2023 wird ein Anleihe-Jahr
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Fakt ist, dass eine aggressive Straffung der Geldpolitik nicht notwendigerweise zu einem Rückgang der Inflation führt. Es hängt von der Art der Inflation ab und davon, ob sie endemisch ist oder nicht. Das war in den 1970er und frühen 1980er Jahren so, seitdem aber ist das seltener der Fall. Damals mussten die Zinsen höher und die Straffungszyklen aggressiver sein, um die Lohn-Preis-Spirale zu durchbrechen. Die diesjährige geldpolitische Straffung in den USA ist die stärkste (gemessen an der Veränderung in zwölf Monaten) seit 1990, da sie durch den Anstieg des Verbraucherpreisindexes (VPI) bedingt war. Um die Inflation zu senken, bedarf es weitaus mehr als Zinserhöhungen, die, wie oft betont wird, ein eher stumpfes Instrument sind. Den größten Beitrag zu einem Rückgang der Inflation würden die Energiepreise und die Folgewirkung, die diese auf die allgemeine Preisinflation in den kommenden ein bis zwei Jahren haben würden, leisten. Wir vermuten, dass die Fed bald kollektiv zu dem Schluss kommen wird, dass es reicht, auch wenn die Modelle nicht besonders gut kalibriert sind.
Steigende Zinsen schwächen das Wachstum
Wenn man die einfache Analyse auf die Korrelation zwischen Zinsänderungen und Wachstumsdynamik ausweitet, sind die Auswirkungen viel größer als bei der Inflation. In ein- bis dreijährigen Phasen steigender Zinsen war die Wachstumsdynamik der Industrieproduktion typischerweise sehr negativ. Das heißt, die jährliche Wachstumsrate ging zurück. Die Geldpolitik verlangsamt das reale Wachstum, bevor sie die Inflation bremst. Das ist sinnvoll, da sich das Wachstum erst abschwächen muss, bevor es sich auf die Preisbildung und das Lohnverhalten auswirkt. Wenn die Fed Funds in einem Jahr um mehr als 400 Basispunkte (BP) gestiegen sind, hat sich das Wachstum der Industrieproduktion in der Vergangenheit sehr negativ entwickelt.
Korrelation ist keine Kausalität und die Verzögerungen zwischen geldpolitischen Entscheidungen und den Auswirkungen auf Wachstum und Inflation sind lang und variabel. Wichtig ist jedoch die Signalwirkung. Wenn die Zentralbanken uns mitteilen, dass sie die Zinsen anheben, um die Inflation zu senken, bedeutet dies, dass sie wollen, dass Haushalte und Unternehmen ihr Verhalten ändern und bereit sind, ein langsameres Wachstum und eine steigende Arbeitslosigkeit hinzunehmen, bis dies erreicht ist. Die Märkte werden darauf wetten, dass die Zentralbanken bei einer solchen Ungewissheit kaum das mit noch aggressiveren Zinserhöhungen verbundene Risiko eingehen werden.
Werden die Zinsen früher gesenkt als erwartet?
Wir glauben nicht, dass die Fed im kommenden Jahr den Leitzins erneut um 400 BP anheben wird. Das Gleiche dürfte für die Bank of England (BoE) und die Europäische Zentralbank (EZB) gelten. In der Tat könnte die Kombination aus fallenden Energiepreisen und schwächerem Wachstum zu früheren Zinssenkungen führen, als derzeit eingepreist ist. Das ist zwar nicht das Hauptszenario, aber die Märkte beginnen bereits damit zu liebäugeln. Die Renditekurve der US-Staatsanleihen ist sehr negativ geneigt (minus 70 BP zwischen zwei- und zehnjährigen Anleihen) und die Renditen fünfjähriger Anleihen sind am Terminmarkt niedriger als ihre Spot-Renditen in USD, Euro und im britischen Pfund.
Optimismus für Anleihen
All dies stimmt uns für festverzinsliche Wertpapiere optimistisch. Die Zinsen in den USA stehen kurz vor dem Höchststand und der Anstieg der Anleiherenditen in vielen Märkten bedeutet, dass das Risiko-Rendite-Verhältnis bei Anleihen künftig viel besser ist. Auf Indexebene sind die Renditen pro Einheit Duration und Bonitätsrisiko so hoch wie seit Jahren nicht mehr. Höhere Renditen bedeuten niedrigere Anleihekurse. Und selbst wenn die Renditen nicht fallen, werden die Anleihebesitzer von einem starken „Pull-to-Par“-Effekt profitieren, wenn sich die Kurse über die restliche Laufzeit ihrem Nennwert von 100 Prozent annähern. Anleger sollten sich jedoch nicht auf Kapitalgewinne am Anleihemarkt verlassen. Im Gegensatz zu den Jahren, in denen quantitative Lockerungen (quantitative easing, QE) die Renditen nach unten und die Kurse nach oben getrieben hat, werden die Erträge in Zukunft eher aus den Kupons kommen. Das sollte man bei der Zusammenstellung von Portfolios im Hinterkopf behalten – Anleihen können in Kombination mit soliden dividendenstarken Aktien einen effektiveren Beitrag zu gemanagten Income-Strategien leisten.
Rezession könnte Aktien in 2023 belasten
Die meisten Strategen sind der Meinung, dass die Aktienmärkte deutlich günstiger werden sollten. Die Geschäftsmodelle werden durch den Druck auf die Umsätze und Gewinnmargen in Frage gestellt. Es ist nicht klar, welches künftige Ertragsniveau genommen werden sollte, um Aktien heute zu bewerten, insbesondere solche, die in den vergangenen Jahren aufgrund der gestiegenen Ausgaben für Technologie und Kommunikation ein stetiges Wachstum verzeichnet haben. Die Konsumtechnologie, sowohl Hardware als auch Software, könnte noch eine Weile zu kämpfen haben, da die Haushalte ihre Ausgaben kürzen. Auch die Investitionsausgaben der Firmen werden wahrscheinlich schwächer ausfallen. Die großen Steigerungen bei den Investitionen sollten durch die Erfordernisse der Energiewende und die fortgesetzte Automatisierung und Digitalisierung angetrieben werden – aber die Rezession wird dies bremsen.
Energie ist entscheidend für den langfristigen Ausblick
Wir halten den Faktor Energie weiter für entscheidend. Die Klimakonferenz COP27 scheint nicht viel getan zu haben, um die Energiewende zu beschleunigen. Aber der Fokus auf Energiesicherheit in den nationalen Regierungsplänen ist real. Der britische Finanzminister Jeremy Hunt bekräftigte, dass Energiesicherheit eine der wichtigsten Säulen der langfristigen Wachstumspläne Großbritanniens ist. Die Tatsache, dass er auch eine Steuer für Erzeuger von Strom aus erneuerbaren Energiequellen ankündigte, deutet darauf hin, dass kurzfristige politische Erwägungen, die darauf abzielen, die Haushaltszahlen gut aussehen zu lassen, immer noch über der langfristigen wirtschaftlichen Effizienz und über Umweltbelangen stehen. Im Allgemeinen fördern Steuern und Subventionen jedoch weiter die Kohlenstoffreduzierung und die Energieeffizienz. Das Problem ist, dass sich die Investitionen nicht sofort auszahlen und die Aktienmärkte eher kurzfristig orientiert sind. Kapital muss in den Bereich der Energiewende fließen, aber es kann sein, dass die Energiepreise höher bleiben müssen, damit diese Investitionen die erforderliche Rendite erzielen (entweder durch die Partizipation an der wirtschaftlichen Rente oder durch die Bereitstellung einer wirtschaftlich wettbewerbsfähigeren Alternative, die die Einnahmen schnell erhöht).
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