Kommentar
12:00 Uhr, 08.12.2008

Aktien sind preiswert… es sei denn, die Rentenmärkte behalten Recht

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Nach dramatischen Kurseinbrüchen in diesem Jahr preisen die Aktienmärkte jetzt eine schwere Rezession ein. Demnach sollen die Gewinne um insgesamt 40 Prozent fallen. Bei Zugrundelegung der meisten herkömmlichen Bewertungsgrundlagen erscheinen Aktien preiswert, zumindest im Vergleich zu risikofreien Zinssätzen. Gleichwohl nehmen die Rentenmärkte ein sogar noch düsteres Konjunkturszenario voraus als die Aktienmärkte. Die Renditen von Staatsanleihen in den USA und Europa sind unlängst auf ein Niveau gesunken, das Ausdruck der grassierenden Deflationsängste ist. Zuletzt haben wir derartige Werte während der jahrelangen Rezession in Japan in den 1990ern erlebt. Gleichzeitig sind die Renditen von Unternehmensanleihen sprunghaft gestiegen. Die Renditedifferenz zu Staatsanleihen – der so genannte Yield Spread – hat jetzt ein bisher noch nie da gewesenes Ausmaß erreicht.

Es liegt auf der Hand, dass Schwäche an den Unternehmensanleihemärkten für die Wirtschaft belastend ist, denn dadurch sind die Unternehmen in ihren Refinanzierungsmöglichkeiten erheblich eingeschränkt. Dies gilt insbesondere für die Hochzinsanleihemärkte, über die sich viele kleinere und Mittelstand-Firmen refinanzieren. Diese Unternehmen verfügen oftmals über recht solide Bilanzen, erfüllen jedoch nicht die hohen Anforderungen für eine Einstufung als Investment Grade (zwischen AAA und BBB). In den Jahren zwischen 2004 und 2007 konnten diese Unternehmen im Allgemeinen Anleihen mit einem Kupon (Kupon = jährliche Verzinsung des Nominalwertes einer Anleihe) von 7 bis 8 Prozent ausgeben. Dieses Jahr haben sich viele Anleihen halbiert; auf neu emittierte Anleihen wären Kupons in Höhe von 20 Prozent zu gewähren. Auch bei Unternehmen mit Investment-Grade-Rating – das ist die überwiegende Mehrheit der börsennotierten Großkonzerne sowie alle Finanzunternehmen – hat sich das Renditegefälle gegenüber Staatsanleihen auf den historischen Höchststand ausgeweitet. Anleihen bekannter, hoch kapitalisierter Großunternehmen sind jetzt mit Renditen von 7 bis 8 Prozent erhältlich, das ist deutlich mehr als noch vor einem Jahr.

Stellt man Berechnungen an, welcher Prozentsatz an Unternehmen in den nächsten Jahren Konkurs anmelden müsste, um diese hohen Niveaus zu rechtfertigen, kommt man auf ganz erstaunliche Zahlen. Den impliziten Prognosen des Hochzinsmarktes zufolge wird über die Hälfte der Unternehmen in seinem Universum innerhalb der nächsten drei Jahre Bankrott gehen. Die implizierten Ausfallraten sowohl bei Hochzinsanleihen als auch Investment-Grade-Papieren liegen jetzt sogar höher als während der Großen Depression von 1929 bis 1933. Seinerzeit fiel das BIP in den USA jedes Jahr um 7 Prozent, während die jährliche Deflationsrate 6 Prozent betrug. Während also die Aktienmärkte eine Rezession einpreisen, rechnen die Unternehmensanleihemärkte bereits mit einer Depression.

Diese ungewöhnliche Preisverzerrung bei Unternehmensanleihen gegenüber Aktien liegt im Zusammentreffen von Zwangsverkäufen und Mangel an Liquidität begründet. Viele Unternehmensanleihen befanden sich im Besitz von Hedgefonds und anderen Investoren, die mit geliehenem billigem Geld hoch rentierliche Anlagen aufkauften. Mittlerweile sehen sich diese Investoren massiven Kapitalabflüssen gegenüber und sind daher gezwungen, die Unternehmensanleihen in ihren Beständen zu regelrechten Dumping-Preisen abzustoßen. In unsicheren Zeiten müssen Investoren in der Lage sein, ihre Anlagen relativ mühelos umzuschichten bzw. zu verkaufen. Derzeit sind Unternehmensanleihen jedoch nicht besonders liquide. Da Rentenhändler zurzeit wenig Bereitschaft zeigen, ihre eigenen Handelsbücher mit Risiken zu belasten, müssen Verkäufer nunmehr anderweitige Kontrahenten finden, was nicht immer einfach ist. Hinzu kommt, dass potenzielle institutionelle Käufer Risikolimits beachten müssen, während Privatanleger zu wenig über Unternehmensanleihen als Anlageform wissen, um die derzeit verfügbaren Wertpotenziale zu nutzen.

Wir ziehen jedoch gegenwärtig Unternehmensanleihen Aktien vor. Sofern der Abschwung noch gravierender ausfällt als erwartet und die Rentenrenditen daher auf hohem Niveau verharren, würde die Refinanzierung so teuer, dass die Unternehmenserträge sogar noch stärker unter Druck gerieten. Sollte der Erholungsprozess indes früher einsetzen als bisher prognostiziert, könnten Unternehmensanleihen – ähnlich wie Aktien – ein Kurspotenzial von 15 bis 40 Prozent bieten. Wenn man sich also eine längerfristige Orientierung leisten kann, ist es jetzt eine kluge Entscheidung sich an einer gut diversifizierten Unternehmensanleihe zu beteiligen – auch wenn dieses Engagement durch den Verkauf von Aktien zu finanzieren wäre.

Ad van Tiggelen, Senior Strategist bei ING Investment Management

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