarkt profitiert von weicher Landung der Weltwirtschaft

Für Investoren auf der Suche nach Ratschlägen für ihre künftige Asset Allokation sind die aktuellen Wirtschaftsprognosen wenig hilfreich. Denn angesichts einiger wichtiger unbekannter Variablen gehen die Meinungen der Ökonomen, was die mittelfristige Entwicklung der Weltwirtschaft angeht, derzeit ungewöhnlich stark auseinander. Die strittigsten Punkte betreffen den Ausblick für die US-Wirtschaft und die potenziellen Auswirkungen der Abkühlung am Immobilienmarkt auf die US-Verbrauchernachfrage und damit das Exportgeschäft anderer Volkswirtschaften. Der Chefvolkswirt von INVESCO, John Greenwood, sieht jedoch deutliche Anzeichen dafür, dass sich der konjunkturelle Aufschwung noch einige Jahre fortsetzen dürfte.

Ein wichtiger Grund für die Unsicherheiten, mit denen die Ökonomen derzeit zu kämpfen haben, ist die Kombination einer restriktiven Geldpolitik in den meisten Teilen der Welt – mit Ausnahme Japans – und des aus der Phase des billigen Geldes nachwirkenden Inflationsdrucks. „Obwohl das Wirtschafts- und Gewinnwachstum künftig schwächer ausfallen dürfte, wird der Preisdruck tendenziell höher sein, da die Volkswirtschaften näher an ihrer Kapazitätsgrenze operieren”, so Greenwood.

Der Chefvolkswirt von INVESCO nennt vier Hauptszenarien für die US-Wirtschaft, die aktuell von Wall-Street-Ökonomen vertreten werden: 1) eine harte Landung und Rezession im Jahr 2007; 2) eine ausgedehnte Korrekturphase mit schwächeren Wachstumsraten; 3) eine weiche Landung mit einer Rückkehr zu Wachstumsraten um die 3-3,5% nach zwei schwächeren Quartalen; und 4) einen kräftigen Aufschwung, der weitere Fed-Zinserhöhungen notwendig machen würde.

Greenwood hält eine weiche Landung für das wahrscheinlichste Szenario. Dabei verweist er auf die weitgehend neutrale Geldpolitik in den USA sowie seine Erwartung, dass die Abkühlung am Wohnungsmarkt keine drastischen Auswirkungen auf den privaten Konsum und das verarbeitende Gewerbe haben wird. Außerdem betont er, dass die höheren Unternehmensinvestitionen und das Beschäftigungswachstum sowie die verbesserte US-Außenhandelsperformance die dämpfenden Auswirkungen der Immobilienmarktschwäche kompensieren dürften. Greenwood rechnet in der zweiten Jahreshälfte mit einer Verlangsamung des US-Wachstums auf 2,5% von 4,1% in der ersten Jahreshälfte. Für das kommende Jahr prognostiziert er eine Rückkehr zu einer normaleren Wachstumsrate von 3,1%. Außerdem sollten die niedrigeren Energiepreise seiner Ansicht nach die Inflation in Schach halten.

Derweil dürften das robuste Geschäfts- und Konsumklima sowie der anhaltende Inflationsdruck in Großbritannien und der Eurozone weitere Zinserhöhungen in diesen Märkten zur Folge haben. Und obwohl die wirtschaftliche Erholung und Abkehr von der Deflation in Japan schleppender als erwartet ausfällt, meint Greenwood, dass die Bank of Japan die Zinsen im Laufe des nächsten Jahres stetig weiter auf ein normales Niveau anheben wird.

Die ungewöhnlich stark geteilten Meinungen bezüglich des wirtschaftlichen Ausblicks verdeutlichen, dass Wirtschaftsprognosen immer mit Unsicherheiten behaftet sind. „Doch während sich externe Faktoren wie geopolitische Konflikte oder Naturkatastrophen nicht voraussagen lassen, wiegen die direkten wirtschaftlichen Risiken wie das eines höheren Preisdrucks oder höherer Zinsen mittlerweile nicht mehr so schwer, da die Zinsen größtenteils auf ein normales Niveau zurückgekehrt sind”, erklärt Greenwood.

Der Chefvolkswirt von INVESCO meint, dass schwächere Wachstumsraten bei gleichzeitig höherem Preisdruck die Aktienmarktperformance kurzfristig dämpfen könnten und für geringere Erträge am Rentenmarkt verglichen mit früheren Aufschwungphasen sorgen werden. Doch angesichts der geschickteren Handhabung der Geldpolitik und der Inflationserwartungen durch die Notenbanken hält er es für sehr wahrscheinlich, dass sich der aktuelle Aufschwung noch mehrere Jahre fortsetzen wird – ähnlich wie in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre, nachdem die US-Zinsen sich wieder normalisiert hatten. Zugleich betont Greenwood: „Die stärkere Anfälligkeit für Rohstoff- und Kursblasen sowie höhere Verbraucherpreise, die mit einem synchronisierten globalen Aufschwung einhergeht, sollte dafür sorgen, dass es an den Aktien- und Rentenmärkten nicht zu irrationalen Übertreibungen kommt.” Und eine Wirtschaft, die weder zu heiß noch zu kalt ist, würde ein ideales Investmentumfeld für Aktienmarktinvestoren bieten, meint Greenwood.

Quelle: Invesco

INVESCO zählt als Teil der AMVESCAP Gruppe zu den führenden Asset Managern weltweit – mit über 380 Mrd. US-Dollar (per 30. September 2005) verwaltetem Vermögen. Über 5.900 Mitarbeiter, darunter rund 500 Investmentspezialisten, sind in 20 Ländern im Einsatz.

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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