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11:01 Uhr, 09.05.2014

Einführung in die Welt der Optionsscheine

Optionsscheine erfreuen sich einer zunehmenden Beliebtheit bei Privatanlegern. Auf den ersten Blick kann das Finanzderivat Verwirrung stiften, doch es lohnt sich, Optionsscheine und ihre zahlreichen Einsatzmöglichkeiten zu verstehen. Dieser Artikel schafft Klarheit.

Optionsscheine sind ein beliebtes Handelsinstrument bei privaten Anlegern - doch Optionsscheine sind auf den ersten Blick sicherlich nicht die am leichtesten verständlichen Finanzprodukte. Dennoch lohnt es sich, einen genauen Blick auf die Instrumente zu werfen, denn die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten ermöglichen zahlreiche spannende Tradingstrategien, die man mit anderen Derivaten nicht abbilden kann.

In diesem Artikel gehen wir auf den Unterschied zwischen Optionen und Optionsscheine ein, erläutern die Grundlagen bei der Bewertung des fairen Wertes und stellen die verschiedenen Typen vor: Die Call-Option und Put-Option.

Unterscheidung Optionen & Optionsscheine

Zunächst zu dem wohl wichtigsten Punkt in der Welt der Optionsscheine. Optionsscheine und Optionen sind zwar grundsätzlich ähnliche Produkte, aber dennoch gibt es gravierende Unterschiede.

Optionen werden an Terminbörsen gehandelt (z.B. an der Terminbörse Eurex). Sie können von allen Marktteilnehmern, die an der Terminbörse handeln dürfen/können, gekauft bzw. verkauft werden. Es gibt somit keinen zentralen Emittenten – die Terminbörsen standardisieren lediglich die handelbaren Optionen hinsichtlich der Laufzeiten und Ausübungspreise. Jeder Markteilnehmer kann Optionen verkaufen, ohne sie zu besitzen und wird damit quasi selbst zum Emittenten. Aufgrund dieses Mechanismus ist die Preisbildung ein Resultat der Angebots-und Nachfragestruktur in den jeweiligen Optionen, was ein wichtiger Unterschied zu den Optionsscheinen ist.

Das Verkaufen von Optionen, die man nicht zuvor gekauft hat (also das Leerverkaufen) nennt man „Schreiben“. Das Schreiben von Call-Optionen („covered short call“) auf die selbst gehaltenen Aktien ist eine beliebte Strategie von Aktienbesitzern, die damit auch ein begrenztes Risiko haben (da sie im Ausübungsfall die Aktien aus eigenem Bestand liefern können, ohne am Markt kaufen zu müssen).

Optionsscheine dagegen werden nicht an den Terminbörsen, sondern an den „normalen“ Wertpapierbörsen und auch außerbörslich im Direkthandel gehandelt. Es gibt immer einen Emittenten (eine Bank), dieser stellt fortlaufend An-und Verkaufspreise (sogenannte „bid“ und „ask“-Kurse). Die Preise der Optionsscheine ergeben sich nicht aus Angebot und Nachfrage nach diesen Scheinen! Der Emittent legt die Preise fest und orientiert sich dabei in der Regel an den Preisen an den Terminbörsen für vergleichbare Optionen.

Am Geld, aus dem Geld, im Geld: Was bedeutet das?

Der Basispreis (Strike) ist der Preis, zu dem eine Option ausgeübt werden darf. Wir betrachten den Fall, dass eine Option auf steigende Kurse erworben wird (Call).

  • Liegt der Kurs des Basiswertes über dem Basispreis, so ist die Option „im Geld“. Die Option hat dann einen „inneren Wert“, weil sie den Erwerb des Basiswertes zu einem Preis erlaubt, der niedriger als der Marktwert ist.
    Beispiel: Die BMW-Aktie steht bei 60 EUR, der Basispreis des Calls auf BMW beträgt 40 EUR. Daraus ergibt sich ein innerer Wert von 20 EUR.
  • Sind der Basispreis und der Kurs des Basiswertes etwa identisch, ist die Option „am Geld“. Der innere Wert ist dann nahe Null.
    Beispiel: Die BMW-Aktie steht bei 60 EUR, der Basispreis des Calls auf BMW beträgt auch 60 EUR. Daraus ergibt sich ein innerer Wert von 0 EUR.
  • Liegt der Kurs des Basiswertes unter dem Basispreis, so ist die Option „aus dem Geld“. Die Option hat dann keinen inneren Wert.
    Beispiel: Die BMW-Aktie steht bei 60 EUR, der Basispreis des Calls auf BMW beträgt 80 EUR. Daraus ergibt sich ein innerer Wert von null (bzw. –20 EUR).

Preisbildung bei Optionsscheinen: Der faire Wert einer Option!

Während die Preisbildung von Hebelzertifikaten und CFDs sehr einfach und transparent ist, gestaltet sich die Thematik bei Optionsscheinen viel komplizierter.

Wer ein DAX-Hebelzertifikat hält, kann davon ausgehen, dass ein Punkt im DAX einem Cent im Zertifikat entspricht. Bei Optionsscheinen dagegen kann es theoretisch sogar passieren, dass man auf die richtige Richtung gesetzt hat, der OS aber an Wert verliert. Warum das?

Lange wusste man gar nicht, wie man den Wert einer Option überhaupt berechnen soll. Bei einer Option tief im Geld kann man zumindest ein Gefühl dafür haben, denn dann ist der innere Wert sehr hoch. Aber wie sieht es aus, wenn eine Option weit aus dem Geld ist? Was ist ein Call auf BMW wert, dessen Ausübungspreis 20 EUR vom aktuellen Kurs der Aktie entfernt ist?

Solche Fragen konnten ab 1973 endlich zumindest näherungsweise beantwortet werden. Denn damals wurde das „Black-Scholes-Modell“ veröffentlicht. Diese Formel war so bahnbrechend, dass die beiden namensgebenden Wirtschaftswissenschaftler 199 sogar den Nobelpreis dafür erhielten. Ohne nun näher in diese nicht gerade unkomplizierte Formel und ihre Annahmen einzusteigen, sei folgendes festgehalten:

Der Wert einer Option hängt nach Black/Scholes neben dem Ausübungspreis und dem Kurs des Basiswertes (was ziemlich einleuchtend ist) auch von der Laufzeit, dem Marktzins und insbesondere von der Volatilität ab. Unter sonst gleichen Bedingungen gilt: Je höher die erwartete (implizite) Volatilität, desto höher der Preis der Option.

Warum man mit Optionen „anders“ spekulieren kann als mit anderen Hebelprodukten

Das ist der entscheidende Unterschied zu CFDs und Hebelzertifikaten. Diese Tatsache ermöglicht es, mit Hilfe von Optionen unter anderem auch auf Veränderungen der Volatilitätserwartungen zu spekulieren.

Die implizite Volatilität könnte man auch als eingepreiste Volatilität bezeichnen. Aus dem Optionspreis kann mit Hilfe der Black-Scholes-Formel die implizite Volatilität iterativ ermittelt werden. Sinkt von einem Tag auf den anderen der Preis einer Option und sind alle anderen Parameter gleich geblieben, dann ist ganz einfach die eingepreiste Volatilität gefallen. Ist diese im historischen Vergleich gerade besonders niedrig, könnte man etwas simplifiziert sagen: Optionen sind „gerade billig“. Der VDAX NEW dient als guter Indikator dafür, wie es aktuell um die Volatilität bestellt ist. Diserer Index wird von der Deutschen Börse berechnet und misst die implizite Volatilität für den DAX, bezogen auf den Zeitraum der nächsten 30 Tage. So erhält man einen Ausblick auf die künftige und die historische Entwicklung dieser Kennzahl.

Die „Griechen“

Die Black-Scholes-Formel brachte außerdem noch einige Kennzahlen mit sich, die die Abhängigkeit des Optionspreises von Änderungen bestimmter Parameter messen. Auf diese (Delta, Gamma, Vega, Theta, Rho, Omega) soll hier nicht näher eingegangen werden. Einzig das Delta sei kurz erläutert: Es zeigt an, wie sich der Preis einer Option absolut ändert, wenn der Preis des Basiswert um eine Einheit steigt. Haben Sie also einen BMW-Call mit einem Delta von 0,4 dann wird die Option ca. um 40 Cents steigen, wenn BMW um einen Euro steigt.

Vor-und Nachteile von Optionen

Die implizite Volatilität spielt für den Preis einer Option eine große Rolle. Man könnte daraus eine approximative Regel ableiten: Ist die implizite Volatilität im historischen Vergleich gerade sehr hoch, sollte man Abstand von Optionsscheinen nehmen. Denn fällt die Volatilität deutlich, kann man mit einem Engagement in einer Option sogar dann Verluste machen, wenn die Marktrichtung stimmt, auf die man gesetzt hat.

Andersherum macht es mit der gleichen Begründung Sinn, in Zeiten sehr niedriger Volatilität Optionsscheine gegenüber Hebelzertifikaten und CFDs vorzuziehen. Nicht zuletzt deswegen, weil ein Optionsschein nicht „ausknocken“ kann. Er bleibt bis zum letzten Tag der Laufzeit etwas wert und kann auch nach heftigsten Schwankungen noch einen Gewinn abwerfen.

Ein weiterer wichtiger Unterschied von Optionsscheinen gegenüber anderen Hebelprodukten ist das Aufgeld (Agio). Es zeigt an, um wie viel es teurer ist, den Basiswert über die Option statt direkt zu beziehen. Das Aufgeld (Preis des Optionsscheins minus innerer Wert) ist eine schnell einleuchtende Notwendigkeit, ein Abgeld macht keinen Sinn, da dann risikolose Arbitrage möglich wäre. Es ist umso höher, je weiter die Option aus dem Geld ist.

Je weiter eine Option im Geld ist, desto geringer ist auch ihr Aufgeld, desto weniger Sinn macht diese aber auch, da dann der Hebel gegen 1 geht. Auch Hebelzertifikate verfügen über ein Aufgeld, das im Vergleich aber sehr gering ist.

Abschließend kann man festhalten, dass Optionsscheine zu Unrecht in Vergessenheit geraten sind. Die Möglichkeit auf Veränderungen der Volatilität zu spekulieren ist ebenso attraktiv wie die Tatsache, dass ein Optionsschein während seiner gesamten Laufzeit nicht wertlos verfallen kann.

Arten von Optionsscheinen

Welche Optionsschein-Arten gibt es? Und wo liegen die Unterschiede? Der folgende Abschnitt stellt die beiden Typen "Call-Optionsschein" und "Put-Optionsschein" vor.

Call-Optionsschein

Der Besitzer eines Call-Optionsscheines hat das Recht, den zugrunde liegenden Basiswert zum Kurs des festgelegten Strike-Preises zu kaufen. Dieses Recht besitzt einen bestimmten Wert, der abhängig ist in erster Linie vom Kurs des zugrunde liegenden Basiswertes. Steigt der Basiswert an, dann wird auch das Recht, zu einem unverändert festgelegten Kurs zu Kaufen, wertvoller, und der Optionsschein legt theoretisch im Kurs zu. An einem einfachen Beispiel soll dies verdeutlicht werden. Angenommen ist ein Kaufoptionsschein mit einem Strikepreis bei 100 Euro. Der zugrunde liegende Basiswert notiert aktuell bei 120 Euro. Ist der Anleger im Besitz eines Optionsscheins, könnte er diesen ausüben und den Basiswert für 100 Euro kaufen, anschließend an der Börse wieder für 120 Euro verkaufen. Die sich daraus ergebende positive Spanne bildet den Wert des Optionsscheines. Es errechnet sich ein Wert von 120 Euro – 100 Euro = 20 Euro. Steigt der Basiswert jetzt auf 140 Euro, so würde auch der Wert des Optionsscheines steigen. Dieser beläuft sich dann auf 140 Euro – 100 Euro = 40 Euro. Der Zweck eines Call-Optionsscheines ist also das profitieren an steigenden Notierungen des Basiswertes. Diese einfache Berechnung allein genügt allerdings noch nicht, um den tatsächlichen Wert eines Optionsscheines während der Laufzeit zu ermitteln. Nur exakt zum Laufzeitende kommt es zu einer Preisbildung, die dieser vereinfachten Berechnung entspricht. Der soeben ermittelte Wert nennt sich auch Innerer Wert des Optionsscheines. Nun ist es problemlos möglich, dass der Basiswert unterhalb des Strike-Preises notiert. Steht dieser beispielsweise bei 80 Euro und der Strikepreis liegt wieder bei 100 Euro, so ist der innere Wert des Optionsscheines 0. Auch wenn der Basiswert exakt auf dem Niveau des Strike-Preises notiert, ergibt sich für den Optionsschein kein innerer Wert. Dennoch ist ein Optionsschein während der Laufzeit auch in diesem Fall nicht wertlos. Wie sich der so genannte Zeitwert zusammensetzt soll in den folgenden Abschnitten noch erläutert werden. Das Profil eines Call-Optionsscheines ist in der folgenden Abbildung dargestellt:

Put-Optionsschein

Ein Put-Optionsschein bildet das Gegenstück zum Call-Optionsschein. Hierbei geht es darum, an fallenden Notierungen des Basiswertes zu profitieren. Bei einem Put-Optionsschein hat der Besitzer das Recht, den zugrunde liegenden Basiswert zu einem bestimmten Preis, dem Strike, zu verkaufen. Angenommen werden soll beispielhaft für die Ermittlung des inneren Wertes des Put-Optionsscheines ein Strikepreis von 120 Euro. Der Basiswert wird an der Börse zu 100 Euro gehandelt. Somit kann der Besitzer des Optionsscheines diesen jetzt ausüben und die Basiswert für 120 verkaufen, gleichzeitig diesen aber an der Börse für 100 Euro aber kaufen. Es ergibt sich somit ein Gewinn von 120 Euro – 100 Euro = 20 Euro. Dieser entspricht dem inneren Wert des Put-Optionsscheines. Bei fallendem Kurs des Basiswertes nimmt der innere Wert des Put-Optionsscheines konstant zu. Notiert der Basiswert bei 80,00 Euro, würde sich der innere Wert des Put-Optionsscheines zu 140 Euro – 80 Euro = 40 Euro berechnen. Wieder handelt sich bei diesem Beispiel nur um den eigentlichen, den inneren Wert des Optionsscheines. Dieser entspricht nicht dem tatsächlichen Kurs, zu dem dieser an den Börsen gehandelt werden. Nur exakt zum Laufzeitende würde der Kurs des Optionsscheines auch tatsächlich dem inneren Wert entsprechen. Und dieser innere Wert kann auch 0 sein. Dies ist der Fall, wenn der Basiswert über dem Strikepreis notiert. Würde der Basiswert im vorgenannten Beispiel bei 140 Euro stehen, könnte dieser an der Börse direkt für 140 Euro verkauft werden. Bei Ausübung des Put-Optionsscheines mit einem Strike bei 120 Euro wäre hingegen nur ein Verkaufspreis von 120 Euro zu erzielen. Eine Ausübung ist zwar in diesem Fall möglich, macht aber kaum Sinn. Wenn der innere Wert des Optionsscheines 0 ist, trifft dies jedoch nicht ebenso auf den Preis des Optionsscheines zu. Dieser setzt sich zusammen aus dem inneren Wert und dem Zeitwert. Das Profil eines Call-Optionsscheines ist in der folgenden Abbildung dargestellt:

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