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08:40 Uhr, 28.11.2022

10 Year T-Note Future (Kontrakt Dec 22) - Historisch – in jeder Hinsicht historisch!

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Historisch – in jeder Hinsicht historisch!

Zinswenden brauchen vor allem eines: viel Zeit! Ist die Zeit 2022 reif? So lautete vor Jahresfrist unsere Überschrift zum letztjährigen Jahresausblick und damit haben wir absolut ins Schwarze getroffen. Aufgrund der charttechnisch seinerzeit identifizierten „aufgestauten Bewegungsdynamik“ waren Anlegerinnen und Anleger vorbereitet auf den dynamischen Zinsanstieg des Jahres 2022 – und zwar sowohl dies- als auch jenseits des Atlantiks. Die Brachialgewalt, mit der die Renditen in den vergangenen 12 Monaten anzogen, ruft in uns die Assoziation der berühmten Ketchupflasche hervor: „Erst kommt ganz lange nichts und dann kommt alles auf einmal!“ Für die Zinsen ist dieses Bild absolut zutreffend: Während die 10-jährige Rendite USA im Jahresverlauf von 1,50 % auf 4,34 % anzog, fällt der Anstieg beim deutschen Pendant aus dem negativen Bereich (-0,18 %) auf in der Spitze 2,53 % noch dramatischer aus. Da zwei ganze Generationen von Investoren seit Anfang der 1980er Jahre nur fallende Renditen – und damit spiegelbildlich einen Anleihen-Bullenmarkt – kennengelernt haben, ist unsere Überschrift bzw. das Attribut „historisch“ mehr als berechtigt.

10 Year T-Note Future (Kontrakt Dec 22) (Annually)

Chart 10 Year T-Note Future (Kontrakt Dec 22)

Quelle: Refinitiv, tradesignal² / 5-Jahreschart im Anhang

5-Jahreschart 10 Year T-Note Future (Kontrakt Dec 22)

Chart 10 Year T-Note Future (Kontrakt Dec 22)

Quelle: Refinitiv, tradesignal²

Größter Rückschlag aller Zeiten!

Die Umschreibung „historisch“ besitzt aber noch eine weitere Dimension: Die „historische“ Trendwende und die „historische“ Dynamik, mit der die daraus resultierenden Kursziele abgearbeitet wurden, führt in der Konsequenz zu einem nie dagewesenen Rückschlag an den Rentenmärkten – historisch hoch drei eben! Exemplarisch zeigt der „Unterwasser-Chart“ für den Bloomberg Global Aggregate Bond Index® einen Verlust vom Allzeithoch von mehr als 20 % (siehe Chart). Damit fällt der aktuelle „drawdown“ mehr als doppelt so hoch aus wie der zweitgrößte Rückschlag der letzten 30 Jahre während der Finanzmarktkrise im Jahr 2008 (-10 %). Die besondere Herausforderung des Investmentjahrgangs 2022 liegt deshalb weniger in der Schwäche der internationalen Aktienmärkte, sondern vielmehr darin, dass die dortigen Kursverluste von beispiellosen Rückschlägen auf der Rentenseite flankiert werden. Entsprechend erlebte das klassische Portfolio aus 60 % Aktien und 40 % Renten das schlechteste Jahr der Geschichte. „There is no place to hide“ – selten war dieses alte Börsenbonmot berechtigter als in den vergangenen 12 Monaten.

Bloomberg Global Aggregate Bond Index® (Annually)

Chart Bloomberg Global Aggregate Bond Index®

Quelle: Bloomberg, HSBC²

Sentiment: Gänzlich anders als vor Jahresfrist

„Gestern standen wir am Abgrund. Heute sind wir bereits einen gewaltigen Schritt weiter.“ Das bekannte Zitat von Erich Kästner führt nahtlos zu einer der Schlüsselfragen des Investmentjahrgangs 2023: Setzt sich der Trend der dynamisch steigenden Renditen nahtlos fort oder begünstigt die rekordverdächtige Dimension des Zinsanstiegs der letzten Monate zumindest eine (temporäre) Atempause? Bei der Suche nach den passenden Antworten begeben wir uns zunächst in die Welt der Sentimentanalyse. Während wir mit unserem Szenario „der nachhaltigen Zinswende“ jede Menge Reibung erzeugten und Diskussionsbedarf auslösten, ist dies inzwischen ganz anders. Die überwältigende Mehrheit der Investorinnen und Investoren hat das Szenario „steigende Renditen“ verstanden und akzeptiert. Den langfristigen Gezeitenwandel müssen wir in unseren Investorengesprächen nicht mehr erläutern. Das Sentiment ist also gänzlich anders als vor 12 Monaten. Durch die Brille der Behavioral Finance betrachtet, kann deshalb erneut von selektiver Wahrnehmung gesprochen werden – nur eben gänzlich anders als im Q4/2022. Dieses Stimmungsbild liefert also möglicherweise einen Hinweis auf den „wunden Punkt“ des Marktes bzw. aus welcher Richtung 2023 Überraschungen kommen könnten.

10 Year T-Note Future (Semi-annually)

Chart 10 Year T-Note Future

Quelle: Refinitiv, tradesignal² / 5-Jahreschart im Anhang

Charttechnik, nichts als die pure Charttechnik

Zu diesem veränderten Sentiment passt, dass im Jahresverlauf Produkte auf den Euro-BUND-Future zeitweise zu den am meisten gehandelten Tradingprodukten gehörten. Zuvor war das jahrelang nicht der Fall. Im Folgenden möchten wir konkreter werden, indem wir Ihnen wichtige Signalmarken mit auf den Weg geben. Deren entscheidender Vorteil bzw. der Mehrwert der technischen Analyse allgemein liegt darin, durch einen möglichen Fahrplan vorbereitet zu sein. Ansonsten laufen Sie Gefahr, durch unerwartete Ereignisse auf dem falschen Fuß erwischt zu werden. Solche Positionsschieflagen verursachen „Stress“ und markieren dann oftmals charttechnische Schlüsselniveaus, an denen der Markt nachhaltig in Bewegung gerät. Das vergangene Jahr liefert dafür ein absolutes Lehrbuchbeispiel. Da das Glück denjenigen bevorzugt, der darauf vorbereitet ist (Louis Pasteur), wollen wir Sie vor unerwarteten Überraschungen schützen. Dabei starten wir unsere charttechnische Bestandsaufnahme mit der Analyse einer hohen Zeitebene. Getreu dem Motto des US-Philosophen Ralph Waldo Emerson: „Die Jahre lehren viel, was die Tage niemals wissen“, stellen wir als erstes den Jahreschart der 10-jährigen Rendite USA auf den Prüfstand (siehe Chart).

10 Year T-Note Future (Kontrakt Dec 22) (Annually)

Chart 10 Year T-Note Future (Kontrakt Dec 22)

Quelle: Refinitiv, tradesignal² / 5-Jahreschart im Anhang

Auflösung „inside year“ als früher Fingerzeig

Die Rückeroberung der Zinstiefs der Jahre 2012, 2016 und 2019 bei 1,32 %/1,38 %/1,43 %, die Rückkehr in den Basisabwärtstrendkanal seit Anfang der 1980er-Jahre sowie die „bullishe“ Auflösung des vor Jahresfrist beschriebenen Innenstabes sorgten hier für frühe Signale in Sachen „Zinsanstieg“. Charttechnisch für ein herausragendes Signal sorgte im weiteren Jahresverlauf dann vor allem der Bruch des gut 40 Jahre alten Baissetrends (auf Jahresbasis akt. bei 2,85 %). Passend zu unserer Überschrift möchten wir anhand des Jahrescharts der 10-jährigen Rendite USA zwei weitere Aspekte mit „historischer“ Dimension hervorheben. So fällt die Hoch-Tief-Spanne des Jahres 2022 mit 281 BP überaus imposant aus. Eine derart große jährliche Schwankungsbreite mussten Anleger und Anleger zuletzt im Jahr 1987 verkraften! In dieser Intensität dürfte sich der Renditeanstieg im neuen Jahr nicht fortsetzen. Eine gewisse Beruhigung scheint vielmehr realistisch. Historisch ist aber auch das 2022er-Hoch zu bezeichnen, denn die im Oktober erreichte Marke von 4,34 % entspricht immerhin dem höchsten Stand seit 2007.

10 Year T-Note Future (Kontrakt Dec 22) (Annually)

Chart 10 Year T-Note Future (Kontrakt Dec 22)

Quelle: Refinitiv, tradesignal² / 5-Jahreschart im Anhang

Statik des Spiels: nachhaltig verändert!

Auch auf die Gefahr hin uns zu wiederholen, zwei Generationen kennen seit Anfang der 1980er-Jahre nur einen fallenden Renditetrend. Der Abwärtstrendbruch des Jahres 2022 stellt deshalb einen echten „game changer“ dar. Vor diesem Hintergrund sollten Anleger und Anlegerinnen ganz gezielt nach den nächsten Anlaufmarken Ausschau halten. Interessant ist an dieser Stelle, dass das zuvor angeführte Jahreshoch (4,34 %) bestens mit der 138,2 %-Fibonacci-Projektion des letzten Zinsrutsches von 2018 bis 2020 (4,39 %) harmoniert. Zusammen mit den Hochpunkten der Jahre 2004, 2006 und 2007 bei rund 5 % bildet ein weiteres Fibonacci-Level (5,08 %) ein weiteres Anlaufziel. Abgerundet wird die hier entstehende Widerstandszone durch das Tief von 1993 bei 5,15 %. Die Verknüpfung unterschiedlicher Zeitebenen stellt einen echten Mehrwert der Technischen Analyse dar. Deshalb werden wir im Folgenden die Zeitebene sukzessive Herunterbrechen. Den Auftakt macht dabei der 6-Monats-Chart der 10-jährigen Rendite USA. Neben dem Bruch des seit 1981 bestehenden Baissetrend springt insbesondere der Spurt über die Renditehochs von 2014 und 2018 bei 3,04/3,26 % ins Auge (siehe Chart).

10 Year T-Note Future (Semi-annually)

Chart 10 Year T-Note Future

Quelle: Refinitiv, tradesignal² / 5-Jahreschart im Anhang

3 % als strategische Absicherung

Abgesehen vom Fehlausbruch des Jahres 2020 kann damit die Renditeentwicklung der letzten elf Jahre als seitliche Schiebezone zwischen 1,32 % auf der Unter- und gut 3 % auf der Oberseite interpretiert werden. Aus der Höhe dieser Tradingrange ergibt sich ein kalkulatorisches Kursziel im Bereich von 4,70 % – nicht mehr die Welt, aber zumindest ein Anlaufziel, welches sich derzeit noch mit den Methoden der Technischen Analyse sinnvoll herleiten lässt. Winston Churchill sagte einmal: „Demokratie ist die Notwendigkeit, sich gelegentlich den Ansichten anderer Leute zu beugen!“ Im Sinne dieses Zitats und im Sinne eines vorsichtigen Kaufmanns lässt sich anhand des Halbjahrescharts hervorragend eine strategische Absicherung einziehen: Bei einem Rebreak der 3 %-Marke wäre ein Rückfall in die beschriebene Schiebezone zu beklagen. Entsprechend müssten sich Anlegerinnen und Anleger dann „den Ansichten anderer Leute beugen“ und den seit Frühjahr 2020 laufenden Renditeanstieg mit einem dicken Fragezeichen versehen. In den letzten beiden Jahren sprachen wir jeweils von der „magischen 1 %-Marke“ sowie der „magischen 2 %-Marke“. Aller guten Dinge sind drei: Deshalb wird dieser Reigen 2023 fortgesetzt – nur eben als Signalgeber auf der Unterseite.

10 Year T-Note Future (Semi-annually)

Chart 10 Year T-Note Future

Quelle: Refinitiv, tradesignal² / 5-Jahreschart im Anhang

Trendwende als Urknall

Am Eindrucksvollsten lässt sich der grundsätzliche Gezeitenwandel des vergangenen Jahres aber anhand des Monatscharts der 10-jährigen Rendite USA verdeutlichen. Im Nachhinein muss die zu Jahresbeginn vervollständigte inverse Schulter-Kopf-Schulter-Formation als entscheidendes Trendwendesignal bezeichnet werden. Schließlich erwies sich dieses Umkehrmuster als der ultimative Katalysator des Zinsanstieges im weiteren Jahresverlauf. Mit dem Bruch des langfristigen Baissetrends seit Beginn der 1980er-Jahre (akt. bei 2,53 %) und der Rückeroberung der langfristigen Glättung der letzten 200 Monate (akt. bei 2,62 %) folgten im Frühjahr weitere Ausrufezeichen historischen Ausmaßes. Damit lagen die „2 T´s – Trendwende plus Trendbruch“ als Grundvoraussetzungen für eine langfristige Umkehr vor. Apropos langfristig: Die zeitliche Dimension sollten Anlegerinnen und Anleger dabei stets im Auge behalten: Es ist alles andere als alltäglich, dass 40 Jahre alte Trends zu den Akten gelegt werden. Seit 1980 waren rückläufige Renditen quasi „in Stein gemeißelt“. Deshalb ist die Bezeichnung „game changer“ selten so berechtigt wie im zu Ende gehenden Jahr (Fortsetzung morgen).

10 Year T-Note Future (Kontrakt Dec 22) (Monthly)

Chart 10 Year T-Note Future (Kontrakt Dec 22)

Quelle: Refinitiv, tradesignal² / 5-Jahreschart im Anhang

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Autor: Jörg Scherer

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Über den Experten

Jörg Scherer
Jörg Scherer
Leiter Technische Analyse bei HSBC Deutschland

Jörg Scherer, Diplom-Kaufmann und Certified Financial Technician (CFTe), ist Gewinner des 2007er Awards der „Vereinigung Technischer Analysten Deutschlands“ (VTAD) und der Verfasser des kostenfreien täglichen Newsletter HSBC Daily Trading, einem der meist gelesenen Trading-Newsletter Deutschlands. Ebenfalls analysiert Jörg Scherer auf mehreren Terminen im Jahr auf Seminaren in ganz Deutschland und in Webinaren für Privatanleger und institutionellen Investoren den nationalen und internationalen Aktienmarkt, die Rentenseite, Währungspaare und Rohstoffe.

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