Kommentar
16:30 Uhr, 14.07.2008

„Reverse“ – Wenn nichts mehr geht

Blickt man derzeit im Internet in die Neuemissionsrubriken vieler Emittenten, so sticht ein Name neben den diversen Garantie-Varianten sofort ins Auge: „Reverse“, jene Bezeichnung für Zertifikate, die auf fallende Notierungen im jeweiligen Basiswert setzen. Und das, obwohl doch laut einer in der vergangenen Woche vielzitierten Umfrage des Handelsblattes unter 20 Banken die meisten Vertreter auf eine baldige Wende am Aktienmarkt setzen und dabei Kursziele im DAX von durchschnittlich 7.400 Punkten zum Jahresende genannt werden. Auch in den USA kommen mittlerweile schon wieder diverse Experten aus ihrer Deckung und trauen auch dem S&P 500 in diesem Zeitraum einen Sprung von mindestens 25 Prozent nach oben zu. Alles nur gute Miene zum bösen Spiel oder echte seherische Fähigkeiten? Zumindest die stärker werdenden Intraday-Schwankungen könnten aktuell darauf hindeuten, dass eine Bodenbildung nicht mehr fern sein könnte, selbst wenn am Freitag auch der DAX sein bisheriges Jahrestief geknackt hat.

Wer dennoch fest an weitere Abschläge an den Börsen glaubt, dem erschweren jetzt schon wieder zwei neue Short-Variationen die Auswahl. Besonders forsch geht dabei die Commerzbank mit ihren Reverse-Sprint-Zertifikaten ans Werk, die genau spiegelverkehrt zu ihren Long-Pendants funktionieren. Wichtig für den Anleger sind zum einen die Start- und die hier etwas tiefer liegende Stoppmarke, zwischen denen die Partizipation 200 Prozent beträgt. Fällt der Index unter diese Range, profitiert das Papier davon allerdings nicht mehr weiter. Liegt der Basiswert am Ende darüber, d.h. läuft er bis zur Fälligkeit ins Plus, baut das Zertifikat 1:1 eine entsprechende Verlust-Position auf. Der Baissier kann hier im Augenblick aus insgesamt neun Produkten auf den DAX mit Laufzeiten zwischen zwei und acht Monaten auswählen. Die maximal erzielbaren Renditen belaufen sich dabei je nach Ausstattung anfänglich auf rund 18 bis 70 Prozent.

Sal. Oppenheim entwickelt sich so langsam auch zum Spezialisten in Sachen Reverse-Investments. Vor etwa zwei Jahren die umgedrehten Protect-Discounts, vor einigen Wochen erst die Reverse-Lock-In-Zertifikate für den Anleger, der keinesfalls die beim „Short-Gehen“ besonders schmerzliche Verlustgefahr tragen möchte und seit Mitte Juni schon wieder die neuen Reverse-Discount-CHANCE-Papiere. Letztere sind einem herkömmlichen Discount-Produkt mit umgekehrten Vorzeichen zunächst sehr ähnlich. Denn auch hier existiert ein Cap der bei den mit einem Abschlag angebotenen Papieren auf den DAX und Euro STOXX 50 genau 100 Euro beträgt und somit einer Fixierung in Höhe des Ausgangsniveaus (at the money) entspricht. Das würde wiederum einen Einstiegspreis rechtfertigen, der sich diesem maximalen Rückzahlungswert bei der gewünschten Indexentwicklung gen Süden im Laufe der Zeit langsam immer weiter annähert. Warum notieren nach den deutlichen Verlusten der vergangenen Tage und Wochen dann aber einige Einzelprodukte zum Teil deutlich über ihrem maximalen Tilgungsbetrag? Der Grund liegt in der speziellen Ausgestaltung der Produkte mit der zusätzlichen Chance-Komponente begründet, die nach dem Erreichen einer bestimmten Kurs-Schwelle durch das Underlying, auch Trigger-Level genannt, den Cap und damit die Gewinnbegrenzung einfach aufhebt, so dass der Anleger ab diesem Zeitpunkt vom Ausgangsniveau ausgehend ungebremst 1:1 nach unten partizipieren kann und je näher diese Marke rückt, desto deutlicher nimmt folglich auch der Preis des Zertifikats zu. Investoren müssen aber bei den „Über-pari“-Papieren beachten, dass sie quasi einen Vorschuss darauf bezahlen, dass der Cap des Zertifikates bald herausgenommen wird. Gelingt das nicht, wird das Investment dann doch noch zum Verlustgeschäft, obwohl die Richtung eigentlich stimmt.

Der BörseGo Tipp:

Der nächste „Absacker“ kann also getrost kommen. Die Emittenten sind bestens darauf vorbereitet. Entweder gezielt auf die kurze Distanz über ein Sprint oder über ein zunächst wenig spektakuläres verkapptes Discount-Papier, dass sich bei einem unerwartet starken Index-Crash im Nachhinein sogar noch als wahrer Segen für den Anleger entpuppen könnte.

6300/5733 DAX Reverse-Sprint-Zertifikat

Emittent/WKN:

Commerzbank / CB758Y

Laufzeit:

25.09.2008

Preis: (14.07.2008)

Geld / Brief: 101,17 € / 101,37 €

5500/6700 DAX Reverse-Discount-CHANCE-Zertifikat

Emittent/WKN:

Sal. Oppenheim / SFL2BP

Laufzeit:

09.06.2009

Preis: (14.07.2008)

Geld / Brief: 98,64 € / 99,14 €

Autor: Armin Geier, http://www.godmode-trader.de/investmentcertificates/overview

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Über den Experten

Armin Geier
Armin Geier

Armin Geier beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren sehr intensiv mit Anlage-Zertifikaten. Begonnen hat sein berufliches Interesse im Jahr 2000, als er bei einem Münchner Internet-Portal über mehrere Jahre die erste Datenbank für diese spezielle Materie aufbauen konnte und dadurch die rasante Entwicklung dieser Spezies damals noch ganz hautnah Produkt für Produkt mitbekam. Wie sehr sich die Zeiten seitdem verändert haben, kann man allein an der Explosion der Produktzahl von anfangs nicht einmal 3.000 auf heute über eine Million Stück erkennen. Bei seinen nächsten Stationen wechselte er dann ganz in den journalistischen Bereich über, ohne seine Vorliebe für die diversen Produktstrukturen aufzugeben, an denen ihm nach wie vor gerade wegen ihrer asymmetrischen Chance-Risiko-Profile sehr gelegen ist. Insbesondere interessiert ihn dabei die Möglichkeit, aus Einzelansätzen langfristig funktionierende Strategien zu entwickeln. Leider wird dieser Zielsetzung seit Lehman vor dem Hintergrund einer immer kurzfristigeren Denkweise an den Märkten von Emittentenseite immer weniger entsprochen. Bei der BörseGo AG/Godmode-Trader ist Armin Geier seit sechs Jahren mit journalistischen Beiträgen in diversen Rubriken und Publikationen als Experte für Anlage-Zertifikate präsent.

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