Kommentar
08:40 Uhr, 30.09.2008

Zwischen finalem Sell Off und unfertigen Gegenbewegungen

Wir sehen uns mit einer Marktphase konfrontiert, die ihre eigenen Gesetze hat. Natürlich gehen Fundamentals und Charttechnik tendenziell Hand in Hand. Die charttechnische Ausgangslage war bis gestern Morgen exzellent, sie sprach für den Beginn einer umfassenden Erholung an den Aktienmärkten.

In Europa zeichnete sich allerdings durch die heftigen Intraday-Kursverluste vor Eröffnung des US Markts ab, dass der Makt nochmals einem echten Stresstest unterzogen wird. Erstmals war die US Bankenkrise ganz konkret auf den europäischen Kontinent herübergeschwappt. Die Benelux-Länder sahen sich gezwungen wesentliche Teile der Fortisgruppe mit milliardenschwerem Aufwand zu verstaatlichen, in Großbritannien mußte wieder ein größeres Bankinstitut komplett verstaatlicht werden und in Deutschland mußte ein Rettungspaket für die angeschlagene Hypo Real Estate geschnürt werden. Wir haben in Deutschland nicht so viele Banken. Es wird von höchster Wichtigkeit sein, dass diese Institute, die für unser aller alltägliches Leben von zentraler Bedeutung sind, von unseren staatlichen Behörden mit aller Macht verteidigt und durch die Wirren unserer Zeit hindurchbugsiert werden.

Fakt ist, dass mit den massiven Kursabgaben des gestrigen Tages, das eigentlich von uns erwartete Scenario einer umfassenden Bärenmarktrallye ausgehend von den Kursniveaus von Freitag vergangener Woche vom Tisch ist. Der DAX wird mit einem gewaltigen Gap Down, einem Break Away Gap Down, unter das zentrale Unterstützungsniveau bei 5.800 Punkten eröffnen. Zwar ist dann wie heute Nacht in Asien eine erhebliche kurzfristige Intraday-Gegenbewegung denkbar, aber die Karten sind neu gemischt. Der Markt befindet sich in einem Ausverkaufsprozess, in einem Selling Climax.

Anbei sehen Sie den Kursverlauf vom US Volatilitätsindex, dem VIX. Der VIX ist ein guter Sentimentindikator, über den emotionale Zustände des Markts sehr gut erfaßt werden können. Sie sehen, dass der Indikator gestern auf ein neues Hoch, ein Allzeithoch ausgebrochen ist. Wir haben also absolute Extremwerte im "Angstbereich" vorliegen. Ein Trost ist der, dass solche Paniklevels dafür sprechen, dass sich der Markt in der finalen Phase eines Abverkaufs befindet. Sprich, jetzt geht alles sehr schnell. In der letzten Phase fallen die Kurse sehr stark und sehr schnell.

Wie geschrieben. In Asien gab es ebenfalls Eröffnungen mit großen Gap Downs (nach unten gerichteten Kurslücken). Diese wurden intraday aber wieder hochgekauft. Der Markt schaut auf die USA und wartet auf die Reaktionen innerhalb der US Regierung. Das Rettungspaket war vom Markt erwartet worden. Es war erwartet worden, dass die Amerikaner weiter massiv (für sie eigentlich absolut untypisch) in das Marktgeschehen eingreifen werden. Die Ablehnung des Pakets hat den Markt mit voller Breitseite erwischt.

Laut außerbörslicher Indikation wird der DAX bei ca. 5.640 Punkten eröffnen. Also Gap Down. Er dürfte ähnlich wie der asiatische Markt versuchen, das Eröffnungs Gap zumindest partiell zu schließen.

Wir halten uns mit forcierten charttechnischen Kommentierungen zunächst einmal zurück. Hauptaussagen sind die, wir sehen die finale Phase eines Sell Offs, passend zur Saisonalität des Monats Oktober, wir können kurzfristig Stabilisierungsversuche an den Märkten sehen, es kann unter dem Strich in den Indizes aber noch deutlich weiter heruntergehen. Wir warten ab, wir beobachen die Lage weiter engmaschig. Beachten Sie, dass die in unseren Analysen und Kommentierungen genannten charttechnischen Unterstützungen, also potentielle temporäre Wendepunkte nach oben, in solchen Ausverkaufsphasen mit Vorsicht zu genießen sind. In Phasen schnell fallender Kursnotierungen halten sich eben diese nicht sonderlich gut an Unterstützungen. Unterstützungen werden sogar in der Mehrzahl der Fälle gebrochen.

Insgesamt gilt es die Füße in solchen Ausnahmesituationen an den Märkten, wie wir sie zweifelsohne vorliegen haben, still zu halten. Es gibt keinen Grund in Panik zu verfallen. Beobachten auch Sie das Spektakel von den Seitenlinien. Was wir seit 2000 und nun seit 2007 an den Aktienmärkten sehen, hat auf jeden Fall historische Dimensionen. Ganz ehrlich, ich könnte darauf verzichten. Uns allen wäre sicherlich ein weniger stark trendender Markt lieber, dafür aber geordnete Bewegungen.

Bleiben Sie ruhig, lassen Sie sich nicht von der Panik der Kurse anstecken, beobachten Sie die Lage genau, halten Sie sich mit Aktionen als Anleger am Markt zunächst zurück bis der Gefechtsnebel etwas verzogen ist.

Ich wünsche Ihnen, meine Damen und Herren, starke Nerven, und trotz der angespannten Lage, ein gesundes Maß an Gelassenheit. Im Leben eines Menschen gibt es Hochs und Tiefs, das gleiche gilt für die Bewegungen an den Märkten. Einem Tief wird immer ein Hoch folgen. Und nur diejenigen, die auch einmal ein Tief miterlebt haben, werden die anschließenden Hochs in ihrer Wertigkeit schätzen können.

Herzliche Grüße,
Ihr Harald Weygand

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Über den Experten

Harald Weygand
Harald Weygand
Head of Trading

Harald Weygand entschied sich nach dem Zweiten Staatsexamen in Medizin, einer weiteren wirklichen Leidenschaft, dem charttechnischen Analysieren der Märkte und dem Trading, nachzugehen. Nach längerem, intensivem Studium der Theorie ist Weygand als Profi-Trader seit 1998 am Markt aktiv. Im Jahr 2000 war er einer der Gründer der stock3 AG und des Portals www.stock3.com. Dort ist er für die charttechnische Analyse von Aktien, Indizes, Rohstoffen, Devisen und Anleihen zuständig. Über die Branche hinaus bekannt ist der Profi-Trader für seine Finanzmarktanalysen sowie aufgrund seiner Live-Analysen auf Anlegerveranstaltungen und Messen.

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