Wissensartikel
15:33 Uhr, 28.06.2010

Finanzpsychologie (4) - Die Rolle der Angst

Ängste sind das zentrale Thema beim Trading. Die größte Angst des Traders ist die Angst vor finanziellen Verlusten.

Trading-Ängste - das zentrale Thema beim Trading

Da Geld eine sehr wichtig existenzielle Funktion in unserer Gesellschaft hat, bewerten Menschen den Verlust von einem Geldwert als stark bedrohlich.

Neben dem Verlust von Geld geht es jedoch ebenso um den seelischen Schmerz, der durch Ablehnung verursacht wird, etwa, wenn Trades häufig ausgestoppt werden. Dahinter steckt Folgendes: Menschen sind soziale Wesen und wollen sich geliebt und angenommen fühlen. Machen sie Fehler, befürchten sie, von anderen bestraft oder gar ausgegrenzt zu werden. Diese drohende Einsamkeit macht dem Menschen Angst.

Grund dafür sind alte Überlebensmuster. Denn ohne die Gemeinschaft war der Ur-Mensch nicht lebensfähig. Hinzu kommt das äußerst starke Bindungsgefühl während der Schwangerschaft. Babys wachsen während der ersten neun Monate in völliger Zweisamkeit und Harmonie sicher im Bauch der Mutter heran. Nach diesem bedingungslosen Gefühl der Sicherheit sehnt sich ein Mensch sein ganzes Leben, sobald er auf der Welt ist.

Ort dieser Angstgefühle ist das sogenannte Reptiliengehirn. Es ist eines der ältesten Teile des menschlichen Gehirns. Hier sitzen die Reflexe und Instinkte und somit die triebhafte Basis, auf die unsere wichtigsten Gefühle Angst und Freude aufbauen. Im Reptiliengehirn befindet sich die Amygdala, die wegen ihrer Form auch als „Mandelkern" bekannt ist. Sie aktiviert Angstgefühle, wenn Gefahrensituationen im Spiel sind. Ängste sind selbstaktiv und für den Menschen überlebenswichtig. Sie sind eine normale Schutzreaktion auf lebensbedrohliche Situationen. Ohne diese Funktion wäre die menschliche Entwicklung nicht dort angelangt, wo sie heute ist.

Wann das Gefühl von Angst bei einem Trader entsteht, hängt von unterschiedlichen Faktoren ab. Diese haben meist mit biografischen Geschehnissen oder persönlichen Lebenseinstellungen der jeweiligen Person zu tun. Nicht der Markt selbst löst Ängste aus, sondern unsere Reaktion darauf. Diese werden vor allem unbewusst verursacht. Einer der hartnäckigsten Angstauslöser sind Traumen, also starke negative Erlebnisse aus der Vergangenheit. So ein Trauma könnte zum Beispiel ein großer Geldverlust nach einem Börsen-Crash sein, aber auch ein Verlust auf der Beziehungsebene.

Sinnvolle Ängste und sinnlose Ängste

Genetisch bedingte Ängste sind sinnvoll. Sie schützen uns ständig vor dem Tod. Steht man etwa bei einem Orkan unter einem Baum und rennt weg, weil plötzlich ein schwerer Ast auf einen zufliegt, dann ist das eine sinnvolle Angst. Dieses selbstaktive Angstsystem trägt der Mensch schon seit Beginn seiner Existenz in sich. Erkennt das Gehirn eine existentiell bedrohliche Situation, löst es ein Gefühl der Angst aus, das dann zum Fliehen, Kämpfen oder zur Erstarrung aktiviert. Vor allem die Reflexe Kampf und Flucht dienen zum Erhalt von Leib und Leben.

Von einer sinnlosen Angst ist dagegen dann die Rede, wenn man etwa bei schönem Wetter unter einem Baum steht und immerzu panische Angst hat, von einem schweren Ast erschlagen zu werden, obgleich es dazu überhaupt keinen Grund gibt. Sinnlose Ängste entstehen meist durch frühe Prägungen in der Kindheit, innere Haltlosigkeit durch geringen Selbstwert, verunsichernde Lebensereignisse oder stark traumatische Erlebnisse, etwa durch einen Unfall. Zwar sind die Ursachen für sinnlose Ängste oft unbewusst, dennoch können sie leichter behoben werden, da man sie mit fachlicher Hilfe schnell ins Bewusstsein bringen kann.

Auch die Angst vor Trading-Verlusten gilt als sinnlose Angst. Erstens, weil niemand verpflichtet ist, sich diesen Ängsten auszusetzen und zweitens, weil der Trader die existenzielle Bedrohung, sprich die Höhe des Geldverlustes, in der Regel selbst steuern kann.

Doch auch wenn etwa eine eingegangene Trading-Position ausgestoppt wird und der Trader dadurch Geld verliert, wird bei einem Angstgefühl immer das Angstzentrum der sinnvollen Angst im Gehirn aktiviert, also das selbstaktive genetische Angstprogramm, das sich im Reptiliengehirn befindet. Auch wenn die Ursache der Angst aus dem Bereich der sinnlosen Ängste kommt.

Um Trading-Ängste zu reduzieren oder zu vermeiden, gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. Wichtig ist immer, die persönliche Ursache seiner Trading-Ängste ausfindig zu machen, denn sinnlose Ängste sind immer individuell. Dies funktioniert am schnellsten mit einem Trading-Coach. Wer in Eigenregie an dem Thema arbeiten möchte, kann etwa über das Money-Management einen helfenden Ansatz finden. Wenn ein Anleger etwa an sich beobachtet, dass er bei einem Verlustrisiko von einem Prozent zu große Angstgefühle entwickelt, dann sollte er sich Schrittweise an seinen Wohlfühlverlust heranarbeiten. Dazu riskiert er eine festgelegte Zeit lang nur einen Bruchteil der ursprünglichen Summe, zum Beispiel 0,1 Prozent. Dann steigert er diesen Wert, bis er sein ganz persönliches Verlustrisiko gefunden hat, bei dem er keine Angstgefühle mehr empfindet.

Die Sehnsucht nach Sicherheit

Der Mensch hat das Bedürfnis, sein Leben aktiv zu gestalten. Er möchte Teil von Veränderungsprozessen in seiner Umwelt sein. Denn das steigert seinen Selbstwert und vermittelt ihm das Gefühl von Kontrolle und Sicherheit. Die spekulativen Kapitalmärkte sind jedoch alles andere als sicher. Zwar scheinen die Kursverläufe in manchen Zeiten berechenbar zu sein, aber auch das ist nur eine Illusion. Trends und diverse Kursmuster gehen mitunter abrupt zu Ende, und das auf allen Zeitebenen. Für die Börse gilt: Sicher ist, das nichts sicher ist. Diese Tatsache ist für Menschen, die an den Märkten aktiv sind, die größte Herausforderung und der Grund für die häufigsten Fehlerquellen. Denn der Mensch sucht in seinem Leben vor allem eines – Sicherheit.

Da der Verlauf einer Aktie oder eines Indexes aber niemals mit Sicherheit vorhergesagt werden kann, kann beim Trader ein starkes Gefühl von Unwohlsein durch Kontrollverlust entstehen. Um wieder in den Empfindungsbereich der Kontrolle zu gelangen, wendet der Börsenhändler dann vor allem unbewusste Denk- und Handlungsmuster an. Diese steuern seine Emotionen. Dabei steht die Angst an erster Stelle. Ein Schutzmechanismus gegen Ängste ist die Kontrollillusion. Der Anleger glaubt, Verursacher von Geschehnissen zu sein, obwohl diese in Wahrheit durch Zufälle entstehen. Das können günstige Marktverhältnisse ebenso sein wie das Glück, den Tipp eines Freundes befolgt zu haben, oder sich in einem seit Jahren steigenden Börsenumfeld zu befinden.

Die in diesem Zusammenhang wichtigste Erkenntnis ist, dass es nur eines gibt, was man beim Trading kontrollieren kann – sich selbst. Das gelingt vermutlich nicht vom ersten Moment an. Grund dafür sind unsere langjährigen Denk- und Verhaltensmuster. Um profitabel an den Märkten handeln zu können, benötigen wir sozusagen ein „Trading-Gehirn" Der Weg dorthin braucht Zeit, da das menschliche Gehirn nur sehr eingeschränkt bereit ist, seine bewussten und unbewussten Gewohnheiten zu verändern. Alle, die einmal eine Diät gemacht haben oder das Rauchen beenden wollten, wissen, was es bedeutet, sein Verhalten zu verändern.

Die Sicht der Dinge

Trading sieht einfach aus: Der Händler sucht sich etwa einen Chart von einer Aktie, wählt ein Einstiegssignal, setzt eine Stopp-Order und realisiert alsbald einen Gewinn. Das Prinzip wiederholt er wieder und wieder und wird mühelos reich.

Allerdings steht uns auf dieser Strecke meist einer im Weg – wir selbst. Das menschliche Gehirn ist für das Spekulieren an den Börsen dieser Welt eigentlich nicht geeignet. Denn der moderne Mensch strebt nach Sicherheit. Und diesen Gefallen tun uns die Kapitalmärkte nicht. Sie schwanken, getrieben von Angst und Gier, ständig mal rauf und mal runter. Zu den selbstaktiven Ängsten in unserem Gehirn kommen noch andere Einschränkungen hinzu. Denn jeder Mensch ist ein Individuum, das in seiner ganz eigenen Welt lebt, geprägt von zahlreichen Erlebnissen und Erfahrungen. Diese wiederum führen zu einzigartigen Denk- und Verhaltensmustern. Auch wenn wir es allzu oft glauben - aber keiner gleicht einem anderen.

Was der einzelne Mensch denkt, davon ist er überzeugt, das gibt ihm Halt und Sicherheit. Mehr noch, es ist seine Identität, ohne die er sich in der Gesellschaft verloren fühlen würde. Jede Talkshow zeigt das glasklar: Eine einzigartige Realität gibt es nicht. Die Welt ist nicht wie sie ist, sondern wie wir sie sehen. Ob ein Auto, ein Haus, ein Baum, ein Mensch schön ist, geht nicht vom Objekt selbst aus, sondern wird durch unsere ganz persönliche Meinung geprägt. Und diese wiederum entsteht durch die Erziehung, die Gesellschaft, die Medien, durch unsere Erfahrungen und Erlebnisse. Aus Selbstsicht wird Weltsicht.

Auch weil das so ist, steigen und fallen Börsenkurse. Während die einen felsenfest davon überzeugt sind, dass die Märkte fallen müssen, sind die anderen sich zu 100 Prozent sicher, dass die Kurse steigen werden. Beide Lager haben Recht. Es gibt eben nicht die allumfassende Wahrheit, sondern nur unsere Wahrheit.

Dieses Grundprinzip zeigt sich auch bei den zahlreichen Trading-Problemen. Der eine kann Gewinne nicht laufen lassen, weil er Angst hat, zu viele Gewinne wieder einbüßen zu müssen. Ein anderer, weil er nicht glaubt, dass die Kurse noch weiter steigen werden. Der Nächste hatte vorher zigmal verloren und will nun endlich auch mal gewinnen.

Alle haben eines gemeinsam – ihre ganz persönlichen Gründe, warum sie so denken und handeln. Wenn jemand beim Traden keine Gewinne laufen lassen kann, dann könnte es daran liegen, dass er unbewusst verlieren will, weil er überzeugt ist, dass Geld an der Börse zu verdienen etwas Schlechtes sei. Es könnte auch sein, das er unbewusst davon überzeugt ist, dass ihm Erfolg nicht zusteht. Eine weitere Möglichkeit ist, dass er sich als Verlierer wohler fühlt, als wenn er ein Gewinner sei.

Einem Gehirn ist es egal, ob die Gründe für ein bestimmtes Verhalten einen Sinn ergeben oder nicht. Es reagiert, wie es reagieren muss. Gesteuert von elektronischen Impulsen. Ausgelöst von den Prägungen der einzigartigen Lebensgeschichte. Wenn ein Mensch mit seinem Auto über eine Brücke fährt und dabei panische Ängste bekommt, obwohl die Brücke als sicherste Brücke der Welt ausgezeichnet wurde, dann ist das für viele nicht nachvollziehbar, aber eine reale Tatsache.

Der Grund für diese Ängste ist nicht in der Brücke zu finden, sondern im Menschen. Beim Trading verhält es sich genauso. Trading-Probleme sind vor allem individuelle Probleme der eigenen Psyche. Nicht die Börsenkurse selbst lösen Ängste aus, sondern unsere Reaktion auf diese Geschehnisse.

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