Kommentar
11:07 Uhr, 15.02.2005

Zurück im Stagnationskorridor

1. Das deutsche Bruttoinlandsprodukt sank im vierten Quartal 2004 um 0,2 % im Vergleich zum Vorquartal. Damit wurden die Erwartungen der von Bloomberg befragten Volkswirte (Median: +0,2 % qoq) und selbst unsere pessimistischere Prognose (+0,1 % qoq) enttäuscht. Das Vorjahresniveau wird kalender- und saisonbereinigt um 0,6 % übertroffen, bei Berücksichtigung der zusätzlichen Arbeitstage liegt die Wirtschaftsleistung sogar um 1,5 % darüber.

2. Die größte Enttäuschung kam im vierten Quartal vom Außenbeitrag. Dieser hatte im Vorquartal das Wachstum um 1,9 % gebremst, so dass noch vor kurzem mit einem starken positiven Rückprall gerechnet wurde. Dem wird nicht so gewesen sein, obwohl die Exporte wieder im Quartalsvergleich zulegen konnten. Das dritte und vierte Quartal zeigen deutlich, dass sich die weltwirtschaftliche Entwicklung verlangsamt hat. Darüber hinaus aber ist auch die Handelsstruktur Deutschlands ein Hemmnis, denn die dynamischsten Regionen gehören nicht zu den wichtigsten Handelspartnern. Schwachen Exporten standen damit unerwartet hohe Importe gegenüber, denn trotz des Plus von 4,3 % qoq im dritten Quartal, dürften diese im vierten Quartal wohl kaum rückläufig gewesen sein. Der starke Dezemberrückgang der nominalen Warenimporte fällt rechnerisch zu zwei Dritteln in das erste Quartal 2005.

3. Die privaten Konsumausgaben konnten ebenfalls nicht den vor drei Monaten in sie gesetzten Hoffnungen der Analysten gerecht werden. Sogar das anfänglich noch hochgelobte Weihnachtsgeschäft entpuppte sich in der Statistik der Einzelhandelsumsätze als Flop. So muss man schon hoch zufrieden sein, wenn die privaten Konsumausgaben im vierten Quartal – zum ersten und einzigen Mal im Jahr 2004 – zugenommen haben. Im Jahresdurchschnitt sanken sie erneut kräftig. Bis zu den ersten positiven Meldungen vom Arbeitsmarkt muss man sich auf weitere Enttäuschungen gefasst machen. 4. Die Bauinvestitionen werden mit einem leichten Plus im Vorquartalsvergleich das Jahr beschlossen haben. Nach der schlechten Entwicklung in den Quartalen zuvor fällt der Rückgang im Jahresdurchschnitt aber sogar größer als im Vorjahr aus. Die Investitionen in Ausrüstungen konnten erwartungsgemäß das hohe Expansionstempo des Vorquartals nicht halten. Angesichts der bislang bestehenden Unsicherheiten über die Absatzperspektiven im In- und Ausland beschränken sich die Unternehmen darauf, veraltete Maschinen durch neue zu ersetzen. Wie stark diese Verunsicherung ist, zeigte jüngst der Handelsblatt Business-Monitor, in dem 62 % der befragten Top-Manager nicht an eine Beschleunigung der Binnennachfrage im Jahr 2005 glaubten. Erst wenn sich klarere Perspektiven dafür abzeichnen, dass erweiterte Kapazitäten in der Zukunft auch ausgelastet werden können, werden Erweiterungsinvestitionen getätigt werden.

5. Im dritten Quartal kamen 1,6 Prozentpunkte Wachstum allein von den Lagerinvestitionen. Das war der zweithöchste gesamtdeutsche Wachstumsbeitrag der Lagerinvestitionen. Es bedarf daher wenig prognostischer Weitsicht, einen negativen Rückprall zu erwarten. Dieser Bremseffekt wird wohl auch hauptsächlich die negative Entwicklung der Binnennachfrage erklären.

6. Kommt man nicht von der Verwendungsseite, sondern von der Entstehungsseite des Bruttoinlandsprodukts, so zeigt sich die Schwäche im vierten Quartal ebenfalls. Die Produktion im produzierenden Gewerbe sank im vierten Quartal um 0,5 % qoq. Da für die Dienstleistungsbereiche keine vergleichbare Statistik vorliegt, muss man auf den Einkaufsmanagerindex für die Dienstleister zurückgreifen. Dieser befand sich zwar noch oberhalb der Expansionsschwelle von 50 Punkten, hatte aber deutlich nachgegeben. Den Dienstleistern ist es daher nur eingeschränkt gelungen, das Minus im produzierenden Gewerbe zu kompensieren.

7. Deutschland befindet sich wieder im Stagnationskorridor. Wir erwarten aber nicht, dass aus der gegenwärtigen Konjunkturdelle eine Rezession erwachsen wird.

Quelle: DekaBank

Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von rund 130 Mrd. Euro gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands. Im Publikumsfondsgeschäft hält der DekaBank-Konzern einen Marktanteil von etwa 20 Prozent.

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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