Wissensartikel
15:43 Uhr, 28.06.2010

Finanzpsychologie (6) - Kampf-Flucht-Reaktion und der Umgang mit Stress

Der amerikanischer Physiologe Walter B. Cannon (1871 - 1945), ging davon aus, dass ein Emotionsreiz zwei gleichzeitig ablaufende Reaktionen hervorruft: Die physiologische Erregung und die Wahrnehmung der Emotion.

Cannon war der erste Wissenschaftler, der im Zusammenhang mit Stress erkannte, dass unser Stammhirn - das sogenanntes Reptiliengehirn, das als der stammesgeschichtlich älteste Teil unseres Gehirns bezeichnet wird – reflexartig auf alles überraschend Neue reagiert.

Dieser Teil unseres Gehirns agiert selbstaktiv und noch vor der Bewusstwerdung im Bruchteil einer Sekunde. Es bewertet Situationen als gefährlich oder ungefährlich. Hier entsteht auch der Reflex des Wegziehens unserer Hand von einer heißen Herdplatte oder die Versetzung eines Stopps beim Trading aus Angst, ausgestoppt zu werden.

Laut Cannon haben Mensch und Tier vor allem zwei Wahlmöglichkeiten bei einer Bedrohung: Kampf oder Flucht. Eine weitere ist Erstarrung. Zur Vorbereitung auf diese Reaktionen nimmt der Körper physische Veränderungen vor: Das Stresshormon Adrenalin wird in verstärktem Maße ausgeschüttet, bestimmte Muskeln spannen sich an und werden vermehrt durchblutet, Herzschlag und Blutdruck erhöhen sich, die Schweißbildung nimmt zu. Der gesamte Körper wird in Alarmbereitschaft versetzt und mit entsprechender Energiezufuhr versorgt. Oberstes Prinzip: Das eigene Überleben muss gesichert werden! Zu Urzeiten wurden diese körperlichen Stressreaktionen in Form von Kampf oder Flucht aktiv umgesetzt. Der Auslöser dafür konnte der Angriff eines menschlichen Gegners ebenso sein wie die Bedrohung durch ein gefährliches Tier.

Diese physischen Vorbereitungen auf lebensgefährliche Situationen sind zwar durchaus sinnvoll, aber der zivilisierte Mensch wird kaum noch von ihnen bedroht. Heute ist die Kampf-Flucht-Reaktion bei der Bewältigung der meisten Stress-Situationen nicht mehr hilfreich. Zwar erleben wir in unserem Alltag und auch beim Trading zahlreiche Stressmomente, aber diese tragen wir natürlich nicht kämpferisch aus, indem wir etwa unseren Chef körperlich angreifen oder bei jedem Minus-Trade unseren Computer zerstören.

Das hat zur Folge, dass die bereitgestellte Energie (Fett, Zucker) nicht verbraucht wird und unseren Körper sogar durch Langzeitbelastungen schädigen kann. Denn die Stressreaktion ist von Natur aus als kurze Belastung für Gefahrensituationen angelegt. Heutige Stressfaktoren sind aber meist über Stunden, Tage, Wochen, Monate oder gar Jahre aktiv. Zum Beispiel in zwischenmenschlichen Beziehungen, im Beruf oder auf existenzieller Ebene. Somit bleibt ein erhöhtes Stressniveau über lange Zeit bestehen und wird oft nicht mit Bewegung, Ruhe oder Entspannung körperlich abgebaut. Dadurch bleibt der Körper ständig „unter Strom“. Der Organismus verliert sein natürliches Gleichgewicht und kehrt nur sehr schwer zu seinem normalen Ruheniveau zurück. Die Folge sind Gefäßveränderungen, Muskelanspannungen, Schlafstörungen und seelische Belastungen bis hin zum Burnout-Syndrom und Depressionen sowie zahlreiche organische Schäden.

Beim Trading zeigen sich Walter B. Cannons drei Handlungsmuster wie folgt: Der Kampf stellt sich im Über-Traden, in Positionserhöhung oder im Stopps löschen dar. Flucht zeigt sich darin, dass Trader vorschnell eine Position auflösen oder Trades kurz vor Erreichen der Stopps glattstellen. Erstarrung erkennt man an Handlungsunfähigkeit, daran, dass die Position nicht mehr beobachtet wird oder keine Trades mehr gemacht werden.

Stress durch Kontrollverlust

Der Mensch hat das Bedürfnis, die Geschehnisse in seinem Leben kontrollieren zu wollen. Was er nicht unter Kontrolle hat, verursacht ihm das Gefühl von Unsicherheit.

Trading ist geprägt von Unsicherheit, da es keinem festen System folgt. Die ständigen Kursbewegungen sind zufällig und werden vor allem durch die Emotionen der Beteiligten stark beeinflusst. Für unerfahrene Teilnehmer ist Trading deshalb oft Stress pur.

Beim Trading entsteht Stress vor allem durch eine der beiden stärksten menschlichen Reaktionen. Neben Liebe ist das die Angst. Die größte Angst des Menschen ist der Verlust seiner Existenz. Da Geld in unserer Gesellschaft eine sehr wichtige Bedeutung von Existenz übernommen hat, löst Geldverlust bei vielen das Gefühl von Existenzangst aus. Ein weiterer, sehr wichtiger Angstauslöser beim Trading ist der Kontrollverlust.

Sieht ein Trader zum Beispiel, dass sich ein Kurs negativ zu seinem eingegangenen Trade verhält, bewertet das Angstzentrum im Stammhirn (Reptiliengehirn) diese Situation automatisch als lebensbedrohliche Situation und zwingt den Trader, im Zweifelsfall ins Geschehen einzugreifen. Im Nachhinein bewertet der Trader diese Reaktion als unsinnig und kontraproduktiv zu seiner eigentlichen Absicht, profitabel traden zu wollen.

Auch andere typische Verhaltensweisen beim Traden werden oft durch Stress verursacht: Mit Spontan-Trades Verluste ausgleichen zu wollen, Stopps wahllos zu versetzen, zu löschen, oder gar nicht erst zu platzieren. Gedankliches Einsinken in den Chart-Verlauf und dadurch den Gesamtüberblick zu verlieren. Umher springen in den verschiedenen Zeiteinheiten, auf der Suche nach Chancen – statt Chancen auf Grundlage seines Regelwerks zu suchen. Risikoveränderung durch Vergrößern oder Verkleinern des Geldeinsatzes. Über-Trading – es werden zu viele Trades eingegangen.

Handelssysteme werden vermischt und der eigene Handelsansatz nicht mehr korrekt durchgeführt. Trading auf Grundlage von Gedanken wie „Höher kann der Kurs nicht steigen“. „Tiefer kann die Aktie nicht fallen“. Sähe man einem Trader, der sich im erhöhten Stresszustand befindet, bei seiner Arbeit zu, könnte man leicht den Eindruck bekommen, da säße jemand wie ferngesteuert an seiner Trading-Plattform. Stress lässt uns nämlich Handlungen durchführen, die stark von alten, gewohnten, oft kindlichen Verhalten geprägt sind. Deshalb ist es gerade zu Beginn so wichtig, das Trading-Handwerk so professionell wie möglich zu lernen. Denn in Stresssituationen greift das Gehirn insbesondere auf altbekannte Verhaltensweisen zurück. Hat man sich als Trading-Anfänger etwa beigebracht, Stopps in Notsituationen einfach zu löschen, um nicht Gefahr zu laufen, ausgestoppt zu werden, kann diese für das Gehirn sehr bekannte „Notlösung" bei Stress schnell wieder aktiviert werden.

Das Tragische ist, dass diese Handlungen unbewusst passieren. Noch bevor wir uns über die Tragweite dieser Aktion bewusst werden, haben wir ins System eingegriffen und sind auch noch überzeugt davon, richtig gehandelt zu haben.

Stress erkennen und besiegen

Starke Stressverstärker beim Trading sind hohe oder häufige Geldverluste und existenzielle Verpflichtungen. Beim Trading sollte man deshalb immer nur kleine Risiken eingehen. Wer aus existenziellen Gründen traden muss, kann schnell in eine Stressspirale geraten. Dies gilt auch für jene, die ohne einen ausgearbeiteten Handelsplan traden.

Es sind vor allem die physischen und psychischen Reaktionen, an denen man erkennen kann, dass man überfordert ist. Die häufigsten Anzeichen für Stress beim Traden sind:

  • Häufige Fehlentscheidungen
  • Starke Angstgefühle
  • Innere Anspannungen
  • Nervosität
  • Entscheidungsunfähigkeit
  • Überraktionen
  • Dauernde Erschöpfungszustände
  • Traurigkeit/Hoffnungslosigkeit
  • Kopfschmerzen
  • Verspannungen
  • Rückenschmerzen
  • Rückzug
  • Nachtschweiß
  • Schlafstörungen
  • unregelmäßiges Essen
  • Bauchschmerzen
  • Übelkeit
  • Herzprobleme
  • Zu viel rauchen/trinken
  • Suchtsymptome

Nicht nur dasTraden selbst kann uns in Stress versetzen und unsere Handelsentscheidungen beeinflussen. Sondern auch problematische Ereignisse aus unserem Umfeld - etwa Familie, Partnerschaft, Beruf, Nachbarschaft, finanzielle Nöte oder Krankheiten.

Bei Dauerstress besteht die Gefahr, durch kleine Auslöser unangemessen stark zu reagieren. Eine „Alles oder Nichts"-Mentalität kann entstehen. Der Trader will dann nur noch Recht haben und geht unbedacht große Risiken ein. Manchmal werden so die Gewinne von Wochen und Monaten binnen Kürze wieder eingebüßt. Mitunter wird durch so einen Stress-Anfall sogar ein Totalverlust des Kontos verursacht.

Vollkommen frei von Stress zu sein ist beim Trading kaum möglich und auch nicht erstrebenswert. Wissenschaftler haben bewiesen, dass ein zu niedriges Stress-Level hinderlich sein kann, um unsere Ziele zu erreichen. Durch Stress entsteht in uns das Gefühl, lebendig zu sein, am Leben teilzunehmen. In unserer Kultur gehört er durchaus zum Streben nach Erfolg dazu. Die Dosis macht den Stress, und die ist bei jedem unterschiedlich. Wichtig ist es, eine Balance zu schaffen, in der Dauerstress keine Chance hat.

Hilfreich ist ein persönlicher Stresstest: „Wie komme ich beim Traden in Stress?“, „Wie trade ich in stressigen Situationen?“, „Was kann ich in Stresssituationen anders machen?“, „Wie möchte ich mich beim Traden wirklich fühlen, und wie erreiche ich das?“ Regelmäßige Entspannung ist gut, um gelassen beim Trading zu bleiben. Genauso Sport, eine gesunde Ernährung und ein ausgleichendes Hobby. Weniger Stress bedeutet weniger Trading-Fehler, und das führt zu mehr Trading-Erfolg!

Trading und Persönlichkeit

Viele meinen, dass alle Menschen irgendwie gleich seien. Tatsache ist aber: Jeder ist anders. Zwar mag es zwischen den Persönlichkeiten gewisse Überschneidungen geben, eine absolute Deckungsgleichheit gibt es jedoch nicht.

Jeder macht seine ganz eignen Erfahrungen und erlebt das Leben anders. Man wird etwa geprägt von seinen Eltern, Geschwistern, Familienmitgliedern, Freunden, im Kindergarten, in der Schule, im Beruf. Es reicht schon, innerhalb der Familie an einer anderen Stelle der Geschwisterordnung geboren worden zu sein, um eine vollkommen andere Persönlichkeit zu haben.

Diese Unterschiede sind auch der Grund, weshalb Trading nicht für jeden gleich erlernbar ist. Der eine ist ungeduldiger, der andere hat mehr Disziplin, ein Dritter neigt zu großen Ängsten, ein weiterer ist zu risikofreudig.

Ein Trading-Plan sollte deshalb auf die individuelle Persönlichkeit abgestimmt werden. Es reicht in der Regel nicht, den Trading-Stil eines anderen eins zu eins zu kopieren. Denn dieser Plan ist wie ein Maßanzug auf die Bedürfnisse und Fähigkeiten dieses Traders zugeschnitten.

Wer Erfolg an der Börse haben will, der sollte herausfinden, was seine Persönlichkeit ausmacht. Dazu kann man eine Selbstanalyse vornehmen, indem man seine Selbsteinschätzung aufschreibt. Anschließend sollte diese mit einer vertrauten Person besprochen und um deren eigene Meinung ergänzt werden. Wichtig sind die Erkundungen zu den Aspekten Geduld, Risikoneigung, gedankliche Aufnahmefähigkeit, Disziplin, Flexibilität, Sturheit, Schnelligkeit, Ängstlichkeit, Kreativität. Durchhaltevermögen, Rechthabenwollen, Gerechtigkeitsempfinden, Erfolgsstreben, Ausdauer, Mut, Frustrationsschwelle, an Altem verhaftet sein, Einfühlungsvermögen, Intuition.

Ein Persönlichkeits-Check sollte unbedingt zu Beginn der Trading-Laufbahn geschehen. Wer diesen Aspekt bei seiner Ausbildung vernachlässigt, verschwendet unnötig Zeit und gibt Frustration und Hoffnungslosigkeit beim Erreichen seiner Ziele unnötigen Raum.

Das Ergebnis dieser Analyse kann dann genutzt werden, um einen eigenen Trading-Plan zu erstellen. Wer zum Beispiel eine niedrige Angstschwelle hat oder zu unflexibel ist, für den könnte es schwer sein, in kleinen Zeiteinheiten zu handeln. Menschen, die dazu neigen, immer recht haben zu wollen, sollten aufpassen, dass sie nicht in eine Selbst-Sabotagefalle geraten, indem sie beginnen, mit den Märkten zu „kämpfen'.' Hier besteht auch die Gefahr der ständigen Stopp-Versetzung oder gar Löschung der Stopps. Akteure mit diesem Persönlichkeitsanteil haben es oft schwer, ein „Nein" des Marktes zu akzeptieren.

Trading-Falle: denken, glauben, hoffen

Immer wieder passiert es, dass Trader gerade zu Beginn ihrer Ausbildung viele Fehler aufgrund ihrer Vorstellungen und Gedanken machen. „Höher kann der Markt jetzt nicht mehr steigen – ich setze auf fallende Kurse!“, „Tiefer kann die Aktie nicht mehr fallen – ich kaufe!" „Wenn der Markt so enorm steigt, dann will ich auch dabei sein – ich kaufe!“, „ Der Analyst XY sagt, dass der DAX jetzt crash-artig fallen muss – ich kaufe mir ein Zertifikat auf fallende Kurse!“

Denken hilft zwar – nutzt aber nichts. Denn beim Trading gelten andere Gesetze. Die Kursverläufe geschehen nicht auf Basis einer Logik, sondern zumeist rein zufällig. Zwar wiederholen sich bestimmte Kursmuster, aber eine hundertprozentige Garantie gibt es nicht. Trading ist ein Handel mit Wahrscheinlichkeiten, nicht mit festen Gesetzmäßigkeiten.

Die Kunst des erfolgreichen Tradens liegt vor allem darin, zu handeln, was man sieht, und nicht, was man denkt. Das ist für Trader eine große Herausforderung. Denn Menschen sind es gewohnt, vor allem logisch zu agieren. Probleme löst der Mensch mit seinem Verstand. Doch der Börsenhandel ist kein Problem, das sich logisch lösen lässt. Denn er ist von zahlreichen Zufällen durchsetzt, die insbesondere von den Emotionen der Akteure bestimmt werden.

Auch das Überangebot an Wissen in Form von Büchern, Zeitschriften, Foren, Seminaren und Vorträgen kann dazu führen, dassTrading-Ziele nicht erreicht werden. Wer viel weiß, lässt sich leicht dazu verleiten, dieses Wissen auch anwenden zu wollen. Unterschiedliche Handeisstrategien werden dann miteinander vermischt, die Einstiegsbedingungen verkompliziert. Ständig gleicht man seinen Wissensstand mit dem der Anderen, meist Experten, ab. Das führt oft zu instabilen Handelssystemen. Nicht selten ist es so, dass durch vermehrtes Wissen die Kapitalkurve abnimmt, statt zu wachsen. Auch diverse Nachrichten und Informationen über Aktien und Märkte werden von ungeübten Tradern vollkommen überbewertet. In professionellen Börsenkreisen sagt man nicht umsonst „Die Kurse machen die Nachrichten – nicht die Nachrichten die Kurse!"

„Hoffnung ist der Kutscher der Armut": Beim Trading trifft das uneingeschränkt zu. Ausgelöst durch Ängste neigen Trader dazu, an Verlustpositionen hoffnungsvoll festzuhalten, statt das angelaufene Minus auf dem Handelskonto zu akzeptieren und die Position glattzustellen. Dieses Verhalten schafft unnötigen Stress und kann schnell in eine Fehlerspirale führen. Mitunter mit katastrophalen Folgen für den Trader und sein Konto.

Hoffnung hat an der Börse nichts zu suchen. Nur wer bereit ist, die volle Verantwortung für sein Handeln an den Kapitalmärkten zu übernehmen, hat eine Chance, zu den Gewinnern zu gehören. Profis hoffen nicht, sondern handeln entschlossen und überlegt, besonders beim Thema Risiko. Trading-Anfänger wollen nicht reich werden, sondern schnell reich werden. Das ist ihr größter Fehler. Mit 15, 20, 30 Prozent Rendite pro Jahr geben sie sich nicht ab. Das erwarten sie pro Monat. Sie vergleichen sich mit großen Hedge-Fonds-Managern oderTrading- Weltmeistern aus dem Internet. Hier gehen, überspitzt gesagt, Seifenkistenfahrer mit Formel-TPiloten ins Rennen. Mit Realität hat das nichts zu tun. Das kann nur zu einem Konto- Bankrott führen. Zum Erreichen eines exzellenten Börsenhändlers taugt diese Einstellung nicht.

Es ist außerordentlich wichtig, realistisch beim Trading zu bleiben. Wer das nicht tut, macht es sich selbst unnötig schwer und das Ziel wird unerreichbar. Gerade zu Beginn kommt es nicht auf die Rendite an, sondern darauf, konstant seinem profitablen Trading-Plan zu folgen. Gewinne kommen dann von selbst.

Kleines Konto, große Probleme

Menschen messen dem Wert eines Geldbetrages unterschiedliche Bedeutung zu. Wächst ein 1.000-Euro- Konto um 10 Euro, wird dieser Gewinn höher bewertet als 10 Euro bei einem 10.000-Euro-Konto. Obgleich die Gewinnsumme dieselbe ist.

Diese verzerrten Wahrnehmungen können bei Tradern mit kleinen Konten zu Problemen führen. Denn die meisten Trading-Einsteiger erwarten vor allem schnelle und große Gewinne. Deshalb riskieren sie in der Regel zu hohe Geldbeträge.

Bekannt ist die Ein-Prozent-Regel. Demnach sollte man als Trader nicht mehr als ein Prozent seines gesamten Handelskontos pro Trade riskieren. Anfängern wird zu 0,5 Prozent Risiko geraten. Bei einer Kontogröße von 5.000 Euro läge der Risikobetrag dann bei 25 Euro pro Trade.

Neueinsteigern sind solche kleinen Beträge jedoch oft zu unbedeutend. „Davon bezahle ich ja mein Mittagessen'.' Und das Erreichen ihrer Ziele scheint ihnen zu mühsam. „Wie lange soll ich denn da warten, bis ich jemals vernünftig Geld an der Börse verdiene?" Außerdem agieren viele nach ihrem gewohnten Verhalten als Anleger. Hier riskierten sie meist den ganzen Anlagebetrag und agierten ohne Stopps.

Insbesondere aus diesen Gründen setzt ein Großteil der Anfänger fünf oder gar zehn Prozent ihres gesamten Handelskontos pro Trade aufs Spiel. Die fatalen Folgen werden dabei vollkommen außer Acht gelassen. Die zu groß gewählten Risikobeträge können nach wenigen Minus-Trades in Folge das gesamte Konto auslöschen. Ein professioneller Handel ist so nicht möglich. Die großen Kontoschwankungen führen unweigerlich zu starken emotionalen Belastungen. Diese wiederum veranlassen den Trader zu weiteren unklugen Trading- Aktivitäten. Statt beständig seinem ausgearbeitetem Handelsplan zu folgen, werden nur noch Trades „aus dem Kopf" gemacht. Der Trader folgt dann Gedankenschleifen wie „Ich will mein Geld wieder haben", „Alles oder Nichts!“, „Ich will aber gewinnen!" oder „So schnell kriegen mich die Märkte nicht klein!"

Dahinter verbirgt sich die Absicht, Recht haben zu wollen. Das ist ein natürliches Bedürfnis des Menschen, da er sich selbst über sein Wissen und Können definiert. Beim Trading führt dieses Verhalten jedoch langfristig in den Bankrott, da die Börsen keinen zuverlässigen, logischen Regeln folgen. Das fatalste an diesem Verhalten ist, dass der Anfänger sich ein absolut unprofessionelles Trading antrainiert. Gerade im Zusammenhang mit starken emotionalen Reizen entstehen nämlich im Gehirn stabile neuronale Verknüpfungen, die zur Folge haben können, dass solche Trading-Aktivitäten sich zu unbewussten Routinen entwickeln. Eine nachträgliche Veränderung für die spätere Trading-Karriere ist dann nur mit großem Aufwand zu erreichen.

Traden mit Sinn

Der Weg zum professionellen und profitablen Trader braucht Zeit und ist arbeitsintensiv. Wobei die Ausführung von Trades sehr einfach ist. Auch die Zusammenhänge des Börsengeschehens sind leicht nachvollziehbar. Wesentlich komplexer ist die mentale Arbeit an sich selbst. Das Einüben richtiger Denk- und Verhaltensweisen gehört hier ebenso dazu wie die Aneignung von Disziplin, Durchhaltevermögen und dem Mut, Ängste zu überwinden.

Am Anfang einer Trader-Karriere ist eine der wichtigsten Fragen die nach dem Sinn: „Wozu will ich eigentlich traden?" Denn um auf diesem steinigen Weg der Erfahrungen nicht auf der Strecke zu bleiben, sollte man unbedingt wissen, was einen motiviert. Das gibt die nötige Kraft und Ausdauer zum Durchhalten.

Viele sehen den Sinn des Tradens darin, Geld zu verdienen. Doch dann könnten sie auch weiterhin in ihrem gewohnten Beruf bleiben. Sie könnten ihr Auskommen durch Überstunden erhöhen oder durch Weiterbildung. Wozu dann all die Strapazen einer Trading-Ausbildung auf sich nehmen?

Geld ist realistisch betrachtet nur ein Stück wertlosen Papiers oder Metalls. Hinter dem Geld steckt immer ein tieferer Sinn. Etwa Geld als Sicherheit, als Prestigeobjekt, als Möglichkeit, seine Persönlichkeit aufzuwerten, Geld, um das Überleben zu sichern oder Geld, um frei von etwas zu sein.

Manche traden, um ihre innere Leere zu füllen, ihnen fehlt ein Sinn in ihrem Leben oder eine Beschäftigung. Trading kann auch .empfundene Langeweile vertreiben oder das Gefühl von Freiheit und Abenteuer erzeugen - sprich: intensive Gefühle spürbar machen, die im Alltagsleben nicht mehr vorhanden sind. Manche Trading-lnteressierte fühlen sich nicht genug wahrgenommen, etwa von ihrem Partner. Nicht genug wertgeschätzt, vielleicht vom Chef, und hoffen, eine Ersatzbefriedigung durch das Traden zu bekommen. Manch einer versucht auch mit dem besonderen Flair des Börsenhandels, sein mangelndes Selbstbewusstsein zu erhöhen. Eine Suchtgefahr ist dann nicht zu unterschätzen.

Wer mit Hilfe des Tradings seine persönlichen Defizite ausgleichen will, kann es schwer haben, die nötige Ernsthaftigkeit für dieseTatigkeit aufzubringen. Um jedoch dauerhaft erfolgreich zu sein, erfordert dieses Geschäft die Qualitäten eines Spitzensportlers. Jeder kann selbst entscheiden, was er erreichen will: Hobbyfußball oder Erste Liga.

Das „wozu" im Trading liegt meist nicht im Geld begründet. Davon kauft man sich vielleicht ein Auto. Doch wozu kauft man sich das Auto? Um seine Persönlichkeit damit aufzuwerten? Es komfortabler zu haben? Oder gibt das große Auto ein Gefühl von Sicherheit, Freiheit oder Stärke? Ist vielleicht das die Motivation für das eigene Trading: Sicherheit, Freiheit, Stärke? Jeder sollte seine Motive herausfinden und immer wieder überprüfen.

Ohne tieferen Sinn zu traden, ist mit einem Gefühl der Leere und Belanglosigkeit verbunden. So, als brächte man eine Mülltüte zum Abfall – es gehört zum Leben dazu. Eine denkbar schlechte Grundlage, um diszipliniert zu sein. Und wer keine Motivation für Disziplin hat, der wird auch langfristig keinen Erfolg beim Trading haben!

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