Kommentar
15:30 Uhr, 25.05.2010

Aktien: Rahmendaten weiterhin günstig

Starke Fluktuation an den Aktienmärkten
Die Volatilität der Aktienmärkte in den vergangenen Wochen erinnerte an die Panik an den Märkten nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers im September 2008. Zunächst gerieten vor allem europäische Banken unter Druck: Deutsche und französische Banken haben einen besonders großen Teil der griechischen Forderungen in ihren Bilanzen. Nachdem Spekulanten Portugal und Spanien aufs Korn nahmen, stieg die Risikoscheu unter Anlegern in der erste Maiwoche stark an. Auf breiter Front wurden Aktien abgestoßen, wenn auch defensivere Sektoren weniger stark vom Ausverkauf betroffen waren. Durch den starken Rückgang des Euro hielten sich die Kursverluste – gemessen in Euro – allerdings in Grenzen. Regional gesehen kam es an den europäischen Märkten zu den stärksten Kurseinbrüchen: Europäische Aktien gaben in der ersten Maiwoche um über 8 % nach. Offensichtlich hielt sich die Anlegerschaft an die alte Börsenweisheit „Sell in May“.

Hervorragende Berichtssaison
Ohne die Schuldenkrise hätten die Aktienmärkte wahrscheinlich weitaus besser abgeschnitten. Die veröffentlichten Ertragszahlen des ersten Quartals fielen wiederum deutlich besser als erwartet aus. Die aktuelle Berichtssaison ist eine der besten der vergangenen Jahre. Nicht nur die Ertragsentwicklung, sondern auch die Umsatzzahlen übertrafen die Erwartungen. Diese Entwicklung lässt vermuten, dass der Aufschwung sich jetzt auf eine breitere Basis und weniger auf unternehmerische Sparmaßnahmen stützt. Die Ertragsprognosen für das Gesamtjahr 2010, die im Januar noch auf rund 25 % lauteten, wurden in der Zwischenzeit auf ca. 35 % angehoben.

Zykliker schneiden weiterhin positiv ab
Von der ersten Maiwoche abgesehen, schnitten konjunkturabhängige Aktien weiterhin besser als defensive Sektoren ab. Das hat vor allem zwei Gründe: Erstens orientieren sich Anleger in Zeiten der wirtschaftlichen Erholung stärker am Gewinn je Aktie als am Bewertungsniveau der Aktientitel. Unerwartet positive Unternehmenserträge wurden mit Begeisterung aufgenommen. Dieser Ansatz begünstigt zyklische Fonds, wenn auch defensive Fonds anscheinend günstiger bewertet sind. Zweitens erzielen zyklisch ausgerichtete Unternehmen in den USA und Europa einen wachsenden Anteil ihrer Erträge über ihr Auslandsgeschäft, vor allem in Schwellenländern. Unternehmen der defensiv ausgerichteten Sektoren wie Versorger und Telekommunikation konzentrieren sich dagegen hauptsächlich auf ihre Heimatmärkte. Defensive Werte profitieren daher weniger als Zykliker vom enormen Wirtschaftswachstum der Schwellenländer.

Die Aktienmärkte haben die Ertragsprognosen für Zykliker für 2010 und 2011 bisher kontinuierlich nach oben angepasst – auf ein Niveau, das sich letztlich als unerreichbar erweisen wird. Das konnte man bereits im vorangegangenen Konjunkturzyklus beobachten.

Erfreuliche Aussichten für das weitere Jahr
Abgesehen von der Unsicherheit, die mit der Schuldensituation einiger europäischer Länder einhergeht, ist das Klima für Aktien weiter günstig. Die Kombination aus dynamischem Wirtschaftswachstum, schnell steigenden Unternehmenserträgen sowie einer anhaltend flexiblen Geld- und Fiskalpolitik (niedrige Zinsen) begünstigt die Aktienmärkte. Nachdem die Unternehmenserträge die Talsohle erreichten, sind die Aktienmärkte in die Reifephase des Zyklus eingetreten. Dabei werden vor allem die Unternehmenserträge, die 2010 weltweit um über 30 % zulegen dürften, als Motor der Aktienmärkte fungieren. Der von Bestandsaufstockungen und kräftigem Wachstum in den Schwellenländern angetriebene Aufschwung wird 2010 auch die Umsatzentwicklung begünstigen. Dank geringerer Betriebs- und Finanzierungskosten könnte selbst ein bescheidener Anstieg der Umsatzzahlen zu einer deutlichen Steigerung der Nettoerträge führen.

Bislang haben vor allem die zyklischen Sektoren von der starken Ertragsdynamik profitiert. Im weiteren Verlauf des Jahres werden die Erwartungen weiter steigen und damit letztendlich zu Enttäuschungen führen. Der Wechsel zu defensiveren Sektoren ist wahrscheinlich.

Neues Jahr, neue Probleme
Unsere Prognosen für 2011 sind weitaus verhaltener. Die Analysten sagen bereits wieder einen weiteren Anstieg der Erträge um über 20 % für das nächste Jahr voraus. Das ist unserer Ansicht nach zu optimistisch. Die staatlichen Haushalte müssen erst noch ihre Verschuldung senken und die Zentralbanken der westlichen Länder werden wahrscheinlich die Leitzinsen anheben. Diese Faktoren werden den Aufschwung hemmen. Auch der Vergleich mit der Ertragssituation zum Vorjahr wird schwieriger und das Ertragswachstum wird in höherem Maße vom Wachstum der Umsatzerlöse abhängen. Das Umsatzwachstum hängt seinerseits zum Teil davon ab, inwiefern Unternehmen ihre Preise erhöhen können. Wenn auch Preiserhöhungen nicht auszuschließen sind, so sind sie zumindest fürs Erste unwahrscheinlich.

Wir wären schon froh, wenn sich 2011 die Hälfte des prognostizierten 20%igen Ertragswachstums realisieren ließe. Selbst dann wären Aktien immer noch recht attraktiv bewertet. Für die Aktienmärkte ist das günstig. Dank der enormen Rettungspakete für die Eurozone sehen wir die Entwicklung an den Aktienmärkten in den nächsten Monaten mit mehr Zuversicht, werden aber vorerst bei unserer neutralen Positionierung bleiben.

Quelle: ING Investment Management

ING Investment Management ist der globale Asset Manager der ING Gruppe. Mit annähernd 375 Milliarden Euro Assets under Management, vertreten in 37 Ländern mit mehr als 3.700 Mitarbeitern, ist ING Investment Management (ING IM) weltweit auf Platz 27 im Asset Management.

Keine Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen